Guten Tag,
Unternehmen müssen immer komplexeren Regulierungen entsprechen. Technologie ist dabei ein Gamechanger.
Monica Fahmy
Exeon Analytics: Das Zürcher Cybersecurity-Unternehmen will Cyberangriffe mit Algorithmen stoppen. Nebst Schweizer Grossunternehmen setzt u.a. auch eine deutsche Bank auf die Firma.
Diese Illustrationen wurden u.a. vom KI-Modell Midjourney generiert und von Suse Heinz überprüft und finalisiert.
Suse Heinz / AI Artists für BILANZWerbung
RegTech-Firmen sind dabei, die Arbeit von Anwaltskanzleien und Juristen zu revolutionieren. Ihre Tools ermöglichen effizientere und kostengünstigere Arbeitsprozesse und stellen gleichzeitig sicher, dass komplexe Regulierungen eingehalten werden. «Das Aufkommen von KI-basierten Lösungen wird diese Angebote in den kommenden Jahren nochmals auf ein ganz anderes Level heben», sagt Tina Balzli, Partnerin bei der Anwaltskanzlei CMS von Erlach Partners und hierzulande Head of Fintech & Blockchain.
RegTech leitet sich von den Wörtern «Regulatory» und «Technology» ab und bedeutet die Nutzung von Technologie zur Verbesserung der Einhaltung von regulatorischen Vorgaben. «RegTech ist kein kurzfristiger Trend, sondern eine langfristige Entwicklung, welche die Art und Weise, wie Unternehmen mit Regulierungen umgehen, nachhaltig verändern wird», sagt Tina Balzli. Eine Entwicklung, die es Unternehmen ermöglicht, komplexe Vorschriften effizienter zu erfüllen und Compliance-Prozesse zu optimieren.
In streng regulierten Sektoren wie der Finanzdienstleistungsbranche ist das besonders wichtig. RegTech hat viele Vorteile, etwa die Automatisierung, die Risikominderung und damit verbundene Kosteneinsparungen sowie eine verbesserte Transparenz. Angesichts sich ständig ändernder und komplexer werdender Vorschriften wird die Bedeutung von RegTech weiter zunehmen, ist sich Balzli sicher.
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In der Schweiz sind einige Firmen tätig, die den hiesigen RegTech-Markt revolutionieren könnten. Apiax ist eine davon. Da die Digitalisierung unaufhaltsam fortschreite und digitalisierte Businessprozesse nicht im rechtsfreien Raum stünden, benötige jedes Digitalisierungsprojekt auch eine RegTech-Komponente, sagt Philip Schoch, CEO und Co-Founder von Apiax. Die Firma mit Büros in London und Lissabon ist eines von drei Schweizer Start-ups, die 2022 den WealthBriefing Swiss Award der Vermögensverwaltungsbranche erhielten. 2019 hatte Apiax bereits den Swiss Fintech Award gewonnen.
Universalbanken und Privatbanken zählen zu den Kunden des Unternehmens. Es bietet ihnen eine Lösung, um regulatorische Anforderungen für mehr als 150 Länder über eine einfache Schnittstelle (API) abzufragen und in bankinterne Prozesse zu integrieren, die sogenannte Embedded Compliance.
Konkret liefert eine App den Kunden die Dos und Don’ts zu regulatorischen Fragen in den Bereichen Wealth Management, Investment Banking und Retail Banking, oder sie können sich mit einem Chatbot über die Erbringung von grenzüberschreitenden Bankdienstleistungen oder interne Richtlinien unterhalten. Als Grundlage stehen dem Chatbot dazu die aktuellen verifizierten Richtlinien oder regulatorische Unterlagen zur Verfügung. «RegTech ist bereits am Ende des Hype-Zyklus angekommen», so Apiax-Chef Schoch auf die Frage, ob es sich nicht bloss um eine überbewertete Modeerscheinung handle. «Unternehmen, die jetzt noch in diesem Markt sind, schaffen einen eindeutigen Mehrwert für die Lösung konkreter Probleme.»
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Es schadet dabei nicht, wenn man out of the box denken kann. Die Firma Rockon Digital Evolution in Zürich bietet unter anderem digitales Kunden-Onboarding und digitale Transaktionslösungen an. Sie verspricht eine schnelle und effektive Identitätsüberprüfung mit automatisierten Hintergrundkontrollen, etwa KYC-Abfragen (Know Your Customer), Kreditabfragen und Adresskontrollen.
Rockon Digital Evolution: Die Leidenschaft für spezielle Motorräder und ein paar Jahre Bankerfahrung standen am Anfang der digitalen Lösung zur effizienten Identifikationsüberprüfung.
