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Führungswechsel bei Hilti: «Wir pflegen hier keine Starkultur»

Der Liechtensteiner Konzern fertigt das beste Bauwerkzeug der Welt. Das Erfolgsrezept: Eine ­einmalige Firmenkultur.

Dirk Schütz

Der neue CEO Jahangir Doongaji, der aktuelle CEO und designierte VR-Präsident Christoph Loos, der abtretende VR-Präsident Heinrich Fischer (von links):

Der neue CEO Jahangir Doongaji, der aktuelle CEO und designierte VR-Präsident Christoph Loos, der abtretende VR-Präsident Heinrich Fischer (von links): Die Nachfolgelösung wurde sechs Jahre geplant.

Bilanz

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Sechs Jahre – so lange bleibt ein Firmenchef in der Schweiz im Schnitt etwa im Amt, wie die gängigen Erhebungen belegen. Der Wert ist nur leicht höher als in den kurzatmigeren Wirtschaftsräumen der USA oder Englands. Und er sinkt seit Jahren.

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Und wann hat bei dem Liechtensteiner Industrieriesen Hilti der neue Chef erste Signale bekommen, dass er für den CEO-Posten vorgesehen ist? Vor sechs Jahren.

Jahangir Doongaji heisst der Mann, alle nennen ihn nur Jan, und er wird der erste CEO von Hilti mit asiatischen Wurzeln sein – er wuchs in Bombay als Sohn eines Inders und einer Schweizerin auf, studierte Maschinenbau an der ETH und begann im Jahr 2000 bei Hilti als Leiter des telefonischen Kundendiensts im Schweizer Markt.

Teamgeist über Starkultur

Doch wie der 53-Jährige dasitzt – schlaksige Figur, fokussiert, zurückgenommen –, ist von Triumphgefühl keine Spur: «Wir pflegen hier keine Starkultur. Das Team geht immer vor.»

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Nun sind Firmenannalen üppig gefüllt mit Aussagen von neuen Chefs, die den Teamgeist angeblich über alles stellen, aber dann an der Spitze plötzlich ihr Ego entdecken. «Wenn du den wahren Charakter eines Menschen erkennen willst, dann gib ihm Macht», lautet die zeitlose Erkenntnis, die Abraham Lincoln zugeschrieben wird.

Das Besondere an Hilti ist jedoch: Diese Firma meint es wirklich ernst. «Wenn du kein echter Teamplayer bist, bist du draussen», verfügt Michael Hilti, Familienvertreter der zweiten Generation und Urvater des Systems.

Gerade hat Hilti den wohl grossflächigsten Generationenwechsel der hiesigen Unternehmensszene orchestriert. Neun Schlüsselpositionen wurden frisch besetzt: Neuer CEO, neuer VR-Präsident, neuer Präsident des Trusts (der die Firma besitzt), neue Konzernleitungsmitglieder – und eine neue Verwaltungsrätin aus der Familie: Michèle Frey-Hilti, das einzige Kind Michael Hiltis, 34 Jahre alt und bislang Geschäftsführerin der Hilti Familienstiftung.

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Michael Hilti mit seiner Tochter Michèle Hilti

Dritte Generation an der Spitze des Bohrriesen: Michèle Frey-Hilti tritt in den Verwaltungsrat von Hilti ein, Michael Hilti bleibt Ehrenpräsident.

Joseph Khakshouri
Michael Hilti mit seiner Tochter Michèle Hilti

Dritte Generation an der Spitze des Bohrriesen: Michèle Frey-Hilti tritt in den Verwaltungsrat von Hilti ein, Michael Hilti bleibt Ehrenpräsident.

Joseph Khakshouri

Die dritte Frau im VR

«Als Teenager wollte ich noch Tierärztin werden, jetzt ist es anders gekommen», lacht sie, als die Verantwortlichen gegenüber BILANZ die neue Aufstellung präsentieren. Eingerahmt wird sie von sechs Führungsmännern, im achtköpfigen Verwaltungsrat ist sie allerdings bereits die dritte Frau.

