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Stark in der Krise: In diesen Corona-Zeiten trumpfen besonders die kleinen Anbieter auf. Das zeigt das 21. BILANZ-Telekom-Rating.
Marc Kowalsky
Zufriedene Kunden: Erhöhte Bandbreiten und gratis zur Verfügung gestellte Tools werden intensiv genutzt.
Austin Distel / UnsplashWerbung
Der Shutdown war die grosse Bewährungsprobe für die Schweizer Telekomanbieter: Videokonferenz statt Büromeeting, Homeschooling statt Präsenzunterricht, Skypero statt Apéro, Ferngespräch statt Familientreffen, Streaming-Abend statt Kinobesuch. Von einigen Anlaufschwierigkeiten abgesehen hat das gut geklappt: «Die Schweizer Privat- und Geschäftskunden waren mit der Leistung der Telcos sehr zufrieden», sagt Martin Steinmann von der Telekomberatung Ocha. Besonders hätten die Kunden geschätzt, dass die Anbieter in der Krisenzeit die Bandbreite erhöht und Tools etwa für Videokonferenzen gratis zur Verfügung gestellt hätten: «Die Provider haben einen guten Job gemacht.»
Das ist eines der vielen Ergebnisse des Telekom-Ratings, das Ocha dieses Jahr bereits zum 21. Mal für BILANZ durchführte. Es ist das grösste seiner Art in der Schweiz: Rund 10 000 Privat- und 1400 Geschäftskunden beantworteten die Fragen nach den Erfahrungen mit ihrem Anbieter. Das Ergebnis: «Es gibt keine totale Marktumkrempelung», so Ocha-Gründer Jörg Halter: «Aber es ist trotzdem viel passiert.»
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Bei den Mobilfunkanbietern für Privatkunden etwa hebt nun der Resellermarkt ab: Gleich die ersten sechs Plätze sind von Anbietern belegt, die kein eigenes Mobilfunknetz haben, sondern ihre Kunden bei Swisscom, Sunrise oder Salt unterbringen – zu günstigeren Preisen, häufig aber auch mit besseren Leistungen. «Jetzt kommt langsam echter Wettbewerb in den Mobilfunkmarkt», sagt Halter.
Mit 95 Prozent Marktpenetration dürfte das Kundenpotenzial in der Schweiz inzwischen ausgeschöpft sein, nun nehmen sich die Anbieter die Kunden gegenseitig weg.
Von null auf Platz zwei stieg Neuling Digitec Connect ein mit einem E-SIM-Angebot, das von den Freaks sehnlichst erwartet wurde. Es basiert ebenso auf dem Sunrise-Netz wie jenes von Vorjahressieger Net+, der seinen Spitzenplatz verteidigen konnte.
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Von den drei Netzbetreibern schneidet denn auch Sunrise auf Platz sieben am besten ab. Dass die Swisscom den letzten Rang belegt, ist ein wiederkehrendes Muster: Angesichts der hohen Preise sind die Erwartungen besonders hoch und werden leichter enttäuscht.
Am intensivsten nutzt der Privatkunde hierzulande jedoch nicht das Handy, sondern seine Internetleitung. «Durch Corona wurde den Schweizern die Bedeutung des Breitbandanschlusses wieder bewusst», sagt Halter. «Videokonferenzen macht man kaum auf dem Smartphone.» Die Konsolidierung in diesem Markt ist daher erst einmal zurückgestellt.
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Auch hier ist mit Teleboy ein neuer Herausforderer gleich auf Platz zwei eingestiegen: Er kommt eigentlich aus dem TV-Geschäft und rollt nun einen landesweiten Breitbanddienst aus. Und auch hier liegen die grossen Player eher hinten. In Zeiten der plötzlich steigenden Nachfrage waren ihre Netze schneller überlastet – besonders die Kabelnetzbetreiber wie Quickline oder UPC mit ihren Koaxialkabeln litten darunter.
Die löbliche Ausnahme ist Salt, die ausschliesslich auf Glasfaser setzt. «Klein, aber fein» gilt übrigens auch für den TV-Markt, wo Nischenanbieter wie Wilmaa und Teleboy mit ihren eher einfachen Apps zunehmend Akzeptanz finden. Sie machen nicht viel, aber das, was sie machen, machen sie gut.
««Der Tod des Festnetzes wird noch um ein paar Jahre verschoben.»»
Jörg Halter, Ocha-Gründer
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Mehr als jeder zweite Schweizer verfügt noch über einen Festnetzanschluss, 53 Prozent der Befragten genau. Das sind zwar zehn Prozent weniger als noch vor vier Jahren, dennoch gilt: «Der Tod des Festnetzes wird noch um ein paar Jahre verschoben», so Halter.
