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Krypto

Jetzt kommt der ChatGPT-Moment für Bitcoin

Bitcoin ist durch die Zulassung der US-Spot-ETFs nun eine Anlageklasse. Mächtige Feinde arbeiten gegen eine Kursexplosion.

Erich Gerbl

Bitcoin

Welcome to Wall Street: Via ETFs dürfen nun auch die institutionellen US-Anleger auf Bitcoin und den Use Case «digitales Gold» setzen.

Getty Images, Montage: BILANZ

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Die Anspannung an der Crypto Finance Conference (CfC)löste sich beim Networking-Dinner in italienischem Ambiente kurz vor 22 Uhr. Über 200 Kryptoexperten und -investoren waren in der St. Moritzer Nobelherberge Badrutt’s Palace mit dem Verzehr eines Filetsteaks beschäftigt, als die Nachricht von der Zulassung des ersten Bitcoin-ETFs über Tweets die Runde machte.

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Kein Applaus oder Jubelgeschrei brauste auf, keine Ansprache hinderte die Liveband daran, ihr Repertoire an italienischen Schlagern zum Besten zu geben. Nur der eine oder andere checkte am Handy den Bitcoin-Kurs. Die Krypto-Community brauchte etwas Zeit, um die historische Nachricht und das Filet zu verdauen. Erst später am Abend gingen an der Bar die Champagnerflaschen auf, um auf SEC-Chef Gary Gensler anzustossen.

Die lange erhoffte und hart erkämpfte Zulassung von zwölf Bitcoin-Spot-ETFs durch die US-Börsenaufsicht SEC ist für die Verbreitung der ältesten Kryptowährung ein Meilenstein. Ab sofort dürfen auf dem grössten Kapitalmarkt der Welt Grossanleger über diese zugelassenen Produkte in Bitcoin investieren. Auch US-Privatinvestoren können sich Bitcoin in ihre Depots legen, ohne sich mit Wallets und Private Keys auseinandersetzen zu müssen.

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Doch die ETFs sind vor allem eines: die Geburt einer neuen Anlageklasse. Obwohl die Zulassung erst nach Klagen erfolgte und die SEC auch jetzt noch eindringlich vor den Risiken von Kryptoanlagen warnt, wurde den ETFs nun doch der Segen erteilt. «Die US-ETFs sind ein Gamechanger. Mit den Produkten wird Krypto zu einer offiziellen Anlageklasse», sagt Guido Bühler, Mitgründer der SEBA Bank.

Von nun an werde jede Bank, jeder Vermögensverwalter, jeder Hedgefonds Krypto in der Asset Allocation als Baustein einsetzen. Zuvor wie Hund und Katz, kommen sich Wallstreet und Krypto durch die Wertpapiere nun einen grossen Schritt näher.

Immer wieder wurde über das drohende Ende von Bitcoin und Kryptoanlagen spekuliert. Die US-Website 99bitcoins.com, welche die Artikel dazu zählte, kann ihren Betrieb einstellen. Denn eines ist jetzt klar: Crypto is here to stay.

 

Neue Grössenordnung

Zwölf Bitcoin-Spot-ETFs hat die SEC durchgewinkt. Einige stammen von renommierten Häusern wie Invesco, Franklin, VanEck, Blackrock oder Fidelity. Dort laufen jetzt die Marketing- und Sales-Maschinen auf Hochtouren. «Diese Dinge werden nicht gekauft, sie werden verkauft. Eine Menge Leute sind auf den Beinen», sagt Anthony Scaramucci. Er ist durch sein elftägiges Intermezzo im Weissen Haus als Sprecher von Donald Trump bekannt und setzt mit seinem drei Milliarden schweren Hedgefonds auf Kryptoanlagen.