Diese Illustrationen wurden u.a. vom KI-Modell Midjourney generiert und von Suse Heinz überprüft und finalisiert.
Suse Heinz / AI Artists für BILANZRockon Digital Evolution: Die Leidenschaft für spezielle Motorräder und ein paar Jahre Bankerfahrung standen am Anfang der digitalen Lösung zur effizienten Identifikationsüberprüfung.
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Suse Heinz / AI Artists für BILANZWie es dazu kam? Die Gründer der Firma brachten etliche Jahre an Bankerfahrung und ihre Leidenschaften mit: «Custom-built» Motorräder und Live-Konzerte. Daraus entstand die Idee, Verkäufern und Käufern exklusiver Motorräder, die sich nicht persönlich kennen, über Live-Streaming-Technologie und eine sichere Zahlungslösung weltweit Transaktionen zu ermöglichen. Mit der Zeit kam das Know-how zur notwendigen Personenidentifikation und -verifikation sowie zu elektronischen Signaturen hinzu. Die Lösung erfüllt heute die Anforderungen der Schweizer Finanzaufsicht Finma. Rockon Digital Evolution ist nun ein Finanzintermediär und Mitglied im Verein zur Qualitätssicherung von Finanzdienstleistungen.
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Eine weitere RegTech-Lösung für Banken, Finanzinstitute, Anwaltskanzleien und Beratungsunternehmen bietet das in Genf ansässige Unternehmen EasyReg an. Die Firma liefert ein Tool, das ihre Kunden bei der Implementierung des regulatorischen Rahmens bis hin zum Alltag in Compliance und Risikomanagement unterstützt. Nach Eingabe von Begriffen in einer Suchmaske liefert EasyReg die aktuellen Gesetze und Regeln und deren Kontext. Zusätzlich ist die Historie der Regulierung erhältlich. Finanzintermediäre und Wirtschaftsprüfer verlieren dank der einfachen Suche den Überblick im Dickicht der sich ständig ändernden nationalen und internationalen Finanzmarktregulierungen nicht.
Mehrfach ausgezeichnet für ihre Lösungen für die komplexen ESG-Regulierungen der eu wurde die in Herrliberg ansässige Dydon AI. Im September 2022 wurde das Unternehmen am von den Universitäten Stanford und Zürich organisierten Global Sustainable Digital Finance Forum in Zürich prämiert. Im Oktober 2022 erhielt es dann bei den esg Insight Awards einen Preis für die Datenlösung zur Anwendung der neuen EU-Taxonomie, eines EU-weiten Klassifizierungssystems, das im Zusammenhang mit dem Europäischen Green Deal definiert, welche wirtschaftlichen Aktivitäten ökologisch nachhaltig sind. Ziel der Taxonomie ist es, Greenwashing zu verhindern. Das KI-basierte Taxo Tool von Dydon AI unterstützt Finanzinstitute und Unternehmen dabei, die seit 2023 gültige Taxonomieverordnung einzuhalten und die europäischen Klimaziele zu erfüllen.
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Dydon AI: Die Herrliberger Firma wurde mehrfach ausgezeichnet für ihr Tool, das Unternehmen hilft, die EU-Klimaziele einzuhalten.
Diese Illustrationen wurden u.a. vom KI-Modell Midjourney generiert und von Suse Heinz überprüft und finalisiert.
Suse Heinz / AI Artists für BILANZDydon AI: Die Herrliberger Firma wurde mehrfach ausgezeichnet für ihr Tool, das Unternehmen hilft, die EU-Klimaziele einzuhalten.
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Suse Heinz / AI Artists für BILANZRegTech-Tools sind begehrt, sie helfen, repetitive Aufgaben zu automatisieren, sind effizient und sparen den Anwendern viel Zeit und Kosten. Je nach Ausgestaltung bieten RegTech-Lösungen eine Echtzeitüberwachung, was eine möglichst frühzeitige Erkennung von potenziellen Verstössen und deren Behebung ermöglicht. RegTech-Lösungen können schnell an neue regulatorische Anforderungen angepasst werden, «was entscheidend ist in sich schnell ändernden Branchen», so Balzli. Und dank den umfangreichen Datenanalysen, die mit RegTech-Tools möglich sind, werden Trends frühzeitig erkannt, was Kunden zu fundierten Entscheidungen verhilft.
