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Livia Leu muss beim Rahmenabkommen retten, was kaum zu retten ist

Die Staatssekretärin Livia Leu muss die unrühmliche Rahmenabkommen-Saga zu einem rühmlichen Ende bringen.

Florence Vuichard

Florence Vuichard

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Pionierin im Aussendepartement: Als Livia Leu 1989 in den diplomatischen Dienst eintritt, gibt es nur gerade drei Botschafterinnen.

Emmanuel Fradin/Le Temps

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Volle 677 Tage sind vergangen zwischen jenem Freitag im Dezember 2018, als der Bundesrat das ominöse Rahmenabkommen auf den Tisch legte, und dem 14. Oktober 2020, als er Livia Leu zur neuen Verantwortlichen für das Dossier ernannte. 677 Tage Stillstand, 677 Tage Ducken, 677 Tage ohne Entscheide. Die Erfolgsaussichten für den vorliegenden Vertrag sind in diesen gut 22 Monaten nicht besser geworden, im Gegenteil. Heute mag sich kaum mehr jemand für dieses Rahmenabkommen in die Bresche werfen, Rückzugsgefechte prägen die Szenerie: unter der Bundeshauskuppel, bei den Sozialpartnern, bei den Wirtschaftsverbänden. Dennoch hat Livia Leu diesen undankbaren Job übernommen. «Man muss Herausforderungen lieben, das ist klar», sagt sie nur und lacht.

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Nach über 30 Jahren im diplomatischen Dienst weiss Leu genau, auf was sie sich da eingelassen hat. Sie sei sehr pragmatisch, aber auch ehrgeizig und zielstrebig. Das jedenfalls sagen jene, die sie schon lange kennen. Herausforderungen abzulehnen, ist nicht ihre Art. Und so sagte sie auch zu, als Aussenministerin Micheline Calmy-Rey sie 2008 für ihren ersten Auslandseinsatz als Botschafterin gleich nach Teheran schicken wollte – als zweite Frau überhaupt, hatte doch bis dahin nur Sierra Leone eine Botschafterin in den Iran delegiert. Sie zog mit ihrem Ehemann Donat Agosti, einem Spezialisten für die Artenvielfalt und Stammesgeschichte der Ameisen, und ihren zwei kleinen Söhnen nach Teheran.

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In Erinnerung bleiben werden Leus Iran-Jahre vor allem wegen dreier festgenommener amerikanischer Touristen: Diese waren im Sommer 2009 beim Wandern im irakischen Grenzgebiet auf iranisches Territorium gekommen und wurden in der Folge wegen illegalen Grenzübertritts und Spionage verhaftet und angeklagt. Gut zwei Jahre lang kämpfte Leu, die als Schweizer Botschafterin im Iran auch die Interessen der USA zu vertreten hatte, für die Freilassung der drei Amerikaner. Ihr Einsatz wurde auch in Washington registriert, Aussenministerin Hillary Clinton bedankte sich nach erfolgter Heimkehr ihrer Landsleute gar persönlich bei der Schweizer Diplomatin.

Menschen im Hotel

Am Anfang von Livia Leus Diplomatenkarriere stand die Faszination fürs Internationale. Die entscheidende Frage lautete deshalb: Diplomatie oder doch Hotellerie? Letzteres wäre die logische Wahl gewesen, ist sie doch im Hotel aufgewachsen, im Hotel Kulm in Arosa, das ihre Eltern während rund zwanzig Jahren mit viel Erfolg gemeinsam führten. Die Lorbeeren gingen jedoch alle an den Vater, an den legendären, Anfang 2017 verstorbenen Hotelier Hans C. Leu, der als Geschäftsführer des Fünfsternhotels Giardino in Ascona mehrfach ausgezeichnet wurde und bis heute in der Branche als «Revolutionär der Schweizer Luxushotellerie» gilt: ein Hotelier, der sich selber als «Zirkusdirektor» bezeichnete und als «Cicerone», als Fremdenführer, weshalb er sich auch das fiktive Initial C. zulegte.