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Ein, zwei Prozent Krypto würden nun bei den grossen Geldmanagern in die taktische Asset Allocation gemischt. Bei dieser Grössenordnung machen ein, zwei Prozent viel aus. Allein Blackrock verwaltet rund 3000 Milliarden Dollar in Multi-Asset-Strategien. An den ersten vier Handelstagen soll mehr als eine Milliarde Dollar in den iShares Bitcoin Trust geflossen sein. Bleibt die Nachfrage gross, wäre eine Preisbewegung nicht verwunderlich. «Wenn wir nicht bis Mitte des Jahres ein Allzeithoch erreichen und bis Ende des Jahres nicht über 100 000 sind, wäre ich überrascht», sagt Scaramucci. Als Vorbild gelten die Gold-ETFs. Nach deren Einführung legte der Goldpreis über Jahre kräftig zu.

Bei Bitcoin kollidiert die wachsende Nachfrage mit einem geringen Angebot. «Die Bücher sind extrem dünn. 1,8 Millionen Bitcoin werden wirklich gehandelt, der Rest ist verloren, versperrt oder in Händen von Leuten, die nie verkaufen», sagt Vance Spencer, Kryptoinvestor und Co-Gründer von Framework Ventures. Schon der Kauf von Bitcoin-ETFs für 100 Millionen Dollar bewege die Kurse. «Es gibt nicht so viele Coins, es ist nicht verrückt zu glauben, dass der Bitcoin-Kurs irgendwann auf eine Million Dollar steigt», sagt Spencer.

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Eine Extremposition, die selbst an der CfC für Lacher sorgte. Aber die Zeiten, als Bitcoin-Prognosen von 100 000 Dollar als reine Fantasterei abgetan wurden, sind wohl vorbei. Bitcoin Suisse sagt Preise von 180 000 bis 200 000 Dollar voraus. Dieses Hoch wird für 2025 prognostiziert. Bei den Zugern wird die Zukunftsfantasie vor allem mit dem Zyklus und dem für Mitte April geplanten Halving erklärt. In der Vergangenheit führten solche Halbierungen der Belohnung für Bitcoin-Miner binnen Monaten zu neuen Höchstständen.

Bitcoij

Zyklisch: Der Bitcoin-Kurs bewegte sich bisher in Zyklen. Auch im 4. Zyklus glauben Experten wieder an neue Rekordstände.

Bitcoin Suisse
Bitcoij

Zyklisch: Der Bitcoin-Kurs bewegte sich bisher in Zyklen. Auch im 4. Zyklus glauben Experten wieder an neue Rekordstände.

Bitcoin Suisse

Während sich der 2023 um 160 Prozent gestiegene Kurs von Bitcoin am Tag der Zulassung der Bitcoin-Spot-ETFs kaum bewegte, legte der Ether-Kurs zweistellig zu. Ethereum ist nach Bitcoin die zweitgrösste Blockchain und auf Smart Contracts spezialisiert. Wie im Vorfeld bei Bitcoin wird nun auch dort auf die Zulassung von Spot-ETFs gewettet. Sieben Anträge sind eingereicht. Die erste Deadline für den passiven Fonds aus dem Hause VanEck läuft bereits am 23. Mai ab.

Doch wer glaubt, dass SEC-Chef Gensler zum Kryptofan mutiert sei und rasch grünes Licht gebe, liegt falsch. Die Warnung, die er mit der Zulassung der Bitcoin-Spot-ETFs lieferte, spricht Bände: «Wir haben Bitcoin weder gebilligt noch unterstützt. Bitcoin ist in erster Linie ein spekulativer, volatiler Vermögenswert, der auch für illegale Aktivitäten wie Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung verwendet wird.»

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Scaramucci ist in Sachen US-Regulierung pessimistisch. «Vielleicht gehen die Ethereum-Spot-ETFs durch, vielleicht auch nicht. Sie werden einen Grund suchen, die Zulassung zu verzögern, so wie sie es in den letzten zwei Jahren bei Bitcoin auch getan haben», sagt der New Yorker.

Das Problem sieht er weniger bei Gensler als bei der US-Senatorin Elizabeth Warren: «Sie hasst diese Branche, wie man es sich nicht vorstellen kann, und ihre Günstlinge tun alles, was sie können, um Dinge zu blockieren.»

