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Die Profis an der Front verdienen mehr Aufmerksamkeit. BILANZ befragte 205 Experten, welche guten Geister in Schweizer Hotels zu den Besten gehören.
Claus Schweitzer
Stefan Beer, Executive Chef im Victoria-Jungfrau seit 2016, ist einer der wenigen echten Meister seines Fachs, der jeder kulinarischen Aufgabe gewachsen ist und die Gastronomie im riesigen Hotel einem kontinuierlichen Optimierungsprozess unterzieht.
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Viele Menschen, die in der Hotellerie arbeiten oder einen Bezug zu Hotels haben, lieben den Film «Grand Budapest Hotel» des amerikanischen Regisseurs Wes Anderson. In einer entscheidenden Szene müssen der in Not geratene Concierge Gustave und dessen Lehrling Zéro die Hilfe der geheimen «Gesellschaft der gekreuzten Schlüssel» in Anspruch nehmen. Die Szene ist ein Sinnbild für das Zusammenspiel verschiedener Akteure im Hotel. Verfolgt von mörderischen Schergen, führt Gustave von einer einsamen Telefonzelle im Nirgendwo aus ein dringliches Gespräch mit Monsieur Ivan im «Excelsior Palace». Monsieur Ivan ruft augenblicklich Monsieur Georges im «Château Luxe» an, dieser wendet sich eilends an Signore Dino im «Palazzo Principessa», der danach postwendend mit Monsieur Robin im «Hôtel Côte du Cap» telefoniert, und Monsieur Robin spricht sogleich mit Mister Martin im «Ritz Imperial». Mit vereinter Kraft bringt die «Gesellschaft der gekreuzten Schlüssel» den Aufenthaltsort des vor Ort befindlichen Butlers Serge in Erfahrung, und dieser sorgt alsbald dafür, dass Gustave und Zéro in Sicherheit gebracht werden.
Die Art, wie sich die Concierges im Film scheinbar schwerelos untereinander verbinden und durch ihren Zusammenhalt etwas bewirken und bewegen, ist ähnlich wie bei einem wundersam zusammenwirkenden Hotelteam. Sobald ein natürlicher Flow aufkommt und alle Mitarbeitenden mit Lust und Laune an einem Strang ziehen, entstehen grandiose Momente, die für strahlende Augen vor und hinter den Kulissen sorgen. Gute Hoteliers zeigen insbesondere den jungen Leuten auf, dass es im Gastgewerbe nicht nur ums Bedienen und Servieren geht, sondern dass der Job Teil von etwas Grösserem sein kann und ein harmonisch kooperierendes Team den entscheidenden Unterschied ausmacht – sowohl für die Gäste als auch für jedes einzelne Teammitglied.
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Hotelier des Jahres 2022
Markus Granelli, The Dolder Grand, Zürich
Statt über den Personalmangel zu klagen, gelingt es Markus Granelli, eine coole Atmosphäre im Team zu schaffen und für zeitgemässe Anstellungsbedingungen zu sorgen, die den Bedürfnissen und Wertvorstellungen der Generationen Y und Z gerecht werden. Dazu gehört der ausgeprägte Wunsch der jungen Mitarbeitenden nach einer stimmigen Work-Life-Balance, nach einer wertschätzenden Führung auf Augenhöhe und nach mehr Gestaltungsspielraum. Die Vertreter der vielverspotteten «Generation Weichei» wollen zu Recht mehr als Befehlsempfänger sein, sind dafür aber auch bereit, sich mit allem, was sie haben, einzubringen – sofern ihnen der Sinn ihrer Arbeit vermittelt wird und sie sich ernst genommen und in die betrieblichen Entscheide eingebunden fühlen. «Wichtig ist vor allem, dass das ganze Team an einem Strang zieht und jeder einzelne Mitarbeitende involviert ist», sagt Markus Granelli. Immer präsent, aber nie im Mittelpunkt, im Blick die Details genauso wie das grosse Ganze, lebt der schweizerisch-schwedische Doppelbürger seinem 420-köpfigen Team und den Gästen vor allen Dingen zwanglos fürsorgliche Gastfreundschaft und erst in zweiter Linie Hotelmanagement vor. Er selbst kam vor dreizehn Jahren als F&B Manager ins Haus, wurde 2013 Resident Manager unter Marc Jacob und übernahm dessen Rolle als General Manager im Januar 2021. Das schon länger kultivierte «employee branding» hat Granelli noch verstärkt, und beispielgebend gelingt ihm die Gratwanderung, den Business-Reisenden maximal effiziente Hotelabläufe zu gewährleisten und den proportional wachsenden Leisure-Gästen sowohl einen herzlichen Empfang als auch ein möglichst einzigartiges Zürich-Erlebnis zu bieten.