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Die Mutter Annelise «Aisi» Leu hat wie ihr Mann Anfang der 1950er Jahre die Hotelfachschule besucht, wo sich die beiden auch kennenlernten. Als Frau wurde sie aber automatisch in den «Aides-Directrices»-Lehrgang eingeteilt. Dieser sollte die Frauen darin ausbilden, «dass wir unseren Herrn Direktor, den wir vielleicht einmal heiraten würden, unterstützen konnten, nämlich in der Hauswirtschaft und im Sekretariat», wie sie in der von ihrer Enkelin Nina Zumthor verfassten Biografie «Die Frau des Direktors» festhält. Und so blieb auch die «Schweizer Hotelpionierin» lange im Schatten ihres Mannes, bis 1974, als sie – nachdem sie als erste Frau überhaupt in der Schweiz ein Hotelière-Diplom erworben hatte – die angestammte Rolle ablegte und parallel zum «Kulm» das «Vieux Manoir» am Murtensee übernahm. Und später auch noch das «Eden» in Arosa.

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Die Familie

Ingeborg Schwan;Severin Schwan, CEO, Roche;Donat Agosti;Livia Leu, SECO, Delegierte des Bundesrates für Handelsverträge;Heinz Karrer, Präsident, economiesuisse;Calvin Grieder, Präsident, Bühler Uzwil
Arosa 14.01.2020, Annelise Leu, Schweizer Hotelpionierin, 88 , aufgenommen am Dienstag, 14. Januar, 2020 in Arosa. (Nicola Pitaro)
Hans C. Leu posiert im Garten des Hotels Albergo Giardino in Ascona (TI), am 30. August 1997. (KEYSTONE/KARL MATHIS)
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Livia Leu nimmt als Delegierte des Bundesrats für Handelsverträge 2016 mit ihrem Mann Donat Agosti (3.v.l.) an der 125-Jahr-Feier von ABB teil – und posiert in Rot-Weiss mit Roche- Chef Severin Schwan und dessen Frau Ingeborg, dem damaligen Economiesuisse-Präsidenten Heinz Karrer sowie dem Bühler-Präsidenten Calvin Grieder (v.l.).

ZVG

Die beiden Geschwister haben die Familientradition fortgeführt: Schwester Martina ging in die Genossenschaftsgastronomie, Bruder Christian «Hitsch» Leu absolvierte – dem Beispiel der Eltern folgend – die Hotelfachschule in Lausanne, sammelte danach Erfahrungen im Ausland, kam zurück nach Arosa und übernahm mit seiner Frau das «Eden» bis zu dessen Schliessung 2011. Heute führt das Paar in Arosa unter anderem die «Hörnlihütte», und auch die nächste Generation ist schon am Start: Eine Tochter arbeitet im elterlichen Ferienwohnungsvermietungs-Dienst, die andere ist Verkaufsdirektorin bei den Schweizer Jugendherbergen.

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Wie die Mutter

Livia Leu hingegen geht nach der Matur nach Zürich, studiert Jus, denn damit sie ihre Diplomatenlaufbahn einschlagen kann, muss sie einen Studienabschluss vorlegen. Nach Arosa kehrt sie eigentlich nur noch für die legendären Partys ihres Bruders zurück. 1989 – nachdem sie ihr Anwaltspatent in der Tasche hat – macht sie die Diplomatenprüfung, ihren zweijährigen Stage diplomatique absolviert sie in Bern, Genf und Paris, danach arbeitet sie drei Jahre in der Berner Zentrale in der Sektion Vereinte Nationen, bevor sie 1994 nach New York geht, zuerst als Botschaftssekretärin, dann als Botschaftsrätin.

In New York lernt sie ihren späteren Ehemann kennen, einen Bündner, der im zürcherischen Uster aufgewachsen ist und damals als Ameisenforscher fürs American Museum of Natural History tätig war. Donat Agosti wird seine Wissenschaftskarriere der Diplomatenkarriere seiner Frau unterordnen und ihr überallhin folgen: nach Kairo, Teheran und Paris – und immer wieder nach Bern. Nur einmal drehen sie den Spiess um, nur einmal tauschen sie die Rollen: Nach der Geburt des zweiten Sohnes nimmt Leu ein Jahr frei, macht Elternurlaub in Los Angeles, wo Agosti eine Position als Senior Research Fellow am Center for Tropical Studies der University of California erhalten hat.

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Diplomatie und Frauen waren hierzulande lange eine undenkbare Kombination. Erst 1956 – und damit als letztes Land in Europa – öffnete die Schweiz ihr Aussendepartement (EDA) für Frauen. Diese mussten sich aber noch bis 1972 zwischen Ehe und Karriere entscheiden, war es Diplomatinnen doch bis dahin verboten, zu heiraten. Nochmals fünf Jahre verstrichen, bis 1977 mit Francesca Pometta erstmals eine Frau in den Botschafter-Rang ernannt wurde, weitere zehn Jahre verstrichen, bis die zweite folgte.