Ihr Vater macht sich damit fast überflüssig: Der 74-Jährige bleibt zwar Ehrenpräsident, tritt aber deutlich kürzer. Alles unaufgeregt, alles intern besetzt, alles von langer Hand geplant – seit sechs Jahren eben.

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Doch bei allem Lobgesang auf die spezielle Kultur: Die Basis des Erfolgs bleiben die Produkte. Gegründet 1941 in Schaan von den Brüdern Martin und Eugen Hilti, hat sich die Firma mit dem ikonisch-neonroten Koffer als Werkzeuglieferant auf den Grossbaustellen der Welt durchgesetzt.

Die Bohrmaschinen, Winkelschleifer oder Bolzensetzer gelten in Fachkreisen als unerreicht. Darauf hat die Firma einen lukrativen Service-Bereich gebaut: Hilti übernimmt das Management von Baustellen oder die Begleitung von komplexen Projekten.

Geschäftskunden stehen im Zentrum

Wenn ein Grosskunde in den USA eine Ölplattform designt, sie in Korea herstellt und in Russland installiert, koordiniert das Unternehmen den gesamten Prozess. Längst ist aus einem Hardware-Anbieter ein Software-Haus geworden, das seinen Kunden vor allem eines bietet: Produktivitätssteigerung.

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Oberstes Gebot bleibt dabei: Der Verkauf geht ausschliesslich an Geschäftskunden – für Hobby-Handwerker bleiben die roten Werkzeuge unerreicht, Baumärkte sind verbotene Zone. 30'000 Mitarbeiter, 145 Nationalitäten, Niederlassungen in 120 Ländern: Ein global Player aus Schaan.

Dabei ist die Firma hochprofitabel. 5,3  Milliarden Franken Umsatz erzielte sie auch im schwierigen Corona-Jahr, der Betriebsgewinn lag bei 728 Millionen Franken. Zum Vergleich: Der deutsche Werkzeughersteller Würth, den Hilti noch am ehesten als Mitbewerber sieht, benötigt für den gleichen Gewinn fast drei Mal so viel Einnahmen.

Am ehesten vergleichbar von der Profitabilität her ist Hilti mit dem Bauzulieferer Sika, der aber ein Drittel grösser ist – und an der Börse mit fast 40  Milliarden Franken gehandelt wird. Hilti brächte es mindestens auf die Hälfte, wenn der Konzern denn kotiert sein wollte (was er mal war). «Aber das wollen wir nicht», betont Michael Hilti.

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Koffeübergabe Hilti

Der rote Hilti-Koffer ist eine Baustellen-Ikone – Anfang 2023 geht die operative Führung des Konzerns von Christoph Loos (rechts) auf Jahangir Doongaji über. Loos übernimmt das VR-Präsidium.

Joseph Khakshouri
Koffeübergabe Hilti

Der rote Hilti-Koffer ist eine Baustellen-Ikone – Anfang 2023 geht die operative Führung des Konzerns von Christoph Loos (rechts) auf Jahangir Doongaji über. Loos übernimmt das VR-Präsidium.

Joseph Khakshouri

Vorzeigefirma Hilti

Die Firma ist der Prototyp der erfolgreichen Weiterentwicklung eines Familienkonzerns. «Hilti ist eine Vorzeigefirma, die langfristiges Denken, Performance-Kultur und Transparenz vorbildlich miteinander verbindet», betont Thomas Zellweger, HSG-Professor für Familienfirmen und Herausgeber des «Global Family Business Index», der die 500 grössten Familienfirmen der Welt umfasst.

