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Management

Wieso die Generation Z mächtiger wird – und was das für Arbeitgeber bedeutet

Die Jungen sind mächtiger, als Babyboomer oder Millennials es waren. Arbeitgeber müssen damit umgehen. Und Vor­gesetzte lernen, anders zu führen.

Jannik Deters

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Svenja Gelowicz

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Die Jungen fordern hohe Gehälter und Sabbaticals, verabscheuen Hierarchien und fühlen sich niemandem verbunden. Die Firmen müssen es schlucken.

Text: Copyright «WirtschaftsWoche»; Illustration: Dmitri Broido; Fotos: Getty Images

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Jo Dietrich und Yaël Meier kommen mit dem Zug aus Zürich und steuern Haus Lämmerbuckel an, ein Bildungszentrum von Mercedes-Benz zu Füssen der Schwäbischen Alb, auf halber Strecke zwischen Stuttgart und Ulm: Hier versammeln sich Führungskräfte zur Nachhilfe, hier lassen sich Managerinnen und Manager belehren – von Dietrich (25) und Meier (22). Das Thema der beiden Coaches: Wie müsst ihr umgehen mit Leuten wie uns? Wie gewinnt ihr die Generation Z für euch?

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Manche empfinden es als Provokation: Die Youngsters erklären den Arrivierten die Welt? Das muss ja wohl ein Witz sein. Wie gross das Missverständnis ist, bemerkt Dietrich an diesem Tag im Mai schon in den ersten Minuten: Eine Teilnehmerin sagt spitz, sie habe eigene Kinder, die sie zum Thema befragen könne – «warum müssen wir uns die auch bei der Arbeit an den Tisch holen?».

Jo Dietrich kennt das. Ignoranz, Überheblichkeit, Realitätsverweigerung – typische Phänomene in Chefetagen. Dietrichs und Meiers Job ist es, solche Vorbehalte und Grobheiten abzubauen. Und Personalern zu erklären, dass sie besser nicht mehr als Lehrer und Prüfer auftreten, sich stattdessen als Werber und Bittsteller verstehen, wollen sie den Nachwuchs nicht schon beim Einstellungsgespräch verprellen. Die Machtverhältnisse wollen es nun mal so. Das Angebot an Arbeitskräften ist knapp, die Nachfrage gross.
 

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Generationenkonflikt

Meier und Dietrich haben sich 2019 kennengelernt, gründeten kurz darauf ihr Unternehmen Zeam, ein Kofferwort aus (Generation) Z und Team – die beiden sind die Gen-Z-Erklärer der Stunde, zählen Allianz, Mercedes-Benz und Banken zu ihren Kunden.

Ihr Erfolg verdankt sich einem Riesenproblem der postmodernen Betriebs- und Volkswirtschaften: Die vielen Boomer mit ihren ehrgeizigen, konkurrenzgetriebenen Aufstiegsbiografien weichen einer Generation der wenigen Work-Life-Balance-Künstler, die ihr Arbeitsleben von Anfang an gern gut bezahlt abgleichen wollen mit privaten, familiären und freizeitlichen Interessen. Und die Alten verstehen die Jungen nicht. Was wollen die nach 1995, 2000 Geborenen? Was müssen Firmen ihnen bieten? Wie müssen Vorgesetzte mit ihnen reden?

Die Wissenschaft nennt diese Jungen Generation Z, Generation Greta – oder einfach nur Zoomer. Sie sind digital sozialisiert und ständig im Netz unterwegs. Sie fordern Sabbaticals und hohe Gehälter. Sie verabscheuen Hierarchien und fühlen sich keiner Firma verbunden. Sie reagieren auf Anordnungen allergisch und lehnen Mehrarbeit ab. Sie sind anspruchsvoll und wünschen, wertgeschätzt zu werden. «Fühlen sie sich von Vorgesetzten falsch behandelt», sagt Klaus Hurrelmann, «sind sie ganz schnell wieder weg.»

Hurrelmann erforscht die Jugend seit mehr als 40 Jahren. Er hat für das Phänomen der Generation Z eine einfache, plausible Erklärung: «Sie wuchs in einer der längsten konjunkturellen Aufschwungsphasen heran und ist auf dem Arbeitsmarkt so gefragt wie keine Generation zuvor.»

