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Die Herkules-Aufgabe von Post-Chef Roberto Cirillo

Post-Konzernchef Roberto Cirillo muss der Grundversorgung gerecht werden und gleichzeitig die Post transformieren. Der Widerstand in Wirtschaft und Politik wird heftiger.

Bastian Heiniger

Roberto Cirillo, CEO der Schweizerischen Post wirft einen A-Post Brief in einen Postbriefkasten waehrend er am Freitag, 4. Maerz 2022 bei der Sihlpost in Zuerich fuer ein Portrait posiert. (KEYSTONE/Michael Buholzer)

Roberto Cirillo will den Post-Konzern für die Zukunft fit trimmen.

Keystone

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Roberto Cirillo wirkt überraschend entspannt. Er empfängt in einem Sitzungszimmer am Hauptsitz in Bern, schenkt erst dem Gast und dann sich selber ein Glas Mineralwasser ein, vor ihm ein eigens vorbereitetes Dossier, das er aber nicht braucht, weil er ohnehin sämtliche Zahlen und Daten zur Schweizerischen Post im Kopf hat.

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Und sie, wenn nötig, blitzschnell abruft. Das hat auch damit zu tun, dass der aus dem Tessin stammende Manager, nun seit drei Jahren im Amt, derzeit öfter vor Expertengruppen, Kommissionen und Bundesräten Stellung beziehen muss.

Überraschend ist seine Entspanntheit vor allem angesichts der kolossalen Aufgabe, die in einer für die Post existenziellen Frage gipfelt. Nämlich was mit der heiligen Kuh geschieht: frische Wiese oder Schlachtbank.

Oder weniger drastisch formuliert: Soll sich die Post in ein digital geprägtes Unternehmen wandeln, das mit seiner Staatspower im Rücken neue Märkte erobert und dem Bund weiterhin schöne Dividenden in die Kasse spült?

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Oder soll man den gelben Riesen auf die Grundversorgung zurückstutzen und noch so lange finanzieren, bis es ihn als Staatsbetrieb in absehbarer Zukunft nicht mehr braucht und Post-Stellen aus der Öffentlichkeit verschwinden wie einst die Telefonkabinen?

Dass Briefe wieder Boden gutmachen – kaum vorstellbar. In den vergangenen 20 Jahren schrumpfte das verschickte Briefgut um 42 Prozent auf heute 1,8 Milliarden Stück. Gemäss Schätzungen soll es 2030 nur noch eine Milliarde sein. Laut Insidern macht die Post aber noch immer rund 60 Prozent des Gewinns im Monopol, also mit Briefen bis 50 Gramm.

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Und die Postfinance, einst die Cashcow des Unternehmens, hat im tiefen bis negativen Zinsumfeld ihre Kraft verloren; gegenwärtig steht in Bundesbern die Privatisierung zur Diskussion. Kurzum: Die Post ist von Geschäften abhängig, die wenig Zukunft haben.

Ändert sich am Businessmodell nichts, müsste laut einem kürzlich veröffentlichten Bericht der Expertengruppe um Alt-Ständerätin Christine Egerszegi die öffentliche Hand Ende Jahrzehnt jährlich zwischen 300 bis 500 Millionen Franken einschiessen.

Politischer Sprengstoff

Roberto Cirillo will davon freilich nichts wissen. Weder von Subventionen noch von Leistungsabbau. Dass der McKinsey-geschulte CEO voll und ganz auf die Vorwärtsstrategie setzt, überrascht wenig. Dafür wurde er geholt. «Ich manage nicht, um das aufrechtzuerhalten, was wir hatten, sondern um die Post in die Zukunft zu führen», sagt er.

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Klingt als Phrase simpel, ist aber in der Tat hochkomplex – und birgt politischen Sprengstoff. «Die grosse Debatte über die Zukunft der Post ist im Parlament noch nicht geführt worden», sagt Gewerbeverbands-Präsident und Mitte-Nationalrat Fabio Regazzi. «Das müssen wir dringend ändern.»