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SEC-Chef Gary Gensler hält von Krypto wenig. Die Ethereum-ETFs werden es schwer haben.

Getty Images
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SEC-Chef Gary Gensler hält von Krypto wenig. Die Ethereum-ETFs werden es schwer haben.

Getty Images

Die Demokratin zählt zu den mächtigsten Frauen Washingtons. «Weil sie Joe Biden im Wahlkampf unterstützte, wurde die Besetzung der Finanzposten in ihre Hände gelegt. Gary Gensler ist ein enger Verbündeter von ihr. Sie hat sehr enge Beziehungen zu jeder einzelnen Finanzaufsichtsbehörde», sagt Ryan Selkis, CEO von Messari, einer Plattform für Kryptodaten und -marktforschung.

Laut dem Experten müssen die Republikaner bei der kommenden Wahl den Senat gewinnen – sonst werde es für die Industrie schwierig. Denn Warren könne durch ihre Mitgliedschaft in den Ausschüssen ihren Einfluss dauerhaft nutzen, unabhängig davon, wer die nächste Regierung stelle. Donald Trump liess zwar eine Sammelkartenkollektion, in der er sich als Superheld inszeniert, als Non-Fungible Token (NFT) vertreiben, gilt aber nicht gerade als Fan von Krypto.

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Next stop: Massenadaption

Die Branche ist es gewohnt, zahlreiche und mächtige Gegner zu haben. Bei der CfC in St. Moritz, an der BILANZ als einziges Medium teilnehmen konnte, war der Glaube an eine glorreiche dezentralisierte Zukunft grösser als je zuvor. Das nächste Ziel ist die Massenadaption. «Onboarding a billion users to Crypto» lautete ein Paneltitel. Bald soll die Zahl der aktiven Nutzer, derzeit via Wallets auf 430 Millionen geschätzt, auf eine Milliarde steigen. Dann würden gut zwölf Prozent der Weltbevölkerung Blockchains und die dazugehörigen Kryptoassets nutzen. Zum Vergleich: 35 Jahre nach seiner Einführung sind rund 75 Prozent der Menschen im Internet unterwegs.

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Mächtigste Gegner in der Industrie: Senatorin Elizabeth Warren soll Bitcoin hassen. Sie hat enge Beziehungen zu allen Finanzaufsichtsbehörden.

Bloomberg
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Mächtigste Gegner in der Industrie: Senatorin Elizabeth Warren soll Bitcoin hassen. Sie hat enge Beziehungen zu allen Finanzaufsichtsbehörden.

Bloomberg

Der Weg zur Massenadaption führt über einfach zu bedienende und brauchbare Anwendungen. 2024 hat mit der Zulassung der Spot-ETFs vielversprechend begonnen. «Es wird ein sehr aufregendes Jahr, in dem es bei den Anwendungen Durchbrüche geben wird, die weit über die Spekulationen hinausgehen», prognostiziert Alex Gluchowski, CEO von Matter Labs. Laut dem Kryptoexperten Evan Cheng könnte 2024 für die Adaption von Krypto so erfolgreich werden wie 2001 für das Internet.

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Damals legte die Nutzung deutlich zu, das Thema E-Commerce begann abzuheben. Wie schnell sich Technologien verbreiten können, zeigte im Vorjahr ChatGPT. Durch die einfache Anwendung wurde die künstliche Intelligenz für die breite Bevölkerung greifbar. 100 Millionen Nutzer kamen in einer Woche dazu. Jane Lippencott von a16z Crypto hofft auf interessante Use Cases und «einen GPT-Moment für Krypto».

 

Magische Schwerter

Der Computerwissenschaftler Leemon Baird zweifelt nicht daran, dass die Blockchain in weiten Teilen des Alltags eine ähnlich grosse Rolle spielen wird wie heute das Internet. «Der Grund ist schlicht und einfach die Effizienz.» Greifbar werde dies am Beispiel Internet. Nicht alle Daten wanderten vom Papier zu den Datenbanken, aber sehr grosse Teile. Einfach deshalb, weil es mehr Sinn mache. Handgeschriebene Briefe sind zwar romantischer, eine E-Mail aber ungleich schneller und günstiger. Mit Hilfe der Blockchain werden nach Daten nun Werte digitalisiert. «In Zukunft werden sicher nicht alle, aber die meisten Dinge von Wert Token auf einer Blockchain sein. Ganz einfach, weil man damit leichter, reibungsloser handeln kann», so Baird.