Entsprechend rollt die Wirtschaft ihr den roten Teppich aus. Bis 2030 stellen Vertreter der Generation Z plus der Millennials, also die Jahrgänge ab 1981, die Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung. Die Youngsters werden gebraucht. Und sie sind in der Schweiz oder in Deutschland knapp. Stellten etwa junge Menschen zwischen 15 und 24 Jahren 1981 noch 16,3 Prozent der deutschen Bevölkerung, so sind es heute nur gut 10 Prozent. «Firmen waren es bis vor zehn Jahren gewohnt, dass die Leute bei ihnen Schlange standen», sagt Hurrelmann. Heute nicht mehr: «Die Generation Z kann sich viel mehr erlauben als die Generationen vor ihr.»

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Vorgesetzte müssen ihre jungen Mitarbeiter intensiv begleiten – und bitte: Bloss keine Befehle erteilen!

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Vorgesetzte müssen ihre jungen Mitarbeiter intensiv begleiten – und bitte: Bloss keine Befehle erteilen!

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«Frau Gerolds Garten» in Zürich ist ein hipper Schotterplatz: Gelateria, Essensstände, Bars, ein Klamottenladen, Sitzgelegenheiten, bunte Sonnenschirme. Neben dem Glacestand führt, von Buschwerk etwas versteckt, eine eiserne Treppe hinauf in einen Raum. Das Zeam-Team ist da. Vier junge Frauen, sechs junge Männer, zehn Bildschirme. Normalerweise arbeitet jeder da, wo es ihm gerade passt. Ein richtiges Büro hat Zeam nicht. Aber heute sind sie alle mal wieder mal da, um über das Geschäftspotenzial von Gaming zu sprechen.

Yaël Meier machte 2017 ihre Matura, sie trägt Converse-Schuhe zu Top und Schlaghose, hat ihre blonden Haare zum Dutt hochgeknotet – und ist das Gesicht von Zeam. Jo Dietrich studierte Management, trägt blütenweisse Sneakers zu Kurzarmhemd und Jogginghose, hat einige Jahre in Medienunternehmen gearbeitet, erste Festanstellung mit 17. Er fällt ein hartes Urteil über den Umgang mit seiner Generation in Firmen: «Junge Menschen werden strukturell ignoriert bis diskriminiert.» Wie bitte?

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Dietrich meint es genau so. Immer wieder hat er das mitbekommen: «Du merkst, wie wichtig du bist, wenn dich die Kollegen ständig um Rat bitten. Und fragst dich: Warum bin ich Praktikant, wenn ich denen hier immer Sachen erkläre?» Wieso dürfe man «nachher nicht sagen, dass das mein Projekt war, wenn ich die ganze Arbeit gemacht habe»? Weshalb heimst «irgendein Vorgesetzter, der wenig bis gar nichts dazu beigetragen hat», die Lorbeeren ein?

Ganz klar: Was viele in jungen Jahren leisteten, stehe «nicht im Verhältnis zu dem, was sie bekommen», sagt Dietrich.

Und mit ein bisschen Anerkennung ist es nicht getan. Vielmehr muss der Chef zum Coach avancieren. Der Vorgesetzte zum Personal Manager. Der Befehlsgeber zum Feedbackmeister. Wer autoritär auftrete, erreiche die junge Generation nicht, sagt Hurrelmann. Es gehe darum, «jede Person persönlich anzusprechen», ihr «fast schon stündlich Rückmeldungen zu geben» – und einzufordern. Führungskräfte müssten heute «unendlich viel erklären». Zuckerbrot und Peitsche, Anordnung und Belohnung funktionierten heute nicht mehr.

Sinn, Verantwortung, Macht

Betreuung statt Führung also? Nein. Eher zutrauende, zugewandte Führung.

Martin Klaffke, früher Berater bei Roland Berger, heute BWL-Lehrkraft an der Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft, sagt es so: «Vorgesetzte sollten heute individuell führen und sich auf jede einzelne Person einstellen.» Keine Raketenwissenschaft. «Douglas McGregor schrieb schon in den 1960er Jahren, dass der Mensch Sinn in der Arbeit sucht und Verantwortung übernehmen will», so Klaffke. Die Generationen vor den Zoomern waren nur nicht mächtig genug, um sich gegen die standardisierte Führung aufzulehnen.