Concierge des Jahres 2022
Benjamin Blatter, The Alpina Gstaad
Früher empfahl der Concierge dem Gast die besonderen Adressen in der Region und reservierte dort. Heute ist der Gast durch Social Media schon vorab bestens über das Angebot vor Ort informiert. Der moderne Reisende ist bereits Experte. Da kann der Concierge nur mit persönlichem lokalem Insiderwissen, einem sorgsam gepflegten, weitverzweigten Kontaktnetz und guter Menschenkenntnis punkten. Die Persönlichkeit und das momentane Befinden jedes Hotelgasts rasch einzuschätzen und somit mehr als Google zu können, weil anstelle eines Algorithmus ein Menschenversteher mit Herz und Empathie agiert, ist das A und O des Berufs. Der diskret elegante, von einer positiven Neugier geleitete Benjamin Blatter kennt die Gesetze des menschlichen Handelns und weiss intuitiv, was für jeden einzelnen Gast relevant ist, egal welcher Kultur dieser entstammt. Vor allem ist ihm sehr bewusst, wer sich mit Hilfe und guten Ratschlägen schnell bevormundet fühlt, und wer viel Zuwendung und Unterstützung wünscht. Blatter ist ein heimlicher Star im Alpina Gstaad: bei Stammgästen, die er seit der Eröffnung des Hotels vor zehn Jahren kennt – und genauso bei neuen Gästen, die er mit seiner zuvorkommenden Freundlichkeit rasch für sich gewinnt.
Empfangschefin des Jahres 2022
Katharina Büscher, Kulm Hotel St. Moritz
In Grandhotels mit internationaler Klientel sind die Erwartungen der Gäste heute derart unterschiedlich, dass es einer gewissen Virtuosität bedarf, auf dieser breit gefächerten Klaviatur der Umgangsweisen zu bestehen. Katharina Büscher kann sich perfekt auf die «Kulm»-Gäste mit unterschiedlichsten kulturellen und charakterlichen Hintergründen einstellen und merkt sofort, wie jede und jeder Einzelne gerade drauf ist. Der Drahtseilakt aus effizient erbrachter Dienstleistung und menschlicher Wärme gelingt der allseits geschätzten, seit 2017 im «Kulm» arbeitenden Front-Office-Verantwortlichen vorbildlich, zudem hat sie die Gabe, in heiklen Situationen gekonnt zu improvisieren und auch bei Vollbesetzung weder Übersicht noch Fassung zu verlieren. Bei der jungen Deutschen, die schon als Kind von der Hotellerie fasziniert war und sich auf einstmaligen Reisen mit ihren Eltern fragte, wie das wohl alles so läuft hinter den Hotelkulissen, ist man in guten, ja in besten Händen.