Unter den festgelegten und stur exekutierten Regeln, den Ledgers, kann jeder mit Fremden interagieren und die unterschiedlichsten Wertgegenstände schnell und günstig von A nach B übertragen. Das kann die Rolex aus dem Safe sein oder auch ein magisches Schwert, das zwischen Games verschoben wird. «Welche Möglichkeiten der Transfer von Werten bietet, beginnt die Welt auch ausserhalb der Kryptoblase zu realisieren», sagt Baird. Dass junge Menschen Maschinen im Unterschied zur älteren Generation mehr vertrauen als Menschen, kommt als Treiber hinzu. Kryptoexperten sind sich sicher: Die Blockchain wird sich nicht in allen, aber in vielen Bereichen durchsetzen.

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Das magische Schwert wird nicht zufällig genannt. Gaming ist durch die NFTs ein wichtiger Use Case. Seine Freizeit spielend vor dem Computer zu verbringen, ist ein riesiger Trend. Sechs von zehn Schweizern zocken. «Wir erwarten, dass Gaming ein Use Case wird. Die Community ist noch skeptisch, aber die Spieler finden es gut, Assets zwischen Spielen zu bewegen, sagt Web3-Experte Christoph Simmchen. Über NFT-Features im besonders populären Game «Grand Theft Auto 6» wird spekuliert. «Gaming könnte kurzfristig 100 Millionen Menschen auf die Blockchain führen und die Kryptoindustrie wirklich nach vorne bringen. 2024 werden wir Anwendungen sehen», glaubt Vance Spencer. Seine Framework Ventures ist stark im Gaming investiert.

Im Hintergrund wird von vielen Unternehmen auch ausserhalb der Technologiewelt an Anwendungen getüftelt. Im Aura Blockchain Consortium haben sich 40 Luxusfirmen zusammengetan, um einen Standard für die Industrie zu kreieren. Firmen wie Prada, Mercedes, LVMH, Richemont oder Cartier sind dabei. «Wir haben unsere Kräfte gebündelt, um einen Industriestandard zu kreieren», sagt Romain Carrere, CEO des Aura Blockchain Consortium. Zentrales Tool ist ein Digital Product Passport, kurz DPP. Auf der Blockchain befinden sich mit NFTs die digitalen Identitäten und der Echtheitsbeweis für das gekaufte Produkt, inklusive der Versicherung. Den Mehrwert erhöht KI-Technologie: Via Handy werden künftig etwa Schmuckstücke gescannt. Die künstliche Intelligenz erkennt, ob es sich trotz der Kratzer um das ursprünglich gekaufte Stück handelt. «Wir experimentieren eine Menge, hoffentlich können wir 2024 einiges zeigen», sagt Angela Au-Yeung von Cartier. Sie will auch im Web3 Schönes kreieren. Die Erfahrung müsse für die Kunden friktionsfrei, das Onboarding einfach und nahtlos sein.

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«Die Nerven sind der Preis»

Der neue Bitcoin-Suisse-Chef Andrej Majcen.

Mit einer Brandverletzung vom Grillieren in den Emiraten kam Andrej Majcen an die CfC. Sechs Tage nach dem Gespräch wurde er als designierter CEO von Bitcoin Suisse vorgestellt.

Herr Majcen, was bedeuten die Bitcoin-ETFs für die Branche?

Die Reputation von Kryptoanlagen wurde nochmals massiv gestärkt. Alle, die sagen, dass die Massenadaption niemals kommen wird, lagen falsch. Crypto is here to stay.

Braucht es Bitcoin Suisse jetzt überhaupt noch?