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Liselotte Lichtenstein hat die Macht. Sie ist kaum 20, studiert Wirtschaftsinformatik und arbeitet seit einem Jahr beim Traditionsunternehmen Trumpf, Jahrgang 1923. Ein duales Studium. Das heisst: Lichtenstein besucht jeweils drei Monate Vorlesungen – und verbringt dann je drei Monate in verschiedenen Abteilungen bei Trumpf.

Lichtenstein sagt, sie stehe klassischen Hierarchien, wie sie etwa bei Trumpf üblich seien, gar nicht mal kritisch gegenüber. 1500 der 15 000 Mitarbeiter beim Maschinenbauer sind Führungskräfte? Kein Problem. Sie hält nur «nichts davon, wenn jemand seine Autorität vor allem mit dem Jobtitel begründet». Ihre Generation möchte gern von Kompetenz überzeugt werden, sagt sie, wolle «respektvoll und auf Augenhöhe geführt werden».
Klaus Hurrelmann weiss, woher das Selbstbewusstsein rührt und die hohen Ansprüche kommen: Die Mehrheit der jungen Leute sei mit «äusserst toleranten, verständnisvollen Eltern gross geworden, die wenig Widerworte gegeben haben». Viele Entscheidungen, etwa auch die für einen Studien- oder Ausbildungsplatz, wurden ihnen von Mama und Papa abgenommen. Mit der Konsequenz, dass es der jungen Generation nicht an Selbstsicherheit, wohl aber an Selbstständigkeit mangele. Und dass die jungen Leute auch in Unternehmen erwarteten, nicht auf Autoritäten und Hierarchien zu stossen.

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Anerkennung und Augenhöhe. Respekt und Feedback. Ermunterung und Hilfe auch – Firmen müssen sich darauf einstellen. So wie das Start-up Vinted aus Litauen, in dem die zwei Onlineshops Kleiderkreisel und Mamikreisel aufgingen. Die Mitarbeiter bekommen zehn Prozent ihres Bruttogehalts für Weiterbildungen draufgelegt, sagt Michael Nicodemus, der in Berlin die Personalentwicklung leitet und sich zum Coach weitergebildet hat. Zudem können sie über eine App 15 Therapiestunden pro Jahr buchen, welche die Firma bezahlt; Statistiken zeigen, dass die Generation Z vergleichsweise häufig unter psychischen Krankheiten leidet. Die Kosten will Nicodemus nicht beziffern. Den Erfolg durchaus: Mehr als drei Viertel der Mitarbeiter nutzten das Budget für Weiterbildungen. Die App hat in den vergangenen sechs Monaten gut 1000 therapeutische Beratungen registriert.
Also doch eine Art betreutes Arbeiten? 

Viele Menschen unter 25 seien Kritik nicht gewohnt, weder von zu Hause noch aus der Schule, weiss Soziologe Hurrelmann. Chefs kennen das. Sie müssen ihre Mails in Watte packen. Rückmeldungen mit Feingefühl formulieren. Rezensionen in Lob einkleiden. Ansagen mit Wohlwollen vortragen. Die Generation Z werte Kritik sonst als Angriff. Einige Vorgesetzte schildern, dass junge Beschäftigte mit Tränen auf ihr Feedback reagiert hätten. Experten raten dazu, die Generation Z engmaschig, unmittelbar und sensibel zu kritisieren – Kritik als eine Art dauernden Spiegel der Empathie zu verstehen, abseits der formellen Gespräche und in kurzen Abständen. Das kostet Zeit. Und den einen oder anderen sicher auch Nerven. Aber Ermahnungen und Drohungen verfehlen das Ziel.
 

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Generation ohne Antrieb?

Genervt über die Jungen zeigte sich kürzlich der Hamburger Agenturchef Mathias Keswani. Als ihm zuletzt ein Bewerber mitteilte, er wolle zweimal pro Woche um 17 Uhr in den Feierabend gehen, um sich seinen Yogaübungen zu widmen, verkündete der Unternehmer in der «Welt»: Vorerst keine Praktika mehr für die Gen Z! Auch dem Chef des Europa-Parks reicht es: Die Mittzwanziger wollten nur mehr drei Tage in der Woche arbeiten, wetterte Roland Mack in der «Basler Zeitung»: Work-Life-Balance sei ihnen wichtiger als beruflicher Erfolg. Schraubenunternehmer Reinhold Würth, inzwischen 87, brachte das Grummeln der Chefs in der «WirtschaftsWoche» schon vor zwei Jahren auf den Punkt: «Der jungen Generation fehlt der Antrieb.»