Hotelkoch des Jahres 2022
Stefan Beer, Victoria-Jungfrau, Interlaken
Es gibt viele Küchenchefs, die im intimen Rahmen eines Gourmetrestaurants ausgezeichnet kochen können. Schwieriger wird es, wenn es darum geht, neben dem Fine Dining über weitere Restaurants im Haus zu wachen und darüber hinaus auch anspruchsvolle Bankette und das Room-Service-Angebot für eine global breitgefächerte Gästeschaft im Griff zu haben. Stefan Beer, Executive Chef im Victoria-Jungfrau seit 2016, ist einer der wenigen echten Meister seines Fachs, der jeder kulinarischen Aufgabe gewachsen ist und die Gastronomie im riesigen Hotel einem kontinuierlichen Optimierungsprozess unterzieht. Jüngst mutierte er das einstige Feinschmecker-Restaurant «La Terrasse» zu einer Brasserie. Das etablierte, drei- bis sechsgängige «Menü vo hie» wird ab diesem Herbst im neu geschaffenen Lokal «Radius by Stefan Beer» zu geniessen sein. Es ist ganz der Regionalität verschrieben und beschränkt sich auf hochwertige Zutaten aus dem Umkreis von 50 Kilometern – wahlweise auch in veganer Variante. Ein sorgfältig ausgewähltes Netzwerk von heimischen Bauern, Fischern, Jägern, Käsern und Produzenten trägt die Philosophie von Beer mit. Neben der Wertschätzung für die Produkte ist es vor allem die Reduktion auf das Wesentliche, die seine Gerichte prägen. «Je länger ich koche, desto mehr lasse ich weg», sagt der umgängliche Berner Oberländer.
Restaurantleiter des Jahres 2022
Octavio Juarez Rodriguez, Fairmont Le Montreux Palace
Das unprätentiös elegante Belle-Epoque-Hotel ist im roten Führer des französischen Pneufabrikanten als «Perle der Waadtländer Riviera» mit der Maximalbenotung (fünf rote Häuschen) aufgeführt. Dabei geht es dem «Montreux Palace» nicht vorrangig um unerbittliche Spitzenleistungen, sondern vielmehr darum, den Gästen auf gepflegt entspannte Art ein Wohlgefühl zu vermitteln. In den Hotelrestaurants, die als gesellschaftliche Drehscheibe eine zentrale Rolle im Leben der Region spielen, holt die Küchencrew zwar das Beste aus den Produkten heraus, doch kommt es Octavio Juarez Rodriguez vor allem darauf an, dass sich jeder Gast von der ersten Minute an hochwillkommen fühlt. Seine Devise: Wie das Essen genau war, mag mancher wieder vergessen. In Erinnerung bleibt, dass man herzlich empfangen wurde und für die Dauer eines vergnüglichen Mittag- oder Abendessens im «Montreux Jazz Café» oder auf der «Terrasse du Petit Palais» aufmerksam umsorgt wurde. Der gebürtige Spanier ist einer jener Gastgeber, die unmittelbar eine Atmosphäre schaffen, in der sich die unterschiedlichsten Menschen wohlfühlen. Seit nunmehr fünfzehn Jahren im Hotel, spielt er den Gästen keine verkrampft machohafte Rolle vor, wie es so viele Maîtres in Luxusherbergen tun. Anstelle dessen begegnet er den Habitués genauso unaufgeregt zuvorkommend wie den Erstkunden, nimmt auch die leisen Töne wahr, motiviert sein Serviceteam auf sanfte Art. «Freundlichkeit und Empathie sind wichtiger als Fachwissen», sagt er über seine vorwiegend jungen Mitarbeitenden. «Wir müssen spüren, was die Gäste möchten und ihnen einen schönen Moment bereiten, der sie lächeln lässt.»
Sommelière des Jahres 2022
Angelika Grundler, Baur au Lac, Zürich
Thomas Vaterlaus, Chefredaktor des Weinmagazins Vinum, wurde unlängst von einem Fachkollegen gefragt, was er von einem Sommelier idealerweise erwarte. Antwort: «Dass er meine bevorzugte Weinstilistik erkennt, aber dann doch nicht das empfiehlt, was ich vermute.» Ein hoher Anspruch, dem nur wenige Sommeliers entsprechen können, doch Angelika Grundler schon. Und dies erst noch ohne das gekünstelte Getue und das Geltungsbedürfnis, das so manchen ihrer Zunft anhaftet. Die junge deutsche Sommelière, die seit drei Jahren unter der Obhut von Restaurantleiter Aurélien Blanc und Chefsommelier Marc Almert über rund 600 verschiedene Etiketten (darunter einige Sake-Raritäten aus Japan) wacht, vereint die individuellen Vorlieben der Gäste mit treffenden Vorschlägen zur komplexen Küche im Gourmetlokal «Pavillon» und wählt die erklärenden Worte so, dass sie sowohl dem Wein angemessen wie auch dem Nicht-Experten leicht verständlich sind. Auf eines ist Verlass – es landet stets das Passende im Glas.