««Der Staat steigt aus Profitgründen in neue Bereiche ein, in denen es genügend Private gibt.»»

Claudio Hintermann

Die Rolle des Post-Chefs ist neben dem Chefposten bei der Credit Suisse eine der derzeit wohl delikatesten Managementaufgaben im Land. Gibt man Cirillos Namen in der Schweizerischen Mediendatenbank ein, fällt in den Artikeln über ihn so oft das Wort «Baustelle», dass man meinen könnte, er hätte bei Implenia angeheuert.

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Eigentlich wollte der Maschinenbauingenieur, der an der ETH studierte, nach seinen Stationen als Frankreich-Chef des Verpflegungsriesen Sodexo und als CEO des Gesundheitsunternehmens Optegra Eye Health Care in England nicht mehr in die Schweiz zurückkehren.

Doch als ein Headhunter bei ihm anklopfte und der Name Post fiel, fand er das schon spannend. Überzeugt haben ihn schliesslich die Gespräche mit dem damaligen VR-Präsidenten Urs Schwaller, sie drehten sich vor allem um die Zukunft des Konzerns.

briefpost

Psot-Baustelle Nr. 1: Briefpost

Die E-Mail läuft dem Brief unaufhaltsam den Rang ab. 2021 wurden noch 1,8  Milliarden Briefe verschickt. Und die Anzahl geht jährlich zurück, was monetär mit den aktuell 200 Millionen verschickten Paketen nicht kompensiert werden kann.

ZVG
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Psot-Baustelle Nr. 1: Briefpost

Die E-Mail läuft dem Brief unaufhaltsam den Rang ab. 2021 wurden noch 1,8  Milliarden Briefe verschickt. Und die Anzahl geht jährlich zurück, was monetär mit den aktuell 200 Millionen verschickten Paketen nicht kompensiert werden kann.

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Dass Cirillo nun mit seiner Strategie eine derartige Gegenwehr aus dem Wirtschafts- und Politestablishment provoziert, hätte er wohl selbst kaum erwartet. Auch wenn er das so nicht zugibt. Es ist ein eiskalter Wind, der ihm entgegenschlägt – in Form von Anzeigen (bei der Wettbewerbskommission), Beschwerden (bei der PostCom) und einem zunehmenden Druck im Parlament (diverse Vorstösse).

Dass er dennoch Gelassenheit ausstrahlt, dürfte weniger an seinem südschweizerischen Charme liegen, sondern ist eher dem jüngsten Geschäftsgang zu verdanken.

Im März trat Cirillo vor die Medien und verkündete das beste Ergebnis seit 2017. «Die Zahlen beweisen, dass wir auf dem richtigen Weg sind», sagte er. Erstmals seit vier Jahren sei die Post gewachsen und stehe besser da als vor der Pandemie. Der Gewinn stieg um 279 Millionen auf 457 Millionen Franken.

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Einen ersten grossen Auftritt hatte auch der ehemalige SP-Chef und neue Post-VR-Präsident Christian Levrat, der betonte, dass er hinter Cirillos Strategie stehe. Der Gewerkschafter und der McKinsey-Mann, sie können es gut miteinander, das versichert auch Cirillo.

Nach dem gefühlten Stillstand in der Ära der Vorgänger und dem Postauto-Skandal, dessen Schattenwürfe bis in den Bundesrat reichten, aber bis heute kaum aufgeklärt worden sind und der ausser einer Personalrochade keine grösseren Umwälzungen auslöste, hat Cirillo nun zumindest Ruhe in den Konzern gebracht.

Und er hat mit der Zusammenlegung von Brief- und Paketpost jüngst die grösste Fusion im Post-Konzern seit vielen Jahren umgesetzt. Dass sie von aussen kaum wahrgenommen wurde, taxiert er als Erfolg – es zeige, dass der Betrieb stets reibungslos weitergelaufen sei. Die zwischen Brief- und Paketpost gewonnene Synergie hat laut Cirillo wesentlich zu dem erfreulichen Ergebnis beigetragen.