Selbst Führungskräfte aus der Generation Y weisen darauf hin, dass der Austausch mit den unter 25-Jährigen extrem aufwendig sei. Die Gen Z wolle ständig im Mittelpunkt stehen, permanent begeistert, dauernd mitgenommen werden. Die Personalleiterin eines mittelständischen Unternehmens kommt sich inzwischen oft vor wie eine Sozialarbeiterin: «Empathie aufbringen, zuhören, Geduld haben, beraten.» Ein anderer kritisiert, dass schon Forderungen gestellt würden, bevor Leistung erkennbar sei.
Martin Klaffke, der einstige Berater, meint, dass Führungskräfte sich heute als Dienstleister verstehen müssten. Die Generation Z habe ihre Eltern gut beobachtet – und dabei gesehen, «wie sehr sie oft private Belange für die Arbeit zurückgestellt haben». Ein solches Leben entspreche nicht den Vorstellungen junger Menschen. Sie stellen Ansprüche, drehen den Spiess um – und denken oft vom Nehmen her. Manche seiner Studenten fragten Klaffke etwa, warum sie Literatur in der Bibliothek nachschlagen müssten: «Die können Sie uns doch geben!»

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Dass dieses Verhalten in der Arbeitswelt bei vielen Boomern auf Unverständnis stösst, überrascht Klaus Hurrelmann nicht: «Sie haben ihr Privatleben zurückgestellt, um Karriere zu machen. Haben hart gearbeitet, Durchhaltevermögen bewiesen, Probleme im Job heruntergeschluckt. Das ist ein riesiger Unterschied zu den heute 25-Jährigen, die niemals Überstunden machen würden. Die haben eine eingebaute Burn-out-Sperre.»

Michael Stammel, Personalleiter bei Rosenberg Ventilatoren mit 1800 Mitarbeitern, weiss, dass da «Welten aufeinandertreffen». Stammel will älteren Kollegen vermitteln, wie sie die jungen motivieren können. Deshalb hat er Workshops gestartet, in denen unter 25-Jährige den Älteren erklären, welchen Umgang sie sich wünschen: Die Vertreter der Gen Z erarbeiten in Projekt- oder Studienarbeiten, wie sie sich das Miteinander vorstellen. Darüber diskutieren alle im Anschluss.

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Ein Drittel der Generation Z hat wegen guter Angebote hinsichtlich der Work-Life-Balance beim aktuellen Arbeitgeber angeheuert.

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Ein Drittel der Generation Z hat wegen guter Angebote hinsichtlich der Work-Life-Balance beim aktuellen Arbeitgeber angeheuert.

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Und siehe da – bei manchen setze danach ein Aha-Effekt ein, sagt Stammel, in die eine oder in die andere Richtung. Ein Lehrling etwa, der immer pünktlich Feierabend machte, begründete das mit seinem Fussballtraining – im Übrigen würde ja auch nur für eine bestimmte Arbeitszeit bezahlt. Die Führungskraft redete ihm gut zu, erklärte, dass er und seine Kollegen sich auch als Team verstünden, gewissermassen wie im Fussball. Prompt war der junge Mitarbeiter zu Mehrarbeit an trainingsfreien Tagen bereit.
Verhandlungsgeschick also und persönliche Ansprache – darum geht es: Führungskräfte müssten sich für Überstunden gewissermassen entschuldigen, weiss Hurrelmann. Und immer zwei Hauptbotschaften senden: «Wir brauchen dich! Und so wie du arbeitest, bist du im Team genau richtig!» Erfordert ein Kundenprojekt Mehrarbeit, sollten Führungskräfte betonen, dass jetzt die ganze Mannschaft anpacken müsse, dass der Erfolg von der Leistung eines jeden abhänge.
 