Beim «Wunderkind» RegTech existieren natürlich auch Grenzen und Herausforderungen, insbesondere bei sehr komplexen Regulierungen, dem Datenschutz und der Datensicherheit sowie den Entwicklungs- und Implementierungskosten. Es gibt juristische Bedenken, wie etwa Haftungsfragen bei Fehlern oder Verstössen. «Die Verantwortlichkeit zwischen Unternehmen, Anbietern und anderen Parteien wird geklärt werden müssen», sagt Tina Balzli. Der Zugriff auf sensible Unternehmensdaten in RegTech erfordere strenge Sicherheitsvorkehrungen, um Datenschutzgesetze einzuhalten und die notwendige Vertraulichkeit zu wahren. Zudem birgt die Verwendung von algorithmischen Systemen das Risiko von Verzerrungen und Diskriminierung. Ohne menschliches Urteilsvermögen und Fachwissen können komplexe rechtliche Fragen nach wie vor nicht beantwortet werden. RegTech wird rechtlichen und ethischen Standards entsprechen müssen, um Vertrauen in die Technologie zu schaffen und rechtliche Risiken zu minimieren, so Balzli: «Trotz dieser Herausforderungen wird erwartet, dass RegTech weiterhin zunehmen wird, da Unternehmen bestrebt sind, Compliance effizienter zu gestalten und regulatorische Risiken zu minimieren.»
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Auch die Bankiervereinigung setzt auf RegTech. RegTech-Lösungen ermöglichen eine effiziente und wirksame Umsetzung von Regulierungsvorgaben und leisten «einen wesentlichen Beitrag zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Finanzplatzes». So lautet die offizielle Position der Schweizerischen Bankiervereinigung auf ihrer Website.
Eine weitere Firma, die diesbezüglich für Schlagzeilen sorgte, ist Cow Level. Ihre Gründer haben die FiPME entwickelt, die «First international Play Money Exchange», eine Onlinebörse für Gamer. In der digitalen Spielwelt werden nämlich Gegenstände, die ein Gamer so braucht, um erfolgreich von einem Level zum nächsten zu gelangen, getauscht. Laut Cow Level wechseln jede Minute In-Game-Items im Wert von 200'000 Euro die Hand. Die meisten Tauschbörsen sind jedoch wenig reguliert und nicht immer seriös. Im Dezember ging nun FiPME als in der Schweiz regulierter Marktplatz für Computerspiel-Items an den Markt. Dies in einer Zeit, da die EU-Regulierungsbehörden die Spielindustrie genauer beobachten. Ziel der Firma ist die Schaffung einer sicheren Plattform, auf der virtuelle Güter mit dem Vertrauen und der Sicherheit einer Börse gehandelt werden können. Derzeit scheint Cow Level auf Kurs zu sein. Als Mitglied der Selbstregulierungsorganisation PolyReg wird Cow Level gemäss den Vorgaben der Finma überwacht.
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Cow Level: Mit ihrer regulierten Onlinebörse verspricht die Firma Gamern einen sicheren Tauschplatz für Game-Items. Sie wird nach den Vorgaben der Finma überwacht.
Diese Illustrationen wurden u.a. vom KI-Modell Midjourney generiert und von Suse Heinz überprüft und finalisiert.
Suse Heinz / AI Artists für BILANZCow Level: Mit ihrer regulierten Onlinebörse verspricht die Firma Gamern einen sicheren Tauschplatz für Game-Items. Sie wird nach den Vorgaben der Finma überwacht.
Diese Illustrationen wurden u.a. vom KI-Modell Midjourney generiert und von Suse Heinz überprüft und finalisiert.
Suse Heinz / AI Artists für BILANZMit ihrem KI-basierten Case Analysis Tool trug die Firma Herlock Insights in Zürich dazu bei, den Raiffeisen-Prozess in die nächste Runde zu schicken. Im Februar 2024 hob das Zürcher Obergericht das Urteil der Vorinstanz wegen schwerwiegender Verfahrensfehler auf. Die Verteidigung hatte bei der Durchsicht und Analyse der Datenmengen auf die KI-basierte Lösung Herlock gesetzt.
Im Tool konnten riesige Datenmengen erfasst, gelesen, geordnet und gezielt durchsucht werden. Die Lösung bereitet Daten auf, setzt sie in Zusammenhang und reduziert die Wahrscheinlichkeit, dass wichtige Informationen übersehen werden. Im Raiffeisen-Prozess offenbar mit Erfolg. «Mit Herlock konnten entscheidende Dokumente blitzschnell identifiziert und staatsanwaltschaftliche oder gerichtliche Hypothesen bestätigt oder entkräftet werden», wird einer der Anwälte auf der Homepage von Herlock zitiert. Ohne derartige Technologie wäre eine effiziente Aufarbeitung undenkbar gewesen.
