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Die Profis an der Front

Der menschliche Faktor: Die 12 Hotelmitarbeiter des Jahres 2021

Hotels brauchen Seele und Mitarbeitende mit Persönlichkeit. BILANZ befragte 205 Experten, welche guten Geister in der Schweiz besonderes Lob verdienen.    

Claus Schweitzer

Marc Eichenberger, Grand Hotel Kronenhof

Marc Eichenberger, Gastgeber im Grand Hotel Kronenhof in Pontresina, ist der BILANZ-Hotelier des Jahres 2021.

ZVG

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«Es ist leichter, Feriengäste zu finden als gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für jede Position», sagt Philippe Frutiger. Der Geschäftsführer der Giardino Hotels bringt mit seiner Feststellung die Achillesferse der Schweizer Hotellerie auf den Punkt: den Mangel an qualifizierten, warmherzigen und verlässlichen Menschen, die sich für einen Beruf im Gastgewerbe begeistern wollen. «Es fehlt der Nachwuchs und gleichzeitig wandern zu viele profilierte Köpfe früher oder später in andere Branchen ab», bedauert Frutiger.

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Selbst vorbildlich geführte Häuser, zu denen die drei Giardino Hotels im Tessin und im Engadin seit vielen Jahren gehören, leiden unter dem Fachkräftemangel. Dessen Ausmass übertrifft seit der Pandemie alles Dagewesene in weiten Teilen der Hotelwelt, weil die Corona-Ära aufzeigte, dass der Sektor nicht krisenfest ist. Das führte dazu, dass viele junge Leute den Beruf im Hotel an den Nagel gehängt haben, um sich einer anderen Tätigkeit zu widmen – oder zumindest zum Nachdenken über neue Lebensentwürfe angeregt hat. Zugleich bremst der demographische Wandel das Personalangebot.    

Wertschätzung und Sinnhaftigkeit im ganzen Tun  

«Junge Talente für die Hotellerie zu gewinnen und herausragende Mitarbeiter zu halten, ist unsere grösste Herausforderung, ohne Zweifel», bekräftigt Nathalie Seiler-Hayez. «Wertschätzung ist eine der zentralen Antworten darauf.» Die Direktorin im Beau-Rivage Palace in Lausanne sucht wie viele ihrer Berufskollegen nach neuen Wegen, die Arbeitsbedingungen zeitgemässer zu gestalten und ein nachhaltig besseres Image für die Branche zu finden, die viel Flexibilität für wenig Lohn verlangt.    

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Zu den Lösungsansätzen zählen geregelte Arbeitsstunden, flexiblere Einsatzpläne mit genügend Freitagen und das Aufzeigen einer gewissen Sinnhaftigkeit im ganzen Tun. «Wir müssen uns mehr auf die Freude und den Sinn fokussieren, den es macht, andere Menschen glücklich zu machen», sagt Nathalie Seiler-Hayez. Man solle sich nicht von den teilweise unattraktiven Arbeitszeiten oder von einzelnen Idioten unter den Gästen irritieren lassen. «Vielmehr geht es darum, Freude im Leben der Gäste zu schaffen und für ein bisschen Magie zu sorgen.» Freude tue der Welt gerade ganz gut, und wenn man den Flow in einem gut belegten Haus spüre und das Strahlen in den Augen der mehrheitlich dankbaren Gäste wahrnehme, seien das immer wieder von Neuem grandiose Momente für das ganze Hotelteam.    
 

Die 12 Hotelmitarbeiter des Jahres 2021

Marc Eichenberger, Grand Hotel Kronenhof
Cornelius Haug Kulm Hotel St. Moritz
Nicole Popp, les trois rois, Basel
Franz W. Fäh, Gstaad Palace
Livia Waser, La reserve eden au Lac
Sven Uzat, Park Hotel Vitznau
Wolfgang Mayer Widder Bar
Ornella Moledo Castello del Sole
Patricia Golhen, Fairmont le Montreux palace
George Gaitanos Chenot Palace Weggis
Samuel Aloisi Castello del Sole
Leopold Weinberg & Adrian Hagenbach, Volkshaus Basel
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Hotelier des Jahres 2021

Marc Eichenberger, Grand Hotel Kronenhof, Pontresina

In kaum einem anderen Grandhotel hat man als Gast so klar den Eindruck, dass das ganze Team an einem Strang zieht und jeder Mitarbeitende persönlich involviert ist. Das hat zum einen mit den kurzen Kommunikationswegen innerhalb der verschiedenen Abteilungen und dem hohen Anteil an Stammpersonal zu tun, zum anderen fühlt man im «Kronenhof», dass da eine Seele ist, eine Energie, eine Philosophie, die täglich gelebt und kontinuierlich weiter verfeinert wird.