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Cirillos Gegner werfen ihm denn auch nicht vor, er hätte den Laden nicht im Griff. «Cirillo macht, was von einem guten Manager verlangt wird, und reizt den gesetzlichen Rahmen so weit aus wie möglich», sagt ein Branchenkenner, der anonym bleiben will. Andere sprechen auch von «Überreizung».

Konkurrenz wehrt sich

Gemeint sind damit die vielen Zukäufe. Und mindestens eine Milliarde Franken liegt noch in der Kriegskasse, bereit für weitere Übernahmen, da sich die Post im Bereich der digitalen Kommunikation ein neues Standbein aufbaut und sich dafür Know-how von aussen holt.

«Die Post auf Shoppingtour», titelte etwa die «Neue Zürcher Zeitung» und fordert die Politik auf, den Kaufexzessen von Staatsbetrieben einen Riegel vorzuschieben.

Fast ein Dutzend Unternehmen hat sich die Post in den letzten Monaten einverleibt – von einer Shopping-App über einen Anbieter für Gemeindesoftware bis zum Versorger für chirurgische Instrumente (siehe «Die Einkäufe» auf Seite 59). Für Zoff sorgt aber vor allem das Softwareunternehmen Klara, an dem sich die Post eine Mehrheitsbeteiligung sicherte.

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Denn nun wehrt sich die Konkurrenz. Allen voran Claudio Hintermann, Chef und Mitgründer der Softwarefirma Abacus. Im März deponierte er bei der Wettbewerbskommission (Weko) eine Anzeige, wie die «Schweiz am Wochenende» publik machte.

In der Anzeige, die auch BILANZ vorliegt, wird unter anderem Cirillos Vordringen in neue Geschäftsfelder kritisiert: «Mit dieser Strategie dringt die Post-Gruppe als staatsnaher Betrieb in diverse Märkte ein, die wenig bis nichts mit ihren Kernbereichen Postdienste, Finanzdienstleistungen sowie Dienste im regionalen Personenverkehr gemeinsam haben», heisst es darin.

pakete

Post-Baustelle Nr. 2: Paketcenter

Während die Briefpost zurückgeht, steigt die Anzahl an Paketen. Die Post muss daher ihre Paketlogistik in den nächsten Jahren massiv ausbauen. Bis 2030 sollen sieben weitere regionale Paketcenter entstehen. Im vergangenen Jahr hat Cirillo bereits Brief- und Paketpost fusioniert.

PD
pakete

Post-Baustelle Nr. 2: Paketcenter

Während die Briefpost zurückgeht, steigt die Anzahl an Paketen. Die Post muss daher ihre Paketlogistik in den nächsten Jahren massiv ausbauen. Bis 2030 sollen sieben weitere regionale Paketcenter entstehen. Im vergangenen Jahr hat Cirillo bereits Brief- und Paketpost fusioniert.

PD

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Für Hintermann hat ein Staatsbetrieb vor allem eine Funktion: Dienstleistungen erbringen, die private Unternehmen nicht leisten können und wollen. Er muss deshalb bei einem Marktversagen die Grundversorgung sicherstellen. «Nun aber steigt der Staat aus Profitgründen in neue Bereiche ein, in denen es bereits genügend private Anbieter gibt», sagt Hintermann.

Und dies ausgestattet mit Privilegien. «Die Post weiss, wer wann umzieht, wer in welchem Haushalt lebt, wer welche Päckli bestellt, wo welche Firmen sind – solche Vorteile haben wir nicht.» So wirft der Abacus-Chef der Post in der Anzeige etwa vor, dass sie Daten von 2,6 Millionen Privat- sowie 300 000 Geschäftskunden an Klara weiterleiten und dem Unternehmen so zu einem schnelleren Wachstum verhelfen könne.

