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Martin Michaeli hat mit Mephisto eine Erfolgsgeschichte geschrieben. Jetzt öffnet sich der Schuhkönig.
FAN DER ALTEN WELT «Wir sind ein europäischer Hersteller, darauf sind wir sehr stolz.»
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Die Lounge im Hercules Club in Zürich. Martin Michaeli präsentiert sich als Patron alter Schule: blauer Anzug, dunkelgraue Krawatte, nur das Schuhwerk sportlich – ein weiss besohlter Wildlederschuh aus eigener Kollektion. Zur Vorbereitung hat er uns seine Autobiografie zukommen lassen, die er nur an Freunde und Bekannte verschickt. Titel: «Wohin mich meine Schuhe trugen». Die Antwort: zu einem Vermögen von mehr als einer Milliarde Franken – und einer sehr speziellen Erfolgsgeschichte.
Ich habe mir alles selbst erarbeitet, mir hat niemand etwas geschenkt. Darüber rede ich in meinem Umfeld schon sehr offen, und ich bin stolz darauf. Aber ich muss das nicht an die grosse Glocke hängen.
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Ich wohne seit 18 Jahren in der Schweiz, fahre aber jeden Monat für drei Tage in unseren Betrieb nach Sarrebourg in Lothringen. Ich muss Kontakt halten, es ist mein Baby. Meine beiden Kinder sind in der Firma, es läuft auch ohne mich. Aber als Gründer kann man nie ganz loslassen.
Geboren wurde er 1936 in Saarbrücken, nach der Schuhfachschule ging Martin Michaeli als 21-Jähriger nach Amerika und stieg dort zum Betriebsleiter auf. Nach seiner Rückkehr gründete er im Elsass die Schuhfirma Mephisto. Der Umsatz liegt bei mehr als 800 Millionen Franken, gefertigt wird für die vier Marken Mephisto, Mobils, Sano und Allrounder. Wichtigster Produktionsstandort ist Portugal, weitere Werke befinden sich in Frankreich und China. Michaeli kam vor 18 Jahren in die Schweiz und lebt heute in Pfäffikon SZ. Er hält 98 Prozent der Firma, die heute von seinen Kindern Marc und Stéphanie geführt wird. Vor zwei Jahren heiratete er ein zweites Mal.
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Ich habe Meetings, unterhalte mich mit den Kadermitarbeitern, abends kommt der Coiffeur. Das Wichtigste ist: Die Zahlen schaue ich mir noch sehr genau an, da bin ich die ganze Zeit beschäftigt – und muss auch nicht vor Ort sein. Bei Bedarf schalte ich mich ein. Vor Kurzem haben wir einen Marketing-Verantwortlichen gesucht. Wir hatten zuletzt vier Fehlbesetzungen. Da habe ich mein Netzwerk aktiviert, und wir haben einen guten Kandidaten gefunden, was derzeit nicht einfach ist. Topleuten müssen wir heutzutage etwas bieten, ein Paar Schuhe reicht da nicht. Und ich kümmere mich auch noch um neue Filialen. Vor Kurzem habe ich etwa in unserem Haus in Paris an der Avenue de l’Opéra zwei neue Geschäfte eröffnet.
Ich bin in Saarbrücken geboren und ging mit 21 Jahren nach Amerika. Das war damals sehr ungewöhnlich. Ich hatte kein Geld, sprach kein Englisch, ich war ein Kriegskind, das zwei Jahre im Bunker gesessen hatte. In Deutschland hatte ich die Ausbildung zum Schuhingenieur abgeschlossen. Bei der Abreise sagte ich meinen Eltern: Ich bleibe ein Jahr. Es wurden sechs Jahre.
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Mein Problem war, dass ich mit 26 Jahren aussah wie ein Junge mit 18 Jahren. Alle hielten mich für ein Greenhorn. Ich habe das junge Aussehen von meiner Mutter geerbt. Heute bin ich froh, damals hat es mich geärgert. In der letzten Firma in Maine war ich Betriebsleiter. Mein Chef war mein Freund. Als ich 80 Jahre alt wurde, kam er aus den USA zu meiner Geburtstagsfeier.
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AUS EIGENER KOLLEKTION Martin Michaeli beim Shooting: «Unsere Schuhe sind modern, aber nicht um jeden Preis modisch.»
Kostas Maros für BILANZAUS EIGENER KOLLEKTION Martin Michaeli beim Shooting: «Unsere Schuhe sind modern, aber nicht um jeden Preis modisch.»
Kostas Maros für BILANZMit Horst Dassler war ich auf die Schuhfachschule gegangen. Als ich aus den USA zurückkam, war er Chef von Adidas und hatte seinen Sitz in Strasbourg. Er sagt zu mir: «Am besten kommst du hierher. Die Leute sind anständig, fleissig und sprechen zwei Sprachen.»