Reine Telefonieanbieter wie Peoplefone, NetVoip oder Sipcall sind besonders erfolgreich und können von ihrer Spezialisierung noch immer erstaunlich gut leben – auch wenn die grossen Anbieter den Fixnetzanschluss zusammen mit dem Internetanschluss quasi gratis dazugeben.
Dieser Markt wächst freilich nicht mehr – ganz anders als jener für Clouddienste. Hier dominieren kleine und lokale Anbieter, die Techgiganten wie Amazon, Apple oder Microsoft finden sich hinten in der Tabelle wieder. Zu unschweizerisch, zu unpersönlich, so das Verdikt der Schweizer Privatkunden.
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Auffällig ist die hohe Gesamtzufriedenheit in diesem Markt. Zum einen stiften Clouddienste auch für den privaten Anwender tatsächlich hohen und vielfach ungewohnten Zusatznutzen. «Zum anderen sind viele Kunden stolz darauf, vorangegangen zu sein auf dem Weg in die Wolke. Ihre Entscheidung rechtfertigen sie durch eine gute Bewertung des Anbieters», so Steinmann.
Auch die Geschäftskunden haben dieses Jahr neue Prioritäten gesetzt – und die Reihenfolge ihrer Favoriten neu gemischt. Im Mobilfunk etwa ist UPC vom dritten auf den Spitzenplatz vorgestossen. Der Grund: Im Januar und Februar, also kurz vor Beginn der Umfrage, hatte die Swisscom gleich eine ganze Reihe von Ausfällen zu beklagen.
UPC hat darauf schnell reagiert und sich als günstige Alternative positioniert. Zwar nutzt auch UPC die Antennen des Platzhirschs, doch weil die Probleme weiter hinten im Swisscom-Backbone anfielen, war UPC von den Pannen nicht betroffen.
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Erstaunlich aber: In der Wahrnehmung der Schweizer Geschäftskunden, so ein Ergebnis der Umfrage, sind die Mobilfunkdienste weniger wichtig als das Fixnetz. «Dieses wird immer noch stärker als business-critical angesehen», sagt Steinmann.
Wie hart der Markt für Internet- und Netzwerkdienst für Geschäftskunden umkämpft ist, zeigt der Fall VTX: Der Westschweizer Anbieter wurde innerhalb eines Jahres von Platz zwei auf Rang sieben durchgereicht – bei fast unveränderter Punktzahl! Die Konkurrenz hat einfach entsprechend aufgeholt. «Wer hier nicht Gas gibt, wird abgehängt», so Steinmann.
Und auch in diesem Bereich schneiden die Universalanbieter eher schlecht ab. «In Corona-Zeiten gilt erst recht: Die kleinen Player reagieren flexibler und persönlicher», sagt Halter.
Der Markt für Datacenter verzeichnet starkes Wachstum: Der Rücklauf an Fragebögen in dieser Kategorie war deutlich höher als noch im Vorjahr. Auffallend: Die grossen internationalen Player wie Equinix, Interaxion oder E-Shelter spielen hierzulande allenfalls bei einer Handvoll Grosskonzernen eine Rolle.
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Die Schweizer Firmen setzt stattdessen stark auf lokale Anbieter. «Das Datenzentrum mit Schweizer Rechtsprechung sowie der Kundendienst vor Ort und in einer Landessprache sind hier wichtige Kriterien», so Halter. Das Gleiche gilt auch für Clouddienste.
Wer kein Rosinenpicker ist und alle seine Telekomdienste aus einer Hand beziehen will, kann sich zwischen Swisscom, Sunrise, UPC und Salt entscheiden – zumindest solange die Fusion zwischen UPC und Sunrise noch nicht vollzogen ist. Die beste Wahl ist dabei Sunrise – und zwar sowohl für Privatkunden wie für KMUs wie für Grosskunden: ein Novum in der Geschichte des Telekom-Ratings.
«Swisscom wurde wegen der vielen Pannen, Netzunterbrüche und Datenverluste relativ stark abgewertet», so Halter. «Sunrise dürfte davon, aber auch von der grossen Aufmerksamkeit wegen des UPC-Kaufs profitiert haben.» Was auch eine Empfehlung wäre, nach der Fusion den Namen Sunrise zu behalten und die über lange Jahre krisengeschüttelte Marke UPC aufzugeben.
Bleibt zu hoffen, dass die Telcos auch dann noch einen guten Job machen, wenn die Zeit von Homeschooling und Skyperos vorbei sein und das Leben wieder seinen gewohnten Gang gehen wird.
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