Auch als Leu 1989 in den diplomatischen Dienst eintritt, sind die Frauen noch immer stark untervertreten, ihr Jahrgang respektive ihre «Volée», wie es in der Diplomatensprache heisst, setzt sich aus elf Männern und zwei Frauen zusammen. Nur gerade drei Frauen trugen damals den Botschafter-Titel, heute sind es immerhin 37 von insgesamt 154.

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Die Vorgänger

Swiss Ambassador to Russia Yves Rossier attends an opening ceremony of Switzerland's new embassy in Moscow, Russia, Tuesday, June 18, 2019. Designed by Swiss architects Doris Wälchli and Ueli Brauen, the building aims to project Swiss 'soft power' with its contemporary, sustainable design. (AP Photo/Pavel Golovkin)
Portrait of Jacques de Watteville, State Secretary in the Federal Department of Finance (DFF), pictured on September 5, 2014. (KEYSTONE/Gaetan Bally) Portrait von Jacques de Watteville, Staatssekretaer im Eidgenoessischen Finanzdepartement EFD, aufgenommen in Bern am 5. September 2014. (KEYSTONE/Gaetan Bally)
EDA-Staatssekretaerin Pascale Baeriswyl aeussert sich zur Ernennung zur neuen Chefin der Staendigen Mission der Schweiz ab 2020, am Mittwoch, 21. August 2019, in Bern. (KEYSTONE/Peter Schneider)
Portrait of Roberto Balzaretti, State Secretary and Director of the Directorate for European Affairs (DEA), taken at his office in the east wing of the Swiss federal parliament building in Bern, Switzerland, on April 28, 2018. (KEYSTONE/Christian Beutler)Roberto Balzaretti, Staatssekretaer und Direktor der Direktion fuer europaeische Angelegenheiten (DEA), portraitiert in seinem Buero am 26. April 2018 im Bundeshaus Ost in Bern. (KEYSTONE/Christian Beutler)
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Yves Rossier: Der Staatssekretär hat die Verhandlungen gestartet, fiel aber 2015 beim Bundesrat in Ungnade.

Keystone

Im EDA gründet Livia Leu mit Kolleginnen den Verein der Diplomatinnen (DIP), den sie mehrere Jahre präsidiert und den es heute noch gibt. Sie habe sich schon früh für die Anliegen der Frau interessiert, schreibt die Publizistin Esther Girsberger in ihrem 2013 erschienenen Buch «Unsere Botschafterin in Iran» über ihre Studienkollegin. Leu führe dies «auf den Einfluss ihrer Mutter zurück, die sich für feministische Forderungen starkmachte» und an der Ungleichbehandlung der Geschlechter litt, wie sie selber festhielt: «Am schlimmsten war es, zu spüren, dass ich als Mädchen weniger wert war», erinnert sich Annelise Leu in ihren Memoiren. Trotz allen Widerständen und mit drei Kindern hat sie eine eigene Karriere verfolgt – eine Karriere, die ihr den Vorwurf der «Rabenmutter», im Jahr 2000 aber auch die in der Branche begehrte Auszeichnung «Hotel des Jahres» für das «Vieux Manoir» eintrug.

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Schweizer Erfindung

Leu geht im EDA ihren Weg, sie gehört zum Team von Delegationsleiter Michael Ambühl bei den Verhandlungen zum Nuklearstreit mit dem Iran. Ambühl war es denn auch, der sie für den Teheran-Posten vorgeschlagen haben soll. Die damalige Aussenministerin Calmy-Rey ist noch immer überzeugt von ihrer Wahl: «Ich wollte die für den Iran beste Kandidatur, und das war aus meiner Sicht Livia Leu», hält sie im Buch von Girsberger fest.

Nach den Teheran-Jahren lässt sich die Familie wieder in der Schweiz nieder, wo Livia Leu den Posten der Delegierten des Bundesrats für Handelsverträge übernimmt und als solche auch Mitglied der Geschäftsleitung des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) wird. Im September 2018 kehrt sie ins EDA und als Botschafterin nach Paris zurück, wo sie schon während ihrer diplomatischen Ausbildung stationiert war, damals bei Botschafter Carlo Jagmetti. Im Herbst 2020 setzt die parteiungebundene Diplomatin, die im Mai 60 Jahre alt wird, gegen sechs Konkurrenten durch und wird zur Staatssekretärin ernannt und damit zur Nummer  2 im EDA hinter Bundesrat Ignazio Cassis. Es ist die vorläufige Krönung ihrer Karriere.