Renato Stalder, CEO und Mitgründer von Klara, sieht das freilich anders. Er ist schon lange in der IT-Branche unterwegs und kennt Claudio Hintermann seit Jahren. Dass der Gegenwind ausgerechnet von diesem kommt, überrascht den Klara-Chef nicht.

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Abacus verklagte vor einigen Jahren auch schon 69 St. Galler Gemeinden, weil diese ihre Buchhaltungssoftware bei einem Unternehmen einkaufen wollten, das ihnen gehört, und es keine öffentliche Ausschreibung gab. Hintermann ist einer, der sich durchaus zu wehren weiss.

Klara, so Stalder, sei eigentlich eine Biertischidee gewesen. Es war im Jahr 2016. «Wir sagten uns, es müsste doch eine Lösung geben, womit ein Coiffeur, ein Schreiner oder ein Maler ohne akademische Ausbildung ihr Geschäft betreiben können sollten – trotz zunehmender Regulierungen.»

Also bauten Stalder und sein Gründerteam eine Lösung, mit der sich das Büro managen lässt: Webseite, Onlinemarketing, Rechnungen, Kasse und Buchhaltung, Versicherungen, Lohnausweise.

««Die Post muss sich wieder auf die im Postgesetz festgehaltenen Dienste beschränken.»»

Fabio Regazzi

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Die Anwendung ist Cloud-basiert und steht allen Dienstleistern wie Banken, Versicherungen, Logistikunternehmen und Behörden offen. Und sie funktioniert, weil alle Dienste ineinandergreifen. Kommt etwa eine Rechnung rein, wird sie dank künstlicher Intelligenz automatisch in der Buchhaltung korrekt erfasst, ohne dass der Unternehmer oder die Unternehmerin etwas tun muss.

«Als Plattform ermöglichen wir so die digitale und bruchfreie Kommunikation zwischen allen Akteuren», sagt Stalder und begründet damit das Interesse der Post.

Den Vorwurf, dass Klara dank der Post nun schneller wachse, streitet er ab. Die Wachstumskurve ist zwar steil, rund 1200 KMUs stossen monatlich dazu, sie ist jedoch seit der Übernahme durch die Post nicht viel steiler geworden (siehe Grafik auf Seite 60). Auch die Anschuldigung, die Post würde Klara quersubventionieren, weist er von sich.

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Finanziert werde man dank Investorengeldern, und bis 2024 will Stalder mit Klara ohnehin break-even sein. Zudem betont er, dass die Weko noch kein Verfahren eröffnet habe. Dennoch haben Klara und Post nun eine fakultative Stellungnahme eingereicht.

Kritik an teurem Zukauf

Abacus ist aber nicht das einzige Unternehmen, das gegen die Post vorgeht. Für Ärger sorgt auch die Übernahme der Livesystems AG, die in Bussen oder an Tankstellen Bildschirme für Werbung betreibt.

Der Verein Aussenwerbung Schweiz, der die Interessen von verschiedenen Werbefirmen vertritt, sowie Clear Channel Schweiz, die Plakatwerbung und digitale Werbesäulen anbietet, haben bei der Post-Aufsicht PostCom Ende letzten Jahres eine Beschwerde eingereicht. Darin fordern sie, dass die Übernahme von Livesystems rückgängig zu machen sei.

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Kritisiert wird, dass die Post nun eine digitale Infrastruktur für kommerzielle Kommunikation betreibe und damit ein «wichtiger Player in der reichweitenorientierten, öffentlichen Aussenwerbung» werde. Das gehe weit über klassische Postdienste wie das Verteilen von Werbung via Briefkästen hinaus, heisst es in der Beschwerde.

postfinance

Post-Baustelle Nr. 3: Postfinance

Wie es mit der Postfinance weitergeht, wird derzeit in Bundesbern verhandelt. Der Bundesrat möchte eine Aufhebung des Hypothekar- und Kreditverbots sowie später eine Privatisierung. In den Kommissionen stiess der Vorschlag aber bisher auf wenig Gegenliebe. Die Zukunft bleibt ungewiss.