Hilti liegt weltweit auf Platz 312. Dabei ist die Firma auch hier fast ein Unikat, zumindest in Kontinentaleuropa. Die anderen grossen Schweizer Familienfirmen – Roche, Schindler, Swatch, Kühne + Nagel – teilen sich die Firma mit anonymen Aktionären, und die Nachfolgefrage hängt immer latent über der Firma: Entweder es findet sich kein Nachfolger – oder es gibt zu viele.

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Die grösste Klippe ist die Übergabe von der ersten zur zweiten Generation: In den USA schaffen es laut der «Harvard Business Review» gerade zehn Prozent der erfolgreichen Firmengründungen als private Familienfirmen in die nächste Generation.

Es war der Gründer Martin Hilti, der hier für seine vier Kinder eine wegweisende Idee hatte – und dabei von einer heimischen Spezialität profitierte. Denn Liechtenstein kennt den Trust, eine Rechtsform, die es in der Schweizer Firmenszene in dieser Form nicht gibt.

Trust steht im Zentrum

Die Vorteile gegenüber der Stiftung, wie sie etwa der Logistiker Kühne + Nagel verwendet: Es gibt keinen rigide zu befolgenden Siftungszweck. Und vor allem: Die Ausschüttungen dürfen direkt an die Familie gehen.

1980 wurde der Trust durch einen Erbverzicht der Familie gegründet, seit dem Jahr 2000 ist er alleiniger Aktionär. Die 60-seitige Trust-Urkunde ist so etwas wie die Verfassung der Firma.

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Der Trust hat zwei Hauptaufgaben: Die Weiterentwicklung des Unternehmens – und die Sicherung der materiellen Interessen der Familie Hilti. Etwa die Hälfte des Konzerngewinns fliesst jedes Jahr in den Trust, dessen Vermögen von acht professionellen Vermögensverwaltern veredelt wird.

Wie viel davon jedes Jahr an die Familie ausgeschüttet wird, ist das am besten gehütete Firmengeheimnis. Als gesichert darf gelten: Darben muss die Familie nicht.

Dass Michèle Hilti den Firmenerben Lorenz Frey, einziger Sohn des Zürcher Automagnaten Walter Frey («Emil Frey AG»), heiratete, darf deshalb auch als eine besondere Form der Gleichberechtigung gelten – zumindest kann niemand behaupten, eine Seite habe die andere wegen des Geldes geehelicht.

Wirtschaftswunder 2019 „Facing Risk, Risiko - Freund oder Feind?“, Bild aufgenommen im Vaduzersaal in Vaduz am 05.11.2019 - Gratulationen zum Lebenswerk von Michael Hilti: Caroline Hilti, Michael Hilti, Michelle Frey-Hilti und Lorenz Frey-Hilti (v.l.) FOTO & COPYRIGHT: DANIEL SCHWENDENER

Michael Hilti (Zweiter von links) mit seiner Frau Caroline, Tochter Michèle und ihrem Mann Lorenz Frey-Hilti bei einer Preisverleihung in Liechtenstein.

Daniel Schwendener
Wirtschaftswunder 2019 „Facing Risk, Risiko - Freund oder Feind?“, Bild aufgenommen im Vaduzersaal in Vaduz am 05.11.2019 - Gratulationen zum Lebenswerk von Michael Hilti: Caroline Hilti, Michael Hilti, Michelle Frey-Hilti und Lorenz Frey-Hilti (v.l.) FOTO & COPYRIGHT: DANIEL SCHWENDENER

Michael Hilti (Zweiter von links) mit seiner Frau Caroline, Tochter Michèle und ihrem Mann Lorenz Frey-Hilti bei einer Preisverleihung in Liechtenstein.

Daniel Schwendener

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Die Reichsten der Schweiz

Mit 3,25  Milliarden führt BILANZ die Familie Frey in der aktuellen Liste der 300 Reichsten der Schweiz, 4,75  Milliarden sind es bei Hilti. Auch Lorenz Frey, mittleres von drei Kindern, ist in der Familienfirma aktiv, er leitet dort den eigenen Rennstall.