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Jung berät Alt

Das sieht auch Liselotte Lichtenstein so, die bei Trumpf eine Führungskraft in solchen Fragen berät. Das Konzept nennt sich «Reverse Mentoring»: Die Jungen coachen die Alten. Ein Beispiel: Als ihr Mentee in seiner Abteilung neue Ziele einführte und sie fragte, wie er alle Teammitglieder, speziell die jungen, motivieren könne, auf diese Ziele hinzuarbeiten, schlug Lichtenstein vor, die jungen Kollegen ausserordentlich zu loben, wenn sie sich einbrächten. Und: «Die erfahrenen Kollegen müssen mit gutem Beispiel vorangehen, die Ziele ernst nehmen. Das strahlt auf die jüngeren ab.» Er solle den Jungen empfehlen, sich bei Fragen an die erfahrenen Kollegen zu wenden, von ihnen zu lernen, riet Lichtenstein.

Auch sie profitiert vom regelmässigen Austausch. Sie lernt durch das sechsmonatige Reverse Mentoring Menschen bei Trumpf kennen, die sie als Einsteigerin ansonsten womöglich nur mal im Treppenhaus gegrüsst hätte – das heisst: Sie erfährt Wertschätzung. Und darauf vor allem kommt es an, zeigt eine Untersuchung des Hamburger Marktforschungsinstituts Appinio. Darin bemängelte ein Viertel der Befragten zwischen 16 und 25 Jahren, dass ihre Arbeit nicht wertgeschätzt werde und dass sie von älteren Kollegen nicht ernst genug genommen würden.

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Bei der Buchhandelskette Hugendubel gehen sie mit dem Thema humorvoll um: Ein junger Beschäftigter mit strubbeligen Haaren ist hier in einem Video zu sehen, er schlurft zu einem Verkaufstresen und wendet sich mit den Worten «Hey du, Arbeitgeber:in» an seinen Chef, einen Buchhändler der Generation Boomer im rot-weiss karierten Kurzarmhemd. Und der Youngster erklärt weiter: Er habe am nächsten Tag ein Tinder-Date und «gar keinen Bock» zu arbeiten, ja er benötige einen «Me-Day», deshalb erscheine er morgen nicht – ob das wohl okay sei? Die Führungskraft reagiert gelassen.

Hugendubel hat den Kurzfilm auf der Videoplattform TikTok hochgeladen; mehr als 40 000 Menschen folgen dem Account. Das Social-Media-Team, das ihn bespielt, gehört selbst der Gen Z an. Laut der Geschäftsführerin Nina Hugendubel arbeitet das Team eigenständig. Sie sieht darin einen Vertrauensbeweis.
Humor, sagt Hugendubel, dürfe beim Miteinander der Generationen nicht fehlen. Die Fähigkeit, über sich selbst zu lachen, sich nicht zu ernst zu nehmen, ein wenig ironische Distanz zu sich aufzubauen – das helfe dabei, Differenzen zu überbrücken.

Zur Wertschätzung in einem Unternehmen gehöre auch, dass sich die Chefs ganz oben für die Novizen im Unternehmen interessieren, weiss Martin Klaffke. Er empfiehlt Firmen, unabhängig von Hierarchiestufen Kontakte herzustellen zwischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Etwa mit einem «Brown-Paper-Lunch», bei dem der Arbeitgeber das Mittagessen stellt und sich alle informell austauschen.

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Zu einem solchen Mittagessen traf sich Oliver Maassen, Personalchef bei Trumpf, erst kürzlich mit mehreren Zoomern, um zu hören, was sie umtreibt. Darunter auch sein ehemaliger Mentor: ein 20-jähriger Student, der bei Trumpf arbeitet. Der Manager hat wie Mitarbeiterin Lichtenstein am Reverse Mentoring teilgenommen. Zwei Jahre ist das jetzt her. In den Meetings durfte sich Maassen, Jahrgang 1964, Hornbrille und Airpods, die Profile seines Mentors bei Instagram und TikTok anschauen.

Der Manager und der Student diskutierten darüber, ob auch Trumpf auf TikTok aktiv sein müsse. Und Maassen, der Ende August für eine Entgleisung auf dem Netzwerk LinkedIn einen Shitstorm erntete, erkannte in den Gesprächen, dass die Grenzen zwischen den Generationen durchaus fliessend sind, dass auch er Elemente der Generationen Y und Z in sich trage. Früher habe er Berufliches und Privates strikt getrennt. Heute gehe er in einer Pause gerne mal ins Fitnessstudio des Firmengeländes, 200 Meter von seinem Büro entfernt, in der obersten Etage des Logistikzentrums.