Cyberangriffe mit Algorithmen stoppen will das Zürcher Cybersecurity-Unternehmen Exeon Analytics, das auf die automatische Überwachung von IT-Netzwerken und -Infrastrukturen spezialisiert ist. Und zwar bevor kritische Daten abhandenkommen. Die Grundlage des Start-ups wurde durch die Forschung von David Gugelmann am Zurich Information Security and Privacy Center (ZISC) der ETH Zürich gelegt. «Exeo heisst auf Lateinisch weggehen, verlassen», sagte Gugelmann 2020 gegenüber bilanz. «Exeon analysiert genau dies: Datenströme, welche die Firmennetzwerke unserer Kunden verlassen.»
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Bei einem ungewöhnlichen Muster im Datenverkehr alarmiert das System das betroffene Unternehmen. Für diese Lösung gebe es ein klares Marktbedürfnis, denn gerade in Grossfirmen werde gezielt Malware eingeschleust zur Erpressung, so Stefan Kuentz, Investment Partner bei Swisscom Ventures, 2020 zu BILANZ. «Viele Konzerne erkennen das Problem zu spät – wenn man die Gefahr früh auf Knopfdruck sichtbar machen kann, ist das eine grosse Value Proposition.» Zugleich setzen Grossfirmen bei sensiblen Themen auf die Lösungen gestandener Firmen. Exeon müsse also schnell wachsen, internationale Kunden gewinnen und sich einen Namen machen. Das scheint der Firma zu gelingen. Sie konnte unter anderen Postfinance, Swiss und den Logistiker Planzer als Kunden gewinnen. Hinzu kamen 2023 eine grosse deutsche Bank sowie erste Kunden in Luxemburg und Liechtenstein.
Ein alter Hase im Geschäft ist Procivis. Das einstige RegTech-Start-up ist seit 2021 im Mehrheitsbesitz von Orell Füssli. Mit dem Kanton Schaffhausen realisierte die Firma 2018 die erste kantonale digitale Identitätskarte (E-ID) der Schweiz. «Diese Lösung ist seither erfolgreich im Einsatz und wird laufend mit neuen Funktionen erweitert», heisst es beim Blockchain Center der Universität Zürich, zu deren Partnern Procivis gehört. Zu den Kunden zählen mittlerweile Verwaltungen aus der ganzen Schweiz. Der Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen werde in Zukunft primär über das Mobiltelefon erfolgen, so die Firma. Man habe deshalb konsequent einen Mobile-First-Ansatz verfolgt. Datensicherheit und -hoheit werden dabei grossgeschrieben. Dazu orientiere man sich an den Kernprinzipien der Blockchain-Technologie wie dezentrale Datenspeicherung und Selbstkontrolle über persönliche Daten. Die Stadt Zug lancierte 2020 mit eZug eine Smart-City-Plattform mit der Technologie von Procivis und machte nach eigenen Angaben bereits gute Erfahrungen damit.
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Etliche Schweizer Firmen mischen im RegTech-Markt mit, von denen noch einige weitere das Potenzial haben, den Markt zu revolutionieren. Wie dynamisch der Markt ist, zeigt die Tatsache, dass Swisscom quartalsweise zusammen mit E-Foresight eine Marktübersicht der Schweizer RegTech-Start-ups erstellt, samt einer Kategorisierung nach Handlungsfeldern. Die Übersicht ist Swisscom-Mitarbeitern und -Partnern vorbehalten.
In den nächsten fünf Jahren werde RegTech wohl weiterhin rasant wachsen, ist Tina Balzli überzeugt. Dabei dürften sich folgende Trends manifestieren: RegTech werde voraussichtlich in verschiedene Branchen ausserhalb des Finanzwesens expandieren, da die Notwendigkeit der Einhaltung von Vorschriften branchenübergreifend bestehe. ki und maschinelles Lernen würden eine grössere Rolle spielen, wodurch RegTech-Plattformen präzisere Einblicke bieten und komplexe Compliance-Aufgaben effizienter automatisieren könnten. Die Nutzung der Blockchain zur Verbesserung der Compliance, insbesondere im Finanzwesen, werde wahrscheinlich zunehmen, da sie Transaktionen transparent und unveränderlich protokolliert.
Es werde zu verstärkten Partnerschaften und möglicherweise zur Konsolidierung in der RegTech-Branche kommen, um umfassendere Lösungen anzubieten, so Balzli. Und: «Regulierungsbehörden werden voraussichtlich auch enger mit RegTech-Anbietern zusammenarbeiten müssen, um technologisch up to date zu bleiben.»
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