Nebenbei betreibt er in Deutschland eine Firma für Jagd-Zubehör namens Hunter & Co. – die Familie besitzt in Vorarlberg ein grosses Jagdgut. Ganz paritätisch führen beide Ehepartner den Doppelnamen Frey-Hilti.

Der Trust bildet jedoch nur das rechtliche Fundament für die spezielle Firmenkultur – er sichert die Finanzkraft und verhindert die quartalsgetriebene Kurzatmigkeit der Börse. Ursache für die Firmenphilosophie war ein traumatisches Erlebnis von Michael Hilti in den siebziger Jahren.

Die Firma hatte einen vermeintlichen Starmanager von aussen in die Konzernleitung bestellt, und das war für den Spross ein traumatisches Erlebnis: Sein Ego stand über der Firma, es kam zu heftigem Streit. Die Schieflage war bedrohlich, am Ende mussten der Neuzugang und ein interner Manager gehen.

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Achtsamkeit als Thema

Das Ziel war klar definiert: Wir brauchen stets genügend eigenen Nachwuchs in der Konzernleitung, um nicht auf externe Manager an der Spitze zurückgreifen zu müssen. Es entstand ein ausgeklügeltes System, das all die Jahre weiterentwickelt wurde.

Fakten zum Industrieriesen

Im letzten Jahr investierte Hilti 360 Millionen Franken in Forschung und Entwicklung und lancierte dabei 74 Neuprodukte. Der Industrieriese beschäftigt inzwischen 18'000 Mitarbeiter in Vertrieb und Marketing.

Neben Michael Hilti wurde der ETH-Ingenieur Pius Baschera zur Schlüsselperson. Er stammte zwar auch von aussen, war aber bereits als 29-Jähriger in die Firma eingetreten und hatte sich zum CEO hochgearbeitet.

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Baschera stand glaubwürdig für das Versprechen, dass es auch externe Manager nach oben schaffen konnten, wenn eben auch nicht direkt von aussen. Die ersten Kultur-Workshops liefen noch mit externen Beratern, wie in so vielen Firmen. Doch das genügte den Verantwortlichen nicht.

So entstanden die sogenannten Team Camps: Alle zwei Jahre durchlaufen alle Mitarbeiter eine zweitägige Schulung, jeweils unter einem aktuellen Motto. Die Firma leistet sich 75 vollamtliche Coaches, alles hoch angesehene Ex-Linien-Manager, die durch ihre Fronterfahrung der Mission Glaubwürdigkeit verleihen, intern Sherpas genannt.

Sherpas leiten Austausch

Geplant werden die Events von einem eigens bestellten Leiter People and Development namens Eivind Slaaen, der eine zentrale Position hat und auch mit Michael Hilti einen engen Austausch pflegt.

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Für die Themenwahl zentral sind die jährlichen Mitarbeiterumfragen, an denen 90  Prozent der Belegschaft teilnehmen. Acht Team Camps gab es bereits, das neunte ist in Planung.

Die Veranstaltungen werden nicht zentralisiert, jedes Team organisiert sich in Zusammenarbeit mit den Sherpas selbst. Das letzte Camp, noch vor Corona, beschäftigte sich mit dem Thema Achtsamkeit – die Führung hatte schon über längere Zeit hinweg festgestellt, dass die digitale Überlastung ihre Mitarbeiter massiv stresst.

Das Camp, gemeinsam mit Konzernleitung und Verwaltungsrat erarbeitet, brachte von praktischen Tipps zum Zeitmanagement bis hin zu Meditiationsübungen eine ganze Palette an Lösungsmöglichkeiten.

Hilti Campus im Rheintal

Campus im Rheintal: 2000 Arbeitsplätze bietet die Zentrale in Schaan FL, weltweit beschäftigt der Konzern knapp 30'000 Mitarbeiter.