ETFs sind Massenprodukte, wir sind Spezialisten mit zehnjähriger Expertise, die besonders für grössere Kunden wichtig ist. Zudem gibt es viele andere spannende Kryptowährungen.

Ist der Use Case von Krypto gerade in der Schweiz besonders schwer zu erklären?

Ja, der echte Bedarf abseits der Spekulation ist in der Schweiz nicht da. Jeder besitzt eine Kreditkarte, das Finanzsystem ist effizient.

Sie sind in Kryptoanlagen investiert. 15-mal ist Bitcoin gecrasht. Wie steht man das durch?

Die Nerven, die man abgibt, sind der Preis. Aber wichtig sind ein langer Anlagehorizont und die feste Überzeugung, dass die Technologie einen grossen Nutzen aufweist.

Woher kommt die Überzeugung?

Fiat-Systeme brechen immer wieder auseinander. Bitcoin ist berechenbarer und könnte das bessere System sein. Zudem ermöglicht Krypto 1,6 Milliarden Menschen den Zugang zum Finanzsystem. Wie jedes Kind dank Smartphone heute dieselben Möglichkeiten hat, um auf das Wissen dieser Welt zuzugreifen, wird sich die Welt dank Krypto auch im Finanzbereich verändern.

Warum wird Krypto dann so häufig kritisiert?

Der soziale Aspekt kommt nicht rüber, weil es die deutlich weniger spannende Story ist. Es ist einfach, zu sagen, Krypto wird von Verbrechern verwendet und sollte verboten werden. Dann müsste man aber auch Autos, Bargeld oder Telefone verbieten, die Kriminelle ja auch nutzen. Durch die weitere Verbreitung und institutionelle Akzeptanz stehen wir hoffentlich bald über diesem Niveau.

Welche Kryptos haben Zukunft?

Bitcoin hat einen unglaublichen Wiedererkennungswert und einen gigantischen Markenwert. Die Robustheit der Blockchain ist enorm. Bitcoin als Alternative zu Gold oder zu Fiat ist der Use Case, den man sich so langsam vorstellen kann. Alle anderen Blockchains müssen sich immer neu erfinden. Es braucht wohl nicht 20 verschiedene Blockchains.

 

 

Der Schlüssel zur Massenadaption von Krypto liegt in der Bedienungsfreundlichkeit. Auch 15 Jahre nach der Entstehung ist der Weg in die dezentrale Blockchain-Welt anspruchsvoll. «Wir legen unsere Seed Phrases, aber die Komplexität muss in den Hintergrund verschwinden», sagt Emin Gün Sirer, Kryptovordenker sowie Gründer und CEO von Ava Labs. Die Zukunftsvision ist eine Technologie, die fast unbemerkt im Hintergrund läuft. Kryptoexperte David Johnston zitiert gerne eine Untersuchung, die zeigte, dass den meisten Facebook-Usern nicht bewusst ist, dass sie bei der Nutzung im Internet unterwegs sind. «Wenn wir in Richtung von Milliarden Nutzern gehen, müssen wir weniger technisch sein», sagt er. Das ist eine heikle Geschichte: «Die Sicherheit sollte immer im Vordergrund stehen», warnt Fabian Schär, Blockchain-Experte an der Uni Basel. Habe man die technischen Details nicht im Griff, könne einiges schiefgehen.

 

Die Killerapplikation

Besonders wichtig ist die Sicherheit im Finanzbereich. Das ist der Bereich, den die meisten Menschen mit Krypto verbinden und der auch zu den grössten Hoffnungsträgern zählt. «Die Massenadaption läuft über Finanzanwendungen. Aber es braucht viel bessere Schnittstellen, Apps und Wallets. Es kann nicht sein, dass ein falscher Klick dazu führt, dass man sein ganzes Vermögen verliert», sagt Alex Gluchowski.