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Das EU-Problem ist bei Weitem nicht das einzige Dossier auf Leus Tisch, aber wohl das drängendste. Die Geduld der EU ist erschöpft, seit 2012 pocht sie auf ein Rahmenabkommen, doch die Schweiz weiss noch immer nicht, was sie will. Was dabei oft vergessen geht: Das Rahmenabkommen ist eine Schweizer Erfindung. Seine Ursprünge liegen rund zwanzig Jahre zurück und sind die Folge einer Reihe von Anhörungen zur Europapolitik der Schweiz, welche die Aussenpolitische Kommission (APK) des Ständerats 2001 durchführte.

Sie strebte damit «auch eine Versachlichung der teilweise emotional geführten Diskussion an», wie sie in ihrem Bericht «über die Optionen der schweizerischen Integrationspolitik» festhielt, der im Folgejahr erschien. Evaluiert wurde im besagten Bericht – nebst dem bilateralen Weg, dem EWR- sowie dem EU-Beitritt – auch die «Assoziation». Damit sei «eine institutionelle Lösung gemeint, welche es erlaubt, alle bilateralen Abkommen zwischen der Schweiz und der EU unter dem Dach eines Rahmenabkommens zu bündeln».

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Im Oktober 2005 reicht der damalige Thurgauer CVP-Ständerat Philipp Stähelin ein Postulat ein, in dem er den Bundesrat bittet, «einen Bericht zu erstellen über den Stellenwert eines Rahmenvertrags zwischen der Schweiz und der EU». Mit einem «Dacherlass, welcher in erster Linie Fragen der Prozedur beinhaltet, würde eine wichtige und nötige Ergänzung zu den heutigen einzelnen Verhandlungsrunden über einzelne Geschäfte geschaffen. Ein grosser Vorteil wäre, dass die einzelnen Vertragswerke von prozeduralen Regeln entlastet würden.» Ein Auftrag, den der Bundesrat zur Annahme empfiehlt. Im Folgejahr taucht das Rahmenabkommen bereits als mögliche Variante in dessen Europabericht auf: «Die Schweiz könnte eine Verbesserung des institutionellen Rahmens anstreben, beispielsweise in Form eines Rahmenabkommens. Dessen Mehrwert müsste darin bestehen, die Verwaltung und Koordination der zahlreichen Abkommen mit der EU sowie der entsprechenden gemischten Ausschüsse zu vereinfachen.»

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Drei Jahre später ist es erneut das Parlament, das den Druck erhöht: So ergänzt der Ständerat im Frühjahr 2008 auf Antrag seiner Kommission die Legislaturplanung 2007 bis 2011 mit der Forderung, der Bundesrat solle «Verhandlungen mit der EU über ein Rahmenabkommen» aufnehmen. Opposition gibts vor allem vom damaligen Bundespräsidenten Pascal Couchepin. Dieser wehrt sich nicht gegen eine innenpolitische Diskussion als solche, lehnt jedoch das Vorgehen ab, Verhandlungen zu befehlen, ohne genau zu wissen, was man eigentlich verhandeln wolle.

Aus heutiger Sicht fast prophetische Worte. Seit Ende 2013 verfügt die Schweiz über ein Verhandlungsmandat für ein Rahmenabkommen, aber eigentlich weiss sie auch sieben Jahre später nicht, was sie will. Aussenminister Didier Burkhalter schmiss im Sommer 2017 wegen des EU-Dossiers frustriert den Bettel hin, sein Nachfolger Cassis hat mit seiner «Reset»-Rhetorik die Europa-Diskussion zwar kurzfristig etwas entkrampft, dann aber – im Übermut oder aus Naivität – die Sozialpartner derart provoziert, dass er eine Mitverantwortung für die verfahrene Situation trägt. Eineinhalb Jahre haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer nun vergeblich hinter verschlossenen Türen nach einer Lösung beim Lohnschutz gesucht.

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Schadensminderung

Sollte Leu bei ihren Gesprächen mit Stéphanie Riso, der stellvertretenden Kabinettschefin von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, keine markanten Verbesserungen bei den drei Punkten Lohnschutz, Unionsbürgerrichtlinie und staatliche Beihilfen erzielen, wird der Bundesrat die Übung abbrechen. Denn ohne klare Konzessionen hat das Paket in einer Volksabstimmung keine Chance, das räumen auch die meisten Rahmenabkommen-Befürworter ein. Lieber jetzt ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende respektive: lieber jetzt ein negativer Bundesratsentscheid als später ein Volks-Nein. Denn dann drohe eine «Eiszeit» mit Brüssel, wie es ein EU-Kenner formuliert.