PD
Hilti Campus im Rheintal

Campus im Rheintal: 2000 Arbeitsplätze bietet die Zentrale in Schaan FL, weltweit beschäftigt der Konzern knapp 30'000 Mitarbeiter.

PD

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Egomanen sind Gift

Billig ist dieses Vorgehen nicht. Mehr als 15  Millionen Franken jährlich kostet allein die Organisation, dazu kommt der Wegfall von zwei Arbeitstagen, den die Firma aushalten muss: Sie setzt durchaus ehrgeizige Performance-Ziele, und da gibt es schon mal Klagen der Vorgesetzten, dass die Mitarbeiter ausfallen. Doch verhandelbar ist das nicht.

Längst hat sich die Organisation dieser Camps eingespielt, die Weiterentwicklung speist sich vor allem aus eigenen Erfahrungen. Doch wenn es denn in Frühzeiten einen Orientierungspunkt gab, dann ist es das Buch «Good to Great», das im zweiten Team Camp prominent behandelt wurde.

Der Klassiker aus dem Jahre 2001 gilt noch immer als bestes Leadership-Buch in Management-Fragen. Der US-Autor Jim Collins untersuchte darin 2001 die erfolgreichsten Konzerne nach Aktionärsrendite – und identifizierte als entscheidendes Kriterium für «Greatness» die von oben vorgelebte Kultur: Die erfolgreichsten Chefs sind deutlich länger im Amt als der Branchenschnitt, kommen von innen – und vor allem: Sie sind Teamplayer. Egomanen an der Spitze sind Gift.

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In der Schweiz brachte Novartis-Chef Vas Narasimhan mit seinem «Unboss»-Ansatz diese Philosophie prominent auf die Agenda, für diese Richtung der «Servant Leadership» gibt es in Harvard sogar einen Lehrstuhl.

Hilti praktiziert sie schon seit zwei Jahrzehnten – allerdings ohne grosse Publicity. Man ist ja nicht an der Börse.

Wie stark der Teamgedanke verwurzelt ist, zeigt die Tatsache, dass die Personalentwicklung noch vor den Resultaten kommt. «Wir haben zwei Ziele für unsere Führungskräfte und dabei die Reihenfolge bewusst gewählt», betont der bisherige CEO Christoph Loos. «Erstens: Mitarbeiter entwickeln. Zweitens: Resultate erzielen.»

Hilti-Veteran Pius Baschera (rechts) geht, Marco Meyrat wird neuer Präsident.

Hilti-Veteran Pius Baschera (rechts) geht, Marco Meyrat wird neuer Präsident.

Joseph Khakshouri
Hilti-Veteran Pius Baschera (rechts) geht, Marco Meyrat wird neuer Präsident.

Hilti-Veteran Pius Baschera (rechts) geht, Marco Meyrat wird neuer Präsident.

Joseph Khakshouri

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Pools für Führungskräfte

Auf jeder Stufe gibt es sogenannte Pools für zukünftige Führungskräfte: Logistik, Finanzen, Regionen – und natürlich auch für die Konzernleitung. Jeder Verantwortliche muss aufzeigen, wie er diese Pools auffüllt. Einmal im Jahr findet auf allen Ebenen eine ausführliche Prüfung statt.

Der Verwaltungsrat spielt dabei eine zentrale Rolle. Die Sitzungen dauern zwei Tage, mindestens 25  Tage im Jahr sind die Mitglieder im Einsatz. Ein Tag pro Sitzung ist für ein Eintauchen in Spezialthemen reserviert, und oft treten die Anwärter der nächsten Generation auf, was ihre Visibilität ganz oben erhöht. Abgestimmt wird nie.

«In meinen ersten Jahren als VR-Mitglied haben wir drei Entscheidungen nicht einstimmig getroffen», erinnert sich Michael Hilti. «Im Nachhinein waren alle drei Entscheidungen falsch. Daraus haben wir und ich selbst gelernt.»

