Guten Tag,
Lombard Odiers Chefökonom Samy Chaar glaubt, dass der Traum von schnellen Zinssenkungen bald platzt.
Samy Chaar (44) ist seit neun Jahren Chefökonom beim Genfer Vermögensverwalter Lombard Odier.
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2022 haben wir mit Teuerungsexplosion, Energiekrise und Chinas Covid-Problemen drei grosse Schocks gesehen. Wir bewegen uns bei allen dreien in eine positive Richtung. Schritt für Schritt kehren wir zur Normalität zurück. Aber es ist ein langer Weg, vergleichbar mit einem Marathon.
Inflationsraten von zwei, drei Prozent, keine Energieunabhängigkeit, aber Energiesicherheit und ein wieder geöffnetes China. Also insgesamt die Welt, wie sie vor Covid war, nur mit etwas höheren Teuerungsraten.
Zu denen zähle ich nicht. In den USA und Europa dürften wir uns bei zwei bis drei Prozent einpendeln. Auch die Frühindikatoren deuten auf diese Niveaus.
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2022 war das Jahr der Zinserhöhung. 2023 ist das Jahr, in dem die Zinsen ihren Höhepunkt erreichen. In den USA und Europa werden wir im März die letzten Zinserhöhungen sehen. In der Eurozone läge der Leitzins dann bei drei, in den USA bei fünf Prozent. Der entscheidende Punkt ist aber, dass die Notenbanken die Zinsen dann auf dem hohen Niveau belassen. Den Märkten ist das so noch nicht bewusst.
Dass die Zinsen bereits im Juni wieder gesenkt werden. Aber im März noch zu erhöhen und im Juni bereits wieder zu senken, macht keinen Sinn. Der Markt preist zu rasche Zinssenkungen ein.
Zinssenkungen werden das Thema von 2024 sein. Denn die Notenbanken werden nicht unendlich auf die Bremse steigen. An einem Punkt wird sich der heiss gelaufene Motor abkühlen, und sie können wieder etwas Gas geben.
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Derzeit sehe ich keine Gefahr. Damals boomte die Konjunktur, und es gab einen Kreditboom. Den sehe ich aktuell nicht. Die Kreditgeber sind vorsichtiger. Hier wirken die Erfahrungen aus der Finanzkrise noch nach. Aber wir behalten die Kreditmärkte genau im Auge.
In einem Umfeld, in dem die Geldpolitik restriktiver wird, läuft alles schlecht – wird sie gelockert, alles gut. Halten die Zentralbanken den Druck einfach aufrecht, entwickeln sich Aktien durchschnittlich gut, jedoch mit recht hohen Schwankungen. Wir raten zu Qualitäts- und Value-Aktien, sind in Small Caps neutral positioniert und in Schwellenländern, einschliesslich China, übergewichtet.
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