Bar-Managerin des Jahres 2022
Marie Gerber, The Chedi Andermatt
«Eine herzliche Geste, ein paar nette Worte sind wichtiger als der beste Drink», ist Marie Gerber überzeugt. Die dreissigjährige Herrin über 500 Spirituosen und hundert verschiedenen Sake-Sorten ist genauso wettbewerbserfahren (und von diversen Branchen-Awards ausgezeichnet) wie gastorientiert. Denn die Leitung einer Luxushotelbar hat komplett andere Anforderungen als die Arbeit in einem urbanen Szeneschuppen. Der Service-Gedanke und das Qualitätsbewusstsein stehen sehr viel mehr im Vordergrund als das kreative Mixen, darüber hinaus liegen administrative Aufgaben, Schulungen und Events sowie die Bewirtung der grossen Lobby-Lounge und der Cigar Library mit 900 verschiedenen Zigarren in ihrer Obhut. Cool, unerschrocken und mit brennender Passion für Spirits und Hospitality, tritt Marie Gerber bereits im sechsten «Chedi»-Jahr auch schwierigen Gästen souverän gegenüber und macht jeden Drink oder Cocktail zu einem besonderen Erlebnis.
Housekeeper des Jahres 2022
Renata Oliveira, Eden Roc, Ascona
An einem Spitzentag mit vielen neuen Arrivées muss Renata Oliveira ein paar Dutzend Zimmer kontrollieren und die guten Geister auf den Etagen darin unterstützen, dass jedes Zimmer beim Betreten so aussieht, als wäre man der erste Gast. Das Ergebnis ihres wachsamen Auges und ihrer ausbalancierenden Art lässt sich sehen: Gründlicher gepflegte Zimmer und Bäder, frischere Wäsche und schöner arrangierte Blumen gibt es kaum. Ihrem Housekeeping-Team lebt Signora Oliveira mit unablässiger Hartnäckigkeit vor, dass es auf die Details ankommt: Sollten dem Gast in Zimmer 250 ein paar weitere Aprikosen gebracht werden? Wurden die Flecken im Flur des dritten Stocks entfernt? Hat Herr Durand den gewünschten Zusatztisch erhalten? Ist der Techniker darüber informiert, dass eine Deckenleuchte im Fitnessraum nicht brennt? Übrigens: Dass in Hotels die Mitarbeitenden oft die besseren Manieren haben als die Gäste, zeigt sich etwa darin, wie die Zimmer hinterlassen werden.
Health & Spa Manager des Jahres 2022
Hans-Peter Veit, Grand Resort Bad Ragaz
«Körperliche und geistige Gesundheit ist das Statussymbol der Neuzeit», sagt Hans-Peter Veit. «Der Weg zu einem dauerhaft gesunden Lebensstil muss jedoch einfach sein und Spass machen – sonst geht die Motivation auf halber Strecke verloren.» Der Health & Spa Manager in der Ostschweizer Gesundheitsbastion räumt ein, dass es auch in Bad Ragaz eine gewisse Anstrengung brauche, doch versuche er mit seinem Team, das Ganze ein bisschen weniger mühsam zu machen. Hierfür hat er die drei- bis siebentägigen, auf individuelle Ziele ausgerichteten «NewYou»-Retreats mitentwickelt. Diese versprechen eine wahre Transformation für Menschen, deren Fluss des Lebens durch zu viel Stress, zu wenig Schlaf, ungesunde Ernährung oder Bewegungsmangel ins Stocken geraten ist. Unterstützt von zwanzig Ärzten und vierzig Spa-Therapeuten vor Ort, fokussieren die smarten Programme und Coachings darauf, wie sich neue Verhaltensmuster im Alltag integrieren lassen und so das ganzheitliche Gleichgewicht nachhaltig wiederhergestellt werden kann. Hans-Peter Veit führt die Unternehmensbereiche Wellbeing und Medizin mit Lust und Leichtigkeit zusammen – und hat darüber hinaus eine entspannte Distanz zum ganzen Präventions-Hype: «Du lebst nicht länger, aber du stirbst gesünder.»