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Junge Menschen können mit Dienstwagen nichts anfangen. Manche Soziologen betonen: Die Älteren auch nicht mehr.

Text: Copyright «WirtschaftsWoche»; Illustrationen: Dmitri Broido; Fotos: Getty Images, zVg
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Junge Menschen können mit Dienstwagen nichts anfangen. Manche Soziologen betonen: Die Älteren auch nicht mehr.

Text: Copyright «WirtschaftsWoche»; Illustrationen: Dmitri Broido; Fotos: Getty Images, zVg

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Maassen weiss: Die Generation Z ist durchaus bereit, sich ins Zeug zu legen, will aber genau wissen, wofür. Sie muss einen Sinn in ihrer Arbeit sehen. Sie will etwas bewegen. Sie will gebraucht werden. Eine Umfrage der Universitäten Bamberg und Erlangen-Nürnberg sowie des Karriereportals Monster zeigt, dass 67,4 Prozent der Studierenden und 57,1 Prozent der Auszubildenden Wert auf eine sinnhafte Tätigkeit legen.

Laura Bornmann übergibt aus diesem Grund schon früh Verantwortung. Auch weil sie persönlich damit gut gefahren ist. Bornmann (31), blondes, offenes Haar, ist – eher untypisch für die Generation Y – schon mehr als zwölf Jahre bei ihrem Arbeitgeber. Sie schrieb sich nach ihrer Matura bei Rewe Dortmund, einer eigenständigen Gesellschaft des Einzelhandelskonzerns, ins duale Studium ein, arbeitete zwei Jahre im Vertrieb, avancierte zur Assistentin des CEO – und vor zweieinhalb Jahren sprach man sie dann an, ob sie die Personalentwicklung übernehmen wolle. «Es war cool, dass mir das zugetraut wurde», erzählt Bornmann. Sie war nicht nur jung. «Ich hatte auch keinerlei Führungserfahrung.»
Nach vielen Weiterbildungen und einer herausfordernden Anfangszeit führt Laura Bornmann jetzt 20 Mitarbeiter und ist verantwortlich für eine Belegschaft von 18 000 Menschen in den Supermärkten, in der Logistik und in den Dienstleistungszentren. Sie hat eine Führungsebene entfernt, junge Leute geholt und mit Verantwortung ausgestattet, kurz: Man hat ihr etwas zugetraut – und sie hat etwas bewegt.
 

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Kein Purpose? Kein Problem

Sinn, Mehrwert, Purpose, Erfüllung – und wer erledigt in Zukunft die unliebsame Arbeit? Wer versenkt sich in Routinen und arbeitet einfach mal was weg, auch wenns das Ich nicht bereichert? Bei Trumpf lautet die Antwort: der Computer, die Maschine.

«Die jungen Leute haben kaum noch Interesse an repetitiven Tätigkeiten», sagt Personalchef Maassen. Rechnungen verbuchen, Belege sortieren, Reisekosten abrechnen – Trumpf arbeitet seit fünf Jahren daran, möglichst viele dieser Tätigkeiten zu automatisieren. Aber das hat natürlich seine Grenzen. Keine Software kann jeden Mitarbeiter von aller missliebigen Arbeit entlasten. Auch die Studentin Liselotte Lichtenstein muss zuweilen «ein Projekt dokumentieren», weil das einen Mehrwert erzeugt, nichts weiter – auch wenn ihr «diese Arbeit zu eintönig» sei und sie «am liebsten darauf verzichten» würde.

Verzichten würde auch Jungunternehmer Jo Dietrich zuweilen gerne – auf Sätze, wie er sie im Haus Lämmerbuckel hört: Weshalb muss ich mit diesen jungen Leuten auch noch bei der Arbeit an einem Tisch sitzen? Der Zeam-Co-Chef zieht einen einfachen Vergleich: «Stell dir vor, dein Mann gründet mit Freunden ein Unternehmen für Periodenprodukte. Und die Männer sagen, wir haben ja alle Frauen zu Hause, die können wir fragen …» Solche Anekdoten, meint Dietrich, genügten natürlich nicht, um die Belange einer Zielgruppe zu verstehen.
Also: Kommen wir jetzt ins Gespräch?

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