Der Ball liegt beim Bundesrat, der nun entscheiden und allenfalls den Stecker ziehen muss, darin sind sich fast alle einig: die Parteispitzen von SP, FDP und der Mitte, die Sozialpartner, die Wirtschaftsverbände. Nochmals kann er die heisse Kartoffel nicht einfach ans Parlament oder an sonst wen weiterreichen, wie an diesem unrühmlichen 7. Dezember 2018, als er sich nicht entscheiden konnte und einfach festhielt, dass er das vorliegende Abkommen «in weiten Teilen als im Interesse der Schweiz» erachte, «vorerst» aber auf eine Paraphierung verzichte. Die Regierung fand damals den vermeintlichen Ausweg aus der misslichen Situation in einer sogenannten «Konsultation» und tauchte ab.

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Die Karriere

Paris, 13./14. November 2019 — Bundesrat Ignazio Cassis auf Blitzbesuch bei der Schweizer Botschaft in Paris, Treffen mit Angestellten in der Botschaft und Dinner mit franoesischen Polit-Vertreter im Bild mit seiner zukuenftigen EU-Staatssekretaerin Livia LeuFoto: Karl-Heinz Hug
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Aussenminister Ignazio Cassis besucht im Frühjahr 2020 Paris und trifft dort auf Botschafterin Livia Leu.

Karl-Heinz Hug

Und wenn sie mal auftauchte, dann nur, um einmal mehr den Unterhändler auszutauschen, als ob sich alle Probleme wie in einer Castingshow mit Personalrochaden lösen liessen. Jedenfalls ist Livia Leu bereits die fünfte Unterhändlerin, die sich nun am Rahmenabkommen versuchen darf (siehe «Die Vorgänger» links). Derzeit schweigt sie, auch auf Anfragen von Parlamentariern reagiert sie nicht. Es ist die Zeit der Diplomatie und der «Verhandlungskreativität», von der sie gerne spricht. «Leu muss knallhart verhandeln», sagt FDP-Ständerat und APK-Präsident Damian Müller.

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«Und sie legt bereits jetzt die Basis, damit der bilaterale Weg und die diplomatischen Beziehungen zu unserem wichtigsten Handelspartner mit oder ohne Rahmenabkommen weiterhin sichergestellt sind.» Das heisst, wie auch immer diese Geschichte ausgeht: Die neue Staatssekretärin muss der EU klarmachen, dass die Schweiz eine verlässliche Partnerin bleiben wird, dass sie gewillt ist, ihren Beitrag für die Fortsetzung des bilateralen Sonderwegs zu leisten, und dass der Schweizer Weg sich nur schlecht in das dogmatische «In or out»-Credo der EU zwängen lässt.

Letztlich muss Leu dieses unrühmliche Kapitel der Schweizer Europapolitik ohne allzu grossen Kollateralschaden abschliessen. Ganz ohne Vergeltungsmassnahmen von Seiten der EU wird es wohl nicht gehen, darin sind sich die meisten Aussenpolitiker einig. Gefährdet sind, Stand heute, etwa die Anpassungen bei Abkommen über technische Handelshemmnisse für die Medtech-Branche oder die Teilnahme am neuen Forschungspaket «Horizon Europe». Seit Wochen versucht die Staatssekretärin für Bildung, Forschung und Innovation, Martina Hirayama, in Brüssel diesbezüglich einen Termin zu erhalten, seit Wochen vergeblich.

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Teurer Neustart

Der Neustart dürfte auch mehr kosten, «viel mehr», wie FDP-Nationalrat Hans-Peter Portmann ergänzt. Und er ist mit dieser Einschätzung bei Weitem nicht allein. So dürften die Schweizer Kohäsionsbeiträge steigen, zudem sind auch Zwangsbeiträge an den 750 Milliarden Euro schweren europäischen Covid-Aufbauplan oder an einem Klima-Paket denkbar.

Livia Leu ist angetreten, um zu retten, was kaum mehr zu retten ist. «Es gibt immer Spielraum in den Verhandlungen, das ist das Herzstück einer Verhandlung», sagte sie bei ihrer Ernennung. Nun wird sie ihre «Verhandlungskreativität» einsetzen müssen, um einen Neustart mit der EU zu finden. Oder wenigstens den Weg zurück, raus aus der Rahmenabkommen-Sackgasse.

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