Portier des Jahres 2022
Albert Toco, Grand Hôtel du Lac, Vevey
Der Portier mag manchem Betrachter nicht wichtig genug erscheinen, um in einem Atemzug mit den anderen Teammitgliedern im Hotel genannt zu werden. Tatsächlich ist der Portier aber die Person, mit welcher der Gast den ersten und den letzten Kontakt während seines Aufenthalts hat – zwei essenzielle Momente jeder Hotelerfahrung. Der Portier – auch Doorman genannt und meist zugleich als Voiturier (Wagenmeister) tätig – kann nach einer anstrengenden Anreise die Stimmung nach oben hieven oder nach einer missglückten Hotelerfahrung retten, was noch zu retten ist. Hoteliers, investiert in eure Portiers! Besser ist das Personalbudget kaum anzulegen. Und nehmt bitte Albert Toco vom Grand Hôtel du Lac als Vorbild! Der stets gut gelaunte, vom ganzen Team geschätzte Zentralafrikaner wird von der BILANZ stellvertretend für all die Mitarbeitenden ausgezeichnet, die sonst nicht im Rampenlicht renommierter Hotels stehen. Seit fünf Jahren im «Du Lac» an der Front, kümmert sich Albert mit Hingabe und entwaffnender Herzlichkeit um die an- und abreisenden Gäste sowie deren Gepäck und Auto, hat für jeden ein nettes Wort oder gegebenenfalls einen Regenschirm parat und interpretiert den Beruf des Portiers und Voituriers auf seine ganz eigene authentische Art, doch immer mit der Überzeugung: «You never get a second chance to make a good first impression.»
Hotelunternehmer des Jahres 2022
Anne-Rose und Thomas Walther, Hotel Walther, Pontresina
Ein Fünftel der 50 besten Schweizer Ferienhotels sind inhabergeführt, immerhin. Fast alle liegen in den Bergen, und allen gemeinsam ist die überschaubare Grösse, die lokale Identität, die authentische Gastlichkeit. Es sind Orte voller Seele. Im Hotel Walther lebt sie nicht nur in der Besitzerfamilie, welche die 115-jährigen Mauern und die Gäste auf warmherzige Art beflügelt, sondern auch im Team, für das Dienstleistung weniger Beruf als Berufung ist und irgendwie eine erfüllende Angelegenheit zu sein scheint. «Wir lieben und schätzen unser Haus, deshalb arbeiten wir unermüdlich daran», sagt Thomas Walther. Mit Haus meint er sein Zuhause, seinen Arbeitsort und das Gebäude zugleich. Zusammen mit seiner Frau Anne-Rose hat er das Hotel vor 25 Jahren in dritter Generation übernommen. «Unsere Grundhaltung ist seither dieselbe geblieben – die ehrliche Begegnung mit den Gästen steht im Mittelpunkt.» Das würden so ähnlich alle Hoteliers behaupten. Aber die Walthers halten den Zauber des familiären Grandhotels mit einer Hingabe und Ausdauer am Glimmen, die leidgeprüfte Viel-und-Gerne-Reisende beeindruckt und berührt. Alles ist bis ins Detail mit Liebe gemacht, zum Teil auch mit grossen Investitionen, die dank einigen sehr erfolgreichen Jahren mit den erwirtschafteten Mitteln getätigt werden konnten, zuletzt mit dem komplett neugestalteten Erdgeschoss in zeitgemäss sinnenfroher Ästhetik. Es war ein mutiger Entscheid, auf eine talentierte, doch hotelmässig zunächst noch wenig erfahrene Interior-Designerin zu setzen statt auf ein etabliertes Architekturbüro. Und der Mut zur Innovation zahlte sich aus. Selbst die loyale Stammkundschaft fühlte sich abgeholt. Weil der Charme des Alpenhotels erhalten blieb, der gerade auch darin besteht, dass nicht alles perfekt und überkandidelt ist, sondern jeder Gast und jeder Mitarbeitende einfach sich selbst sein kann. All dies scheint zumindest ein Teil des Geheimrezepts zu sein, das die Hotelhallen, Restaurants und Zimmer so beliebt macht und Tag für Tag mit glücklichen Menschen füllt. Egal ob vor oder hinter den Kulissen.