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Die Amerikaner wollten mich zum Amerikaner machen, die Franzosen zum Franzosen, nur die Schweizer haben mich noch nicht gefragt. Meine Kinder sind Deutsche und Franzosen, meine fünf Enkelkinder sind Franzosen, sprechen nur noch Französisch. Ich habe 45 Jahre in Frankreich und 20 Jahre in Deutschland gewohnt. Beim Fussball ist es wichtig, dass beide gewinnen. Nur wenn es gegeneinander geht: Dann wird es schwierig.
FRÖHLICHE LEBENSBILANZ Mephisto-Gründer Martin Michaeli: «Man sieht den Menschen im Gesicht an, ob der Schuh drückt.»
Kostas MarosFRÖHLICHE LEBENSBILANZ Mephisto-Gründer Martin Michaeli: «Man sieht den Menschen im Gesicht an, ob der Schuh drückt.»
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Klar spüre ich sie auch. Ich hoffe nur, dass Europa im Winter zusammenhält, nur so kann man Putin kleinkriegen. In meinem Haus in Pfäffikon habe ich eine Gasheizung, sogar ein Gas-Cheminée.
Nicht so viel, wie ich will. Mein Gaslieferant hat mir gesagt: Es wäre gut, wenn Sie sich ein paar dicke Wolldecken und Kerzen kaufen würden. Ich habe aber auch noch ein Haus in Kilchberg. Das habe ich gebaut, als ich in die Schweiz gekommen bin, es steht seit zehn Jahren leer. Dort habe ich Heizung mit dem Seewasser. Vielleicht ziehe ich um. Mein Gefühl ist dennoch, dass das alles in Ordnung kommen wird. Ich glaube, dass Gas in zwei, drei Jahren sehr billig sein wird, weil wir jetzt die Kapazitäten hochfahren.
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In der Pandemie sind unsere Umsätze gesunken, wie überall. Aber das hat sich schnell erholt. Derzeit ist die Konsumnachfrage noch hoch. Ich kann mir aber vorstellen, dass sie wieder sinkt.
Etwas darüber. Die Zahlen sind stabil. Wir sind zufrieden.
Wir produzieren keine Wegwerfartikel. Alle unsere Schuhe sind aus Naturprodukten hergestellt, bequem und nachhaltig. Die Regel ist: Wer mal Mephisto an den Füssen hat, bleibt der Marke treu.
★ Lothringen oder Saarland? Lothringen: Da ist der Unternehmer noch Patron.
★ New York oder Zürich? Vor 30 Jahren New York, heute Zürich: Nicht so hektisch.
★ Macron oder Scholz? Einer so lieb wie der andere.
★ Franken oder Euro? Franken: Habe in ihn mehr Vertrauen als in den Euro.
★ Rot- oder Weisswein? Rotwein, fast alle Franzosen – keine deutschen, österreichischen oder Schweizer.
★ Ferrari oder Tesla? Ich habe einen Ferrari FF, dazu einen Bentley Coupé und einen Mercedes McLaren. E-Autos: noch nichts für mich.
★ Golf oder Jogging? Golf.
★ Privatjet oder First Class? Business, vor allem für mein Haus in Teneriffa – einen Privatjet habe ich nicht.
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Früher produzierten wir auch viele orthopädische Schule, ein orthopädischer Hersteller ist noch immer in unserem Portfolio. Doch heute sind unsere Schuhe sehr modern, auch wenn sie nicht um jeden Preis modisch sein wollen.
Diesen Ruf haben wir nur in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Wir sind aber in mehr als 80 Ländern aktiv. Das Image geht zurück auf unseren einst erfolgreichsten Schuh, den Schnellschnürer «Originals». Den haben wir zu 90 Prozent in den deutschsprachigen Ländern verkauft. In Frankreich, Italien oder Spanien werden wir nicht so wahrgenommen. Da gelten wir als sehr modern.
Ich wollte nie Schuhe machen, in denen man sich nicht wohlfühlt. Man sieht den Menschen im Gesicht an, ob der Schuh drückt. Wer Mephisto-Schuhe trägt, ist fröhlich.
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Die Umsätze sind sehr klein. 144 Firmen haben das Modell kopiert, ein Copyright lässt sich in unserer Branche kaum durchsetzen. Heute haben wir vier Marken und mehr als 600 Modelle in jeder Kollektion. Wir bieten die ganze Palette, auch sehr elegante Schuhe.
Ja, da war ich der Modelleur. Wir haben ihn in Deutschland dem Schuhhandel präsentiert, und die klassischen Geschäfte wollten ihn nicht. Dann bin ich an die Sportmesse nach München gefahren, und die Sporthändler waren begeistert. Plötzlich sprang der Funke auch zu den Schuhhändlern über. Eigentlich kann man den gleichen Schuh nicht im Schuh- und im Sporthandel verkaufen. Doch mit diesem Schuh funktionierte es. Das war der Durchbruch.