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Einige Experten halten Stablecoins, also Token, die fix an eine Fiat-Währung gebunden sind, für die Killerapplikation. Doch das Feld ist weit. «Ausser US-Aktien könnte mit Blockchain-Technologie fast alles effizienter gemacht werden. Das hat Auswirkungen auf Milliarden von Nutzern», sagt Digital-Asset-CEO Yuval Rooz. Wie schnell die Zahl der Nutzer bei höherer Effizienz steigt, haben Plattformen wie Etoro und Robinhood mit ihrem Fractional-Share- Trading vorgemacht. Banken und Geldverwalter machen mobil. Laut Maerki-Baumann-Chef Stephan Zwahlen werden in Zukunft so gut wie alle Banken Kryptotrading und -lagerung anbieten. «Als wir vor sechs Jahren in den Kryptobereich einstiegen, lachte man uns noch aus, heute wollen alle einen Gedankenaustausch mit uns und wissen, wie es funktioniert.»

Dabei ist es der ursprüngliche Krypto-Use-Case, seine eigene Bank zu sein und Vermögenswerte auch ohne die Hilfe von Dritten von A nach B zu senden. Eigenverwahrung ist ein zentraler Teil davon. Diese Anwendung macht vor allem dort Sinn, wo viele Menschen keinen Zugang zu einem Bankkonto haben. Auch um den Wohlstand bei hohen Inflationsraten zu erhalten, wird Krypto in Ländern wie Venezuela oder Argentinien gerne genutzt. In der Öffentlichkeit wird Krypto meist mit Kriminalität und Betrug in Verbindung gebracht. «Der soziale Aspekt von Krypto ist für die Medien weniger spannend und geht unter», sagt Fabian Hediger, Mitgründer von Bitcoin Suisse. Um diese Seite zu zeigen, hat Hediger eingeschweisste Banknoten dabei, Geldscheine aus der Zeit der deutschen Hyperinflation. «Die durchschnittliche Lebensdauer einer Fiat-Währung beträgt nur 28 Jahre. Jede fünfte Währung endet dabei in der Hyperinflation», so Hediger. Nicht die Ultrareichen, die nur Bruchteile ihres Vermögens in Bargeld halten, sondern die kleinen Sparer seien die Leidtragenden. «Beim Zusammenbruch der Fiat-Systeme entsteht für die Gesellschaft ein grosser Schaden. Ich kann nicht akzeptieren, dass wir das in Zukunft immer wieder sehen.»

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Noch einen Schritt weiter geht das futuristische Projekt «Tools for Humanity» mit der dazugehörigen Kryptowährung Worldcoin. Übergeordnetes Ziel ist es, den mit Hilfe von KI geschaffenen Wohlstand als eine Art bedingungsloses Grundeinkommen an die Menschheit zurückzugeben. Weil seit dem Durchbruch der künstlichen Intelligenz im Internet nicht mehr eindeutig zwischen Mensch und KI-Bot unterschieden werden kann, emittiert das Start-up eine World ID. Ausgestellt wird diese nach einem Iris-Scan, Worldcoins gibt es als Goodie gratis dazu. Das Projekt ist eine Idee von niemand Geringerem als OpenAI-Chef Sam Altman. Für die Umsetzung hat er den jungen Deutschen Alex Blania an Bord geholt. Der hat einiges zu tun: «Unser Ziel ist es, zwei Milliarden Menschen an Bord zu holen.»

Nicht nur sozial, sondern auch umweltverträglich glaubt die Kryptoindustrie zu sein. Krypto-Miner, die für ihren enormen Energieverbrauch regelmässig am Pranger stehen, sehen sich heute nicht als das Problem, sondern als dessen Lösung. «Es gibt viele Missverständnisse, was das Bitcoin-Mining betrifft. Mining hat für den Energiewandel einen grossen Wert», sagt Kerri Langlais, CSO bei TeraWulf. Ihr Arbeitgeber verwende bereits heute über 90 Prozent erneuerbare Energien. Laut ihrer Vision werden viele Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien wie Windparks dank Krypto profitabler und häufiger realisiert. Das geht so: Mussten die Kraftwerkbetreiber für die Entsorgung von überschüssigem Strom in Zeiten von Negativpreisen sogar zahlen, steigen die Miner hier als Käufer ein.

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Erich Gerbl

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