«Unsere Aufgabe ist es, diese Magie immer wieder von Neuem zu erzeugen», sagt Andrea Scherz, Hausherr im Gstaad Palace. «Jedes Hotel ist ein kleines Universum, dessen Ambiance zutiefst aus dem Zusammenspiel und der Haltung der Mitarbeitenden gedeiht. Wir brauchen einander alle, um als Ganzes zu begeistern. Man kann noch so viele Millionen in eine atemberaubende Infrastruktur investieren – wenn dem Hotelteam die Seele fehlt oder einzelne Angestellte mit bewusster Gleichgültigkeit gegenüber ihren Arbeitskollegen und den Gästen agieren, bedeutet alles nichts.»
Jeder Gast spürt heute den Spirit eines Hotels, und wenn ihn das dortige Lebensgefühl fasziniert, kommt er noch so gerne wieder oder empfiehlt das Haus weiter – umso mehr, wenn das Hotel auf seine persönlichen Bedürfnisse eingeht und ihm ein individualisiertes Gesamterlebnis bietet.
Um dieses Ziel angesichts des ausgetrockneten Arbeitsmarktes und des fehlenden Nachwuchses erreichen zu können, müssen sich die Hoteliers verstärkt mit den Arbeits- und Lebensbedingungen ihrer Angestellten beschäftigen. «Die Hotels konkurrieren heute nicht in erster Linie um zahlungskräftige Gäste, sondern um die besten Mitarbeiter», sagt Tim Weiland, General Manager im Alpina Gstaad. «Vereinfacht gesagt, sorgt das beste Hotelteam vor Ort für die zufriedensten Gäste und damit für den höchsten Profit.»
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Von der hierzu erforderlichen Unternehmenskultur und persönlichen Wertschätzung jedes Einzelnen sprechen derzeit viele Hoteliers, doch wenige verkörpern das Gebot der Stunde so gut wie Markus Granelli im Dolder Grand in Zürich. Der BILANZ-Hotelier des Jahres 2022 ist stets nah am Geschehen dran, lebt seine Werte des respektvollen Umgangs und seine unkomplizierte Hands-on-Mentalität mitreissend vor und hört seinen Leuten komplizenhaft zu. Arbeitsabläufe sind bei ihm nicht in Stein gemeisselt, sondern es wird auch mal Neues gewagt und etwas ausprobiert. Das ist vor allem für die jungen Angestellten wichtig, die ihre Ideen einbringen und ernst genommen werden wollen. Um die Motivation auch in stressigen Phasen, die es im Hotel nun mal gibt, hochzuhalten, engagiert sich Granelli stark für zeitgemässe Arbeitszeitmodelle und attraktive Benefits, für Ausbildungsplätze und Weiterbildung, besonders aber für ein Arbeitsklima, in dem sich jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter als Person wahrgenommen und involviert fühlt.
Auch in anderen Tophotels ist es schön zu sehen, wie eingeschworen die Crews sind, wie gross der Zusammenhalt, das Know-how in allen Bereichen, der Enthusiasmus und die Liebe zum Detail. Wahrer Luxus hat nur am Rand mit Zimmern, Gastronomie und Spa-Angeboten zu tun, sondern vor allem mit den menschlichen Beziehungen – unter Mitarbeitenden, zu den Gästen. Die Menschen im Hotel sind es, die den kaum messbaren, doch alles prägenden «Vibe» eines Hauses ausmachen.
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Was für eine Freude, bei einem Hotelaufenthalt auf lauter Angestellte zu treffen, die für ihren Job richtig zu brennen scheinen, ohne dass es aufgesetzt wirkt. So ergeht es dem Anreisenden im Kulm Hotel St. Moritz, wo das Team um Emfangschefin Katharina Büscher die Gäste mit einer Herzlichkeit willkommen heisst, als gebe es nichts Selbstverständlicheres auf der Welt. Ähnliches lässt sich über Benjamin Blatter, Concierge im Alpina Gstaad, oder Albert Toco, den Portier im Grand Hôtel du Lac in Vevey, sagen.