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Dabei zeigt er sich pragmatisch: Früher galt noch die Regel, dass mit 56 Jahren Schluss ist in der Konzernleitung, heute schaut man eher auf die Amtsdauer. Es gibt nur einen Ausschuss (Audit) – es sollen sich eben alle für alles verantwortlich fühlen.

«Jeder ist sich bewusst: Unsere Rollen sind ein Mandat auf Zeit» sagt Heinrich Fischer, seit 2017 VR-Präsident. «Wir tragen den Staffelstab und übergeben ihn.»

Und das machte auch den jetzigen Übergang so reibungslos – es ist eben alles von langer Hand geplant. Das zeigt sich exemplarisch am bisherigen CEO und künftigen VR-Präsidenten Christoph Loos, nach Baschera der zweite prägende externe Manager des Konzerns.

Fünf Gebote zum Erfolg

Der deutsch-schweizerische Doppelbürger stiess 2001 nach HSG-Studium und Boston Consulting Group zur Firma und fiel Michael Hilti durch seine zupackende, aber eben auch sehr teamorientierte Art auf. Er durchlief zentrale Stationen: Deutschland-Leiter, Finanzchef und schliesslich seit sieben Jahren CEO.

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Fünf Gebote definierte er zu Beginn seiner Amtszeit: Nähe zum Kunden, Nähe zum Mitarbeiter, keine Büropolitik, direktes Feedback, Spass. Seitdem fragt sich die Konzernleitung regelmässig: Leben wir das auch?

Ein bewährtes Instrument, lange vor Corona: «The Walk». Mit seinem Nachfolger Doongaji etwa verbrachte Loos manche Spaziergänge, die härter waren als Paartherapie.

Doch es gilt eben das Motto: Was ich von anderen verlange, muss ich auch von mir selbst einfordern. Loos liess sich auch voll auf Liechtenstein ein und zog nach Schaan.

Der Draht zu Michael Hilti ist eng, aber professionell. «Natürlich hat es Gewicht, was Michael Hilti sagt», betont Loos. «Aber zu sehen, dass wir das faktenbasiert diskutieren und dann gemeinsam auch zu einer anderen Entscheidung kommen können, ist sehr motivierend.»

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««Es geht nicht nur darum, was wir tun, sondern wie wir es tun.»»

Christoph Loos, CEO Hilti

CEO als VR-Präsident

Zwar widerspricht es gängiger Praxis, dass der CEO direkt auf den VR-Präsidentensessel wechselt. Doch dass sich sein Nachfolger aufgrund seines übermächtigen Vorgängers nicht entfalten kann, schliesst Loos aus: «Wenn man eine Kultur hat, in der es diesen dominanten CEO gar nicht gibt, sondern als Team zusammenarbeitet, ist diese Gefahr gering.»

Die Ausarbeitung der neuen Strategie liegt jetzt bei seinem Nachfolger Doongaji: Die Digitalisierung, die bisher schon bei ihm lag, muss er vorantreiben, genauso wie den Ausbau in Asien und Lateinamerika.

Die spezielle Kultur hat natürlich auch er längst verinnerlicht: «Es geht nicht nur darum, was wir tun, sondern wie wir es tun. Diese Kultur macht uns einmalig.»

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Doch die langfristige Wahrung des Hilti-Spirits obliegt jetzt vor allem dem neuem VR-Präsidenten, der zu Jahresbeginn 2023 mit gerade 54 Jahren antreten wird und 15 Jahre bleiben kann.

Mehrfach hat Loos in den letzten Jahren erlebt, wie Firmenchefs Hilti besuchten, um einen Einblick in die so spezielle Kultur zu erhalten, und dann mit dem festen Vorsatz den Hilti-Campus verliessen, dieses System auch bei sich zu installieren.

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Fast alle Fälle sind versandet. «Dieses System zu leben, bedeutet Schmerzen und harte Arbeit», betont Loos. «Man muss es wirklich wollen.»

Über die Autoren
Dirk Schütz

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