DAMIANPOFFET.COM
postfinance

Post-Baustelle Nr. 3: Postfinance

Wie es mit der Postfinance weitergeht, wird derzeit in Bundesbern verhandelt. Der Bundesrat möchte eine Aufhebung des Hypothekar- und Kreditverbots sowie später eine Privatisierung. In den Kommissionen stiess der Vorschlag aber bisher auf wenig Gegenliebe. Die Zukunft bleibt ungewiss.

DAMIANPOFFET.COM

Kritisch erwähnt wird die Übernahme auch in der kürzlich erschienenen juristischen Fachpublikation «25 Jahre Kartellgesetz». Die Post verwende Mittel für die Grundversorgung, für die sie mit Monopol und Privilegien ausgestattet sei, um in einen «kompetitiven Markt» einzudringen.

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Moniert wird auch der hohe Kaufpreis: So habe die Post für Livesystems, die kaum 10 Millionen Franken Umsatz erziele, dem Vernehmen nach 110 Millionen Franken bezahlt. Das Elffache des Umsatzes! Das scheint selbst für ein stark wachsendes Unternehmen sehr ambitioniert. Zum Vergleich: Die Aktie von Facebook, neben Google das erfolgreichste Werbeunternehmen, wird derzeit mit einem Kurs-Umsatz-Verhältnis von fünf gehandelt.

Roberto Cirillo versteht die ganze Aufregung um die Zukäufe nicht. «Die Mittel, die wir dafür einsetzen, haben wir selbst erwirtschaftet», sagt er und betont, dass die Post seit 14 Jahren dem Markt ausgesetzt sei. «Wir müssen uns Wettbewerb gefallen lassen», so Cirillo. «Und wenn wir nun Wettbewerb haben, ist ja klar, dass wir andere konkurrenzieren.»

86 Prozent des Umsatzes generiert die Post am freien Markt. Und für das Monopol, das laut Cirillo einen Gegenwert von rund 60 Millionen Franken hat, zahlt die Post jedes Jahr weit über 200 Millionen Franken, um die Grundversorgung sicherzustellen.

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Auch den Vorwurf, die Post würde in fremden Gebieten wildern, will er so nicht gelten lassen. «Wir kaufen dort, wo wir Kompetenzen benötigen – um die Dienstleistungen, die wir künftig brauchen werden, integrieren zu können.» Cirillo stützt sein Vorgehen auf die strategischen Ziele des Bundesrates.

Darin heisst es etwa (Punkt 1.2): Die Post bietet «Dienstleistungen und Lösungen in physischer und elektronischer Form» an. Und weiter (Punkt 1.3): Die Post deckt «moderne Kommunikations- und Logistikbedürfnisse durch die Entwicklung zeitgemässer Angebote insbesondere im Bereich des Informations- und Datenverkehrs» ab. Cirillo legt die Betonung auf «elektronische Form» und «Informations- und Datenverkehr». Alles im Rahmen also?

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Die Post im Jahr 2030

Ende des Jahrzehnts sieht Cirillo eine Post, die auf zwei stabilen Beinen steht. Da sind zum einen etwa digitale Angebote für KMUs, E-Government, sodass zwischen Behörden und Bürgern sämtlicher Verkehr unterbruchsfrei erfolgt, zudem will er die Infrastruktur für das elektronische Patientendossier weiter entwickeln.

Und da ist zum anderen die Logistik, in deren Ausbau, Erneuerung und für Zukäufe er rund 2,5 Milliarden Franken investieren will. Bis 2030 sollen zu den acht Zentren für die Paketsortierung sieben weitere dazukommen, die Anzahl Pakete soll von jetzt rund 200 auf 300 Millionen steigen.

Ferner betreibt die Post an mehreren Standorten Logistikcenter für Geschäftkunden. Sie erledigt Aufgaben wie den nationalen und internationalen Gütertransport sowie Dienstleistungen rund um Nachtversand, Lagerung, Abwicklung von Retoursendungen oder Verzollungen.

