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Die Psychologin Katharina Henke hat nachgewiesen, dass Menschen unbewusste Erfahrungen im Langzeitgedächtnis abspeichern. Sie erklärt, weshalb man deshalb auf sein Bauchgefühl vertrauen kann.
Bastian Heiniger
EINBLICK: Mit dem neusten Magnetresonanztomografen im Swiss Institute for Translational and Entrepreneurial Medicine in Bern kann die Forscherin bei amnestischen Personen Spuren von Erinnerungen nachweisen.
Michael Buholzer für BILANZWerbung
Sie war hin und her gerissen. Zwischen Kunst und Psychologie. Denn Katharina Henke (59) studierte zwar an der Universität Bern, absolvierte aber auch eine Tanzausbildung. Allerdings habe es dann nicht ganz gereicht, um Primaballerina zu werden, weshalb sie den Tanz zum Hobby zurückstufte – und sich auf Psychologie fokussierte. Konkret spezialisierte sie sich auf die Schnittstelle zwischen Psychologie und Neurologie. In diesem Bereich promovierte sie in Deutschland und absolvierte in den USA ein Postdoc bei Michael Gazzaniga, der dieses Forschungsfeld begründete. «Ich bin heute in beiden Welten daheim.» Und so bewegt sich die heutige Professorin zwischen Medizinischer und Psychologischer Fakultät. Und das wiederum in Bern, wo ihre akademische Laufbahn begann.
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Henke schickte sich schon mit ihrer Dissertation an, die klassische Lehrmeinung umzustossen. Diese ging davon aus, dass man nur etwas im episodischen Gedächtnis – der wichtigsten Komponente für das Langzeitgedächtnis – abspeichert, wenn dies bewusst geschieht. «Mit meiner Forschung will ich beweisen, dass der Mensch auch viel unbewusst aufnimmt und es im episodischen Gedächtnis abspeichert.» Die Konsequenz daraus: Wer etwas unbewusst aufnimmt, behält es und wird davon beeinflusst. «Gerade bei komplexen Entscheidungen ist dieser Einfluss gross.» Man spricht dann vom Bauchgefühl. «Die unbewusst aufgenommene und dann gespeicherte Erfahrung weist einem automatisch den richtigen Weg.» So wisse etwa ein erfahrener Chirurg exakt, wie er auf bestimmte Situationen reagieren muss, ohne sein Vorgehen genau erklären zu können.
Mit einer neuen Studie hat die Forscherin kürzlich gezeigt, dass alltäglich unbewusst Erlebtes eben nicht direkt gelöscht, sondern ebenfalls abgespeichert wird. Und dies sogar besser als Dinge, die wir etwa bewusst lernen. Denn beim unbewussten Lernen speichern Nervenzellen meist nur eine einzige Erinnerung ab und nicht mehrere. Es gibt daher keine Überschneidungen. Erste Daten zeigen, dass amnestische Personen noch immer unbewusst Sachen abspeichern können. Mit Hilfe von Magnetstimulationen möchte Katharina Henke die Gedächtnisspuren stärken, sodass sich Amnestiker wieder bewusst erinnern können.
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