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Und ich habe ihr geantwortet, dass auch der langjährige Papst Johannes Paul II. sehr gern Mephisto getragen hat und damit dem Teufel täglich auf den Kopf trat. Ich hatte mit der Marke «Michaela» begonnen, aber das war ein Damenschuh, für Herren ging das nicht. Ich habe Nächte über den möglichen Namen gebrütet. Damals war ich in Sessenheim im Elsass, wo Goethe die Pfarrerstochter umworben hat. Dort gab es ein Hotel mit einem kleinen Museum. Da kam die Idee: Mephisto, das ist es. Der Name war nirgends geschützt, man spricht ihn überall gleich aus. Perfekt.
An der New Yorker Fashion Week laufen Models auch mit Mephisto-Schuhen. In der angelsächsischen Welt haben wir ein frisches Image. Wenn die Schuhhändler in der Schweiz oder Deutschland unsere Kollektion vorgestellt bekommen und eher auf altbackene Modelle setzen, können wir das nicht verbieten.
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DIE FIRMA ALS SEIN LEBEN Martin Michaeli: «Als Gründer kann man nie ganz loslassen.»
Kostas Maros für BILANZDIE FIRMA ALS SEIN LEBEN Martin Michaeli: «Als Gründer kann man nie ganz loslassen.»
Kostas Maros für BILANZSehr viele Prominente tragen unsere Schuhe: Brad Pitt, George Clooney, Angela Merkel, Steven Spielberg. Arnold Schwarzenegger hat einmal 15 Paar gekauft. Einmal traf ich ihn am Zürcher Flughafen, er hinkte leicht. Ich ging auf ihn zu und sagte: «Heute haben Sie wohl die falschen Schuhe an.» Er lachte und bedankte sich bei mir.
Wir verkaufen unsere Schuhe weltweit in mehr als 900 Geschäften. Der Grossteil der Betreiber sind Partner von uns, es ist aber kein Franchisesystem. In den wichtigen Städten betreiben wir unsere Geschäfte selbst: London, Paris, Berlin, immer an guten Lagen. Das sind gegen 20 Geschäfte. In der Schweiz haben wir fünf Geschäfte, die von unseren Partnern betrieben werden.
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Ohne Onlineshop geht es heute nicht mehr. Aber der Umsatzanteil liegt deutlich unter zehn Prozent. Wir wollen online unsere Ladenpreise nicht unterbieten, das ist uns sehr wichtig. Leider können wir in der Schweiz noch nicht online verkaufen wegen der EU-Problematik. Das wollen wir jetzt ändern.
Ganz klar Frankreich, da sind wir Marktführer, dann Belgien, auch Italien, worauf wir sehr stolz sind: Es schafft eigentlich kein ausländischer Hersteller, den Italienern Schuhe zu verkaufen. Deutschland natürlich, aber auch die USA, Japan, Korea. In China haben wir mehr als 100 Geschäfte. Wir haben dort einen Mann, der die Geschäfte in eigener Regie führt.
PATRON ALTER SCHULE Martin Michaeli heiratete vor zwei Jahren das zweite Mal.
Kostas Maros für BILANZPATRON ALTER SCHULE Martin Michaeli heiratete vor zwei Jahren das zweite Mal.
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Ja, für unsere Sportmarke Allrounder, aber nicht für den chinesischen Markt. Der Grossteil der Produktion stammt aus Portugal, und dann weiterhin Frankreich. Wir sind ein europäischer Hersteller, darauf sind wir stolz.
Ich fühle mich hier sehr wohl. Das Vorurteil, dass es schwierig sei, hier Kontakte zu knüpfen, kann ich nicht bestätigen. Ich habe viele Freunde hier. Vor zwei Jahren habe ich zum zweiten Mal geheiratet, meine Frau ist 28 Jahre jünger. Da haben wir dieses Jahr ein schönes Fest gemacht, auch mit vielen Schweizer Freunden.
Ich kam vor 18 Jahren wegen der Erbschaftssteuer in die Schweiz. Damals hätte ich meinen zwei Kindern von der Schweiz aus die Firma in Frankreich ohne Steuerzahlung übertragen können. Doch dieses Regime wurde unter dem Präsidenten Hollande geändert. Jetzt reicht es nicht mehr, wenn nur der Erblasser im Ausland wohnt, auch die Bezieher dürfen nicht mehr in Frankreich leben. Meine Kinder müssten also auch in die Schweiz oder nach Luxemburg ziehen. Das geht aber nicht, sie müssen die Firma ja führen. Das Steuerargument ist also weg. Aber ich bleibe dennoch hier.
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Ich halte 98 Prozent, die Kinder halten je ein Prozent. Die Erbschaftsfrage beschäftigt uns sehr. Doch wir haben noch keine Lösung gefunden.
Es gab immer mal wieder Interessenten, vor allem Private-Equity-Firmen. Aber das ignoriere ich.
Die Banken haben mich manchmal angesprochen. Aber soll ich mir jeden Tag anhören, wie der Kurs steht und meine Zeit für die Aktionäre vergeuden? Ausgeschlossen.
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