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Die Post-Einkäufe

• August 2019 Distriba

Mit der Übernahme der Basler Firma will sich die Post im rückläufigen Markt der unadressierten Werbesendungen besser positionieren und Synergien nutzen.

• August 2020 Notime

Die Post war schon Mehrheitsaktionär, übernimmt nun aber den Blitzlieferdienst ganz. Notime ist darauf spezialisiert, Bestellungen per Fahrradkurier zu bringen.

• September 2020 Klara Business

Um KMUs stärker mit der Digitalisierung von administrativen Arbeiten zu unterstützen, übernimmt die Post eine Mehrheit von 50,01 Prozent an der Luzerner Firma.

• Juli 2021 Livesystems

Physische Werbung sei ein wichtiger Bestandteil der Post, heisst es. Mit der Übernahme des Berner Unternehmens will sie diesen Bereich in die digitale Zukunft führen.

• Juli 2021 Tresorit

Tresorit bietet eine sichere Lösung zum Verwalten, Speichern und Teilen von Dateien in der Cloud an. Die Post will mit der Übernahme ihr Digitalangebot stärken.

• September 2021 Shopping-App Bring

Im April 2020 investierte die Post in das Zürcher Start-up, 2021 übernimmt sie die Mehrheit und schliesst die App mit der eigenen Plattform Profital zusammen.

• Oktober 2021 SwissSign Group

Beteiligt an der SwissID-Herausgeberin waren bisher etwa auch die SBB sowie Banken und Versicherungen. Die Post will den Dienst nun ausbauen.

• Oktober 2021 Steriplus

Das Unternehmen ist auf die logistische Versorgungskette für Verbrauchsmaterial und die Aufbereitung der Instrumente für medizinische Operationen spezialisiert.

• November 2021 Dialog Verwaltungs-Data AG

Die Post will ein digitales Ökosystem für Behörden aufbauen und hat dafür das Luzerner Unternehmen übernommen. Dieses bietet Softwarelösungen für Verwaltungen an.

• Januar 2022 Stella Brandenberger Transporte

Mit der Übernahme der in Pratteln BL ansässigen Transportfirma will die Post ihre Logistik für den Onlinehandel stärken.

• März 2022 MW Partners Holding SA

Der Waadtländer Gesundheitslogistiker ist in demselben Gebiet unterwegs wie Steriplus. Die Post verstärkt mit der Übernahme ihr Angebot in der Romandie.

In Villmergen befindet sich bereits ein solcher Standort, in den die Post nun 137 Millionen Franken für ein neues Lagergebäude investiert, das 2025 in Betrieb geht und 100 neue Stellen schaffen soll. Im Kern ist die Post ein B2B-Unternehmen. 93 Prozent der Briefe und Pakete werden von Firmen verschickt.

Das Logistik-Standbein steht jedoch kaum zur Diskussion, wenngleich ein Experte es sinnvoller fände, wenn sich die Post in eine Holding wandeln würde, sodass nur noch die Grundversorgung staatlich bliebe und die Güter- und Paketlogistik ausgegliedert und privatisiert werden könnte. Für Unbilden sorgt indes primär die 2021 neu geschaffene und aktuell noch defizitäre Kommunikationssparte.

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Es stellt sich dann auch die Frage, ob der Bund auf die Dividende verzichten will. Bis zum Ende der Strategieperiode 2024 bezahlt die Post jährlich 50 Millionen Franken, danach soll die Dividende wieder steigen. Und es ist eine Frage, die in Cirillos aktuellem Alltag keine Rolle spielt. Er konzentriert seine Kräfte auf die Transformation.

Und darauf, dass der Spagat gelingt: Hier den Konzern so zu entwickeln, wie es der Markt verlangt. Und da all dem gerecht zu werden, was die Bevölkerung von der Institution Post erwartet.

