Guten Tag,
Tracking mit Bewegungsdaten von Mobiltelefonen wird nun auch zur Bekämpfung der Verbreitung des Coronavirus benutzt. Ein heikles Unterfangen.
Helmut Spudich
Ohne Standort keine Verbindung: Zu wissen, wo sich ein Handy befindet, gehört zur DNA des Mobilfunks.
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Wo waren Sie in den letzten Wochen, wen haben Sie alles getroffen? Den Weg der Corona-Infektionen nachzuzeichnen und potenziell Betroffene in Quarantäne zu schicken, ist das wichtigste Instrument von Epidemiologen, um die rasche Ausbreitung zu dämpfen.
Die Rekonstruktion aus dem Gedächtnis ist langwierig und höchst lückenhaft, darum haben Wissenschaftler des Berliner Robert-Koch-Instituts den Vorschlag gemacht, dass dieses Tracking mit Bewegungsdaten von Mobiltelefonen erfolgen soll.
Israel ist vor Kurzem gleich zum entschlossenen Handeln übergegangen und zeichnet diese Spur mit Handydaten nach. Von China lesen wir dies ebenfalls, Details unterliegen der autoritären Geheimnistuerei.
Das Smartphone ist der perfekte Spion in Ihrer Tasche, und niemand weiss das besser als militärische Geheimdienste, die diese Daten zur Verfolgung von Terrornetzwerken nutzen. Zu wissen, wo sich ein Handy befindet, gehört zur DNA des Mobilfunks: ohne Standort keine Verbindung.
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Helmut Spudich ist Ex-Kommunikationschef von T-Mobile Austria und Autor des eben erschienenen Buchs «Der Spion in meiner Tasche» (Edition A).
Mobilfunkbetreiber speichern diese Daten zur Rechnungslegung für drei bis sechs Monate, was für die Auswertung im aktuellen Krisenfall ausreichen würde. Jedoch wären Daten eines einzelnen Betreibers unvollständig — physische Kontakte gibt es nicht nur zwischen Menschen, die dasselbe Netz benutzen.
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Über dieses Know-how verfügen wenige Geheimdienste, Security-Anbieter im Halbdunkel des «Sicherheitskomplexes» und Firmen, die weltweiten Datenhandel für kommerzielle Zwecke betreiben. Es fehlt jedoch bei zivilen Agenturen, allen voran dem European Centre for Disease Prevention and Control, das derzeit gefordert ist.
Während in Europa die Speicherung von Bewegungsdaten ein heisses politisches Thema ist, tut Google dies vor aller Augen. Seit 2009 bietet der Onlinedienst Benutzern treuherzig den Blick auf ihre «Location History»: die metergenaue Zusammenfassung aller Orte, an denen man sich aufgehalten hat, wenn das Handy dabei war und die Ortungsdienste nicht deaktiviert waren, was die wenigsten Menschen tun.
All diese Daten landen in einem «Sensorvault» getauften System in Googles Rechnerfarmen, für immer gespeichert. Möglich macht dies die meist gedankenlos gegebene Zustimmung, das bei diversen Apps weggeklickte «O.k.».
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Dabei stimmen die Benutzer auch dem Weiterverkauf zu: Der Handel mit Location-Daten von fünf Milliarden Handys weltweit ist das lukrative Geschäft Dutzender Firmen, weitgehend im Verborgenen. Diese Daten könnten zur Eindämmung der Pandemie genutzt werden, vorausgesetzt, wir wären bereit, den Schutz unserer Privatsphäre vorübergehend aufzuheben.
Es wäre zweifellos ein schwerer Eingriff in Grundrechte – auf einer Stufe jedoch mit der Beschränkung demokratischer Grundrechte wie der Versammlungs-, der Bewegungs- oder der Erwerbsfreiheit.
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Zu diesem Schritt hat sich wie viele EU-Mitglieder auch Österreich entschieden: Warum dann auf ein weiteres Werkzeug zum Kampf gegen die Pandemie verzichten?
Leichtfertig und, wie in Israel, nur durch Regierungsbeschluss sollte dies nicht geschehen: Es braucht parlamentarische Mehrheiten, möglicherweise Volksentscheide, klare zeitliche Begrenzungen, Verbote der Verwertung von «Zufallsfunden» und ein strenges Monitoring durch Gerichte und Parlamente. Dann könnten auch Demokratien diesen vorübergehenden Eingriff in unsere Privatsphäre in schweren Krisen mittragen.
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