Hotels, die so zuverlässige Teamplayer und zugängliche Wunscherfüller wie Hans-Peter Veit (Health & Spa Manager im Grand Resort Bad Ragaz), Stefan Beer (Küchenchef im Victoria-Jungfrau) oder Renata Oliveira (Hausdame im Eden Roc in Ascona) im Boot haben, brauchen sich um Vieles nicht mehr zu sorgen.
Die Freude, Menschen glücklich zu machen, steht auch Octavio Juarez Rodriguez (Restaurantleiter im Fairmont Le Montreux Palace), Marie Gerber (Bar-Managerin im The Chedi Andermatt) und Angelika Grundler (Sommelière im Baur au Lac) ins Gesicht geschrieben. Damit ist (und hat) der Gast schon fast gewonnen.
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Zukunftsgewandte Hotelunternehmer wie Anne-Rose und Thomas Walther vom Hotel Walther in Pontresina zeichnen sich nicht nur durch eine grundsätzliche Freundlichkeit aus, sondern helfen der Schweizer Hotellerie mit Passion und selbst erwirtschafteten Investitionen, ihr neues, modernes Gesicht zu finden. Sie engagieren sich für den Berufsnachwuchs, zeigen den jungen Leuten auf, wie bedeutend der Tourismus vor Ort ist, wie die führenden Hotels ein Teil davon sind und was jeder einzelne Mitarbeitende mit seinem ganz persönlichen Beitrag zum Erfolg des Betriebs beitragen kann. Darin liegt eine grosse Stärke von Familienbetrieben, sofern diese genutzt wird: Sie haben die Chance, sich aus sich selbst heraus in jeder Generation neu zu erfinden und so immer auf der Höhe der Zeit zu bleiben.
Und dann gibt es immer noch und immer wieder Quereinsteiger, die einen erfrischenden Pioniergeist und eine Portion Wahnsinn mitbringen und scheinbar unumstössliche Prinzipien des traditionellen Hotelmodells aus den Angeln heben. Jüngstes Beispiel liefern Jérôme de Meyer und Marco Dunand im Waadtländer Ferienort Villars-sur-Ollon. Die beiden branchenfremden Unternehmer haben dem soeben eröffneten Villars Alpine Resort mehr als neues Leben eingehaucht und sorgen für den ersehnten Lichtblick: «Es soll ein Ort werden, der die Menschen durch Kultur, Nachhaltigkeit und Weiterbildung zusammenbringt.» Ihr ernst gemeintes Bestreben, Luxus mit Inhalten und Sinn zu füllen und Erholung mit Inspiration zu verweben, bedeutet für den Gast so viel mehr, als einfach in einer gewöhnlichen Ferienblase zu verweilen.
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Ein möglicher Silberstreif am Hotelhimmel zeichnet sich auch zur akuten Personalknappheit ab. Ursula Renold, Professorin für Bildungssysteme an der ETH Zürich, hat am Hospitality Summit 2021 prognostiziert, dass die vielfältigen Berufe im Gastgewerbe infolge der gesellschaftlichen Veränderungen in vier, fünf Jahren wieder hochgeschätzt sein werden. So manche Jobs in der IT-Branche, die sich in den letzten zwei Jahrzehnten grosser Beliebtheit erfreuten, würden den Bedürfnissen und Wertvorstellungen der Generation Next bald nicht mehr gerecht. Umgekehrt würden die jungen Leute häufiger wieder Berufe wählen, bei denen sie analoge Dienstleistungen in einer wohlgesinnten Community erbringen und gemeinsam Projekte vorantreiben können, wo der Mensch im Mittelpunkt steht.
Vielleicht muss das Schlusswort Monsieur Gustave gehören, dem Concierge im Film «Grand Budapest Hotel». Vor seinem Lehrling Zéro als aufmerksamer Zuhörer sinnierte er über den menschlichen Faktor, der jedem guten Hotel zugrunde liegt – der Wortlaut ist nicht stimmig übersetzbar und deshalb hier im Original: «You see? There are still faint glimmers of civilization left in this barbaric slaughterhouse that was once known as humanity. Indeed that's what we provide in our own modest, humble, insignificant hotel. Oh, fuck it.»
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