Klara

Post-Baustelle Nr. 4: Digitalangebote

Die Post will das «Briefgeheimnis» in die digitale Welt bringen und zur «vertrauenswürdigen Übermittlerin» von schützenswerten Informationen werden. Dafür baut sie derzeit Lösungen für Firmen, Behörden und Bürger. Und sie kauft sich Know-how ein, womit sie nun auf Widerstand stösst.

PD
Klara

Post-Baustelle Nr. 4: Digitalangebote

Die Post will das «Briefgeheimnis» in die digitale Welt bringen und zur «vertrauenswürdigen Übermittlerin» von schützenswerten Informationen werden. Dafür baut sie derzeit Lösungen für Firmen, Behörden und Bürger. Und sie kauft sich Know-how ein, womit sie nun auf Widerstand stösst.

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Zurück also zur Frage, ob sich Cirillo mit seiner Hunter-Strategie im Rahmen der bundesrätlichen Ziele bewegt. Zweifel daran hat Rechtsprofessor Felix Uhlmann. Er hat im Fall Klara ein Rechtsgutachten erstellt, das Abacus als Grundlage für die Anzeige bei der Weko diente.

«Als öffentliches Unternehmen braucht die Post klare Leitplanken, die das Parlament setzen muss», sagt er. «Und die scheinen mir derzeit stark ausgereizt bis überreizt.» Uhlmann sieht eine gewisse Diskrepanz zwischen dem, was der Gesetzgeber festgelegt hat, und dem, was die Post aktuell macht.

In Bundesbern dürfte diese Diskrepanz früher oder später zu der von Gewerbepräsident Fabio Regazzi geforderten und von FDP- und Mitte-Politikern bereits angestossenen grossen Debatte führen. «Die vielen Akquisitionen sind ein No-Go», sagt Regazzi. Das störe auch diverse Verbandsmitglieder. «Die Post muss sich wieder auf die im Postgesetz festgehaltenen Dienste beschränken.»

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««Pakete, Postfinance, Kommunikation – das alles kann die Privatwirtschaft besser.»»

Matthias Jauslin

Dieser Meinung ist auch FDP-Ständerat Andrea Caroni. Er hat 2020 eine Motion eingereicht, die der Bundesrat zwar ablehnte, die im Parlament aber deutlich angenommen wurde. Er will die Staatsbetriebe wieder an die kurze Leine nehmen und von ihnen verursachte Wettbewerbsverzerrungen eindämmen.

Zur Zukunft der Post hat Caroni klare Vorstellungen: «Der Briefverkehr ist zu liberalisieren, die Postfinance zu privatisieren und der verbleibende Grundversorgungsauftrag auszuschreiben.» Was es nicht brauche, sei eine verstockte Abwehrhaltung oder gar staatliche Expansion in privat bediente Geschäftsfelder.

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Zurück zum Kerngeschäft

Direkt auf die Post zielt eine Ende Jahr eingereichte Motion von Mitte-Politiker Thomas Rechsteiner. Er will, dass die Post ausserhalb des Leistungsauftrags nicht mehr frei Unternehmen kaufen darf. «Bundesrat oder Parlament müssten die Transaktionsvolumen und Kaufpreise absegnen können.» Noch schärfer ist die Motion von FDP-Nationalrat Matthias Jauslin.

Sie hat zum Ziel, die Post auf ihren Leistungsauftrag zu trimmen. «Pakete, Postfinance, Aussenwerbung, Kommunikation – das alles kann die Privatwirtschaft besser als ein Staatsbetrieb», sagt er. Ihn stört, dass die Post die vom Bundesrat festgelegten Ziele so interpretiert, dass sie letztlich alles machen könne, was ein wenig nach Post töne.

Jauslin geht davon aus, dass sich mit Zustimmungen aus dem bürgerlichen Lager eine Mehrheit für seine Motion findet. Doch in welche Richtung es mit der Post gehe, müsste am Schluss das Stimmvolk entscheiden.

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