Wie alle Instinkt-Hoteliers hat Marc Eichenberger ein untrügliches Gespür für Stimmungen und Stimmungsumschwünge vor und hinter den Kulissen – und darüber hinaus die Gabe, gleichzeitig für konstante Topleistungen und für grösstmögliche Ungezwungenheit zu sorgen. Er ist nicht nur an Unternehmenszahlen interessiert, sondern am Wohlergehen jedes einzelnen Mitarbeiters und Gastes. Er setzt sich intensiv damit auseinander, ein attraktiver Arbeitgeber zu sein und den Erwartungen der nachwachsenden Generation an die Arbeitswelt gerecht zu werden. «Für viele Mitarbeitende sind wir ein ‘home away from home’ – und da spielt das Umfeld und der Umgang untereinander eine wichtige Rolle, die wir sehr ernst nehmen», sagt er. Auch während den nervösen Zeiten der Pandemie bewies er in seiner unaufgeregt herzlichen Art Standhaftigkeit und fürsorgliches Denken, war genau im Detail und klar in der Haltung. Seit nunmehr acht Jahren verleiht er dieser Ikone der Schweizer Hotellerie ein schlagendes Herz. Die BILANZ-Auszeichnung ist überfällig für Marc Eichenberger.    

ZVG

Marc Eichenberger, Gastgeber im Grand Hotel Kronenhof in Pontresina und BILANZ-Hotelier des Jahres 2021, rückt die Entfaltungsmöglichkeiten jedes Mitarbeitenden ins Blickfeld: «Bei den langjährigen Teammitgliedern gilt es, durch stetige Neuerungen und Veränderungen frische Energien freizusetzen, an denen sie wachsen können. Bei jungen Menschen ist es wichtig, Freiraum für ihre Entwicklung zu gewähren und bezüglich ihren Bedürfnissen und Erwartungen immer im Gespräch respektive am Ball zu bleiben.» 

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Gefragt sind also Perspektiven. Diesbezüglich kann der «Kronenhof» zusammen mit dem Schwesterbetrieb Kulm Hotel St. Moritz und der Vereinigung Swiss Deluxe Hotels zusätzliche Sprungbrettmöglichkeiten anbieten. Benefits und Vergünstigungen, attraktive Mitarbeiterunterkünfte und eine gute, gesunde Verpflegung sind weitere Faktoren, und vor allem die Aussicht auf eine hohe Jobsicherheit. Marc Eichenberger bekräftigt: «Während der gesamten Pandemie mussten wir keinen einzigen Mitarbeiter entlassen.»   

Geheimwaffe «Employer Branding»

Tanja Wegmann, Direktorin im Les Trois Rois in Basel, weist auf einen weiteren wichtigen Aspekt hin: «Die Werbung der Hotels fokussiert sich in aller Regel auf die Gäste.» Genauso wichtig sei es heute aber zu kommunizieren und vorzuleben, dass man das Hotel mit dem besten Arbeitsumfeld und den besten Mitarbeitern vor Ort ist. «Denn da, wo tolle Mitarbeiter sind, kommen auch Gäste gerne hin.»   

Zwar gab es in den letzten fünfzehn Jahren an der Unternehmenskultur des Traditionshauses am Rhein kaum etwas auszusetzen, doch ist im Les Trois Rois jüngst ein neuer Spirit erwacht, der aus flachen Hierarchien und dem nochmals verbesserten Zusammenspiel des Teams gedeiht.

Das sind die 300 besten Hotels in der Schweiz und in Europa    

Die Sterne am Hotelhimmel verschmelzen Luxus mit Authentizität und ein seelenvolles Ambiente mit dem grosszügigen Geist ihrer Macher. Willkommen beim 25. Hotelranking der BILANZ.

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Während das Hotel fünf Monate lang im winterlichen Lockdown war (und man sich praktischerweise von ein paar desinteressierten Mitarbeitern trennen konnte), wurden die Strukturen und Arbeitsabläufe konsequent hinterfragt und teilweise angepasst. Dabei legte Tanja Wegmann besonderen Wert auf ein verstärkt abteilungsübergreifendes Denken und ein flexibleres Handeln und Wirken. Der Concierge muss nun auch Check-in- oder Check-out-Prozesse erledigen können, die Barchefin kann auch mal den Room-Service übernehmen.    

Abteilungsübergreifendes Denken und Handeln  

Was in New-Generation-Hotels wie Andaz, 25hours oder CitizenM schon lange funktioniert, ist in der Schweizer Luxushotellerie noch weitgehend unüblich. Das Modell, dass jeder Mitarbeitende in verschiedenen Bereichen eingesetzt werden kann, wird von klassisch ausgebildeten Hoteliers oft skeptisch betrachtet, weil es eine Gratwanderung ist, bei der auch mal etwas schiefgehen kann. Sie fürchten den Luxusgast, der einen vierstelligen Betrag für sein Zimmer bezahlt, mit entsprechend hohen Erwartungen anreist und dem Hotelmanager dann beim kleinsten Flop an die Gurgel springt. Tanja Wegmann sieht das gelassener: «Jeder von uns kann mal einen Koffer hochtragen oder einen Cappuccino zubereiten, wenn die Kollegen gerade überfordert sind.»

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Um der Hotelcrew bei der Umsetzung des Teamgedankens auf die Sprünge zu helfen und allen ein Gefühl von Zugehörigkeit zu vermitteln, liess sich die agile Baslerin etwas einfallen: Zum Soft-Opening im letzten April lud sie alle 140 Mitarbeiter (einschliesslich acht Lernende) etappenweise ein, selber einmal Gast für eine Nacht im Les Trois Rois zu sein. Danach wurde jeder nach seinen persönlichen Optimierungsinputs bezüglich Hotelabläufen und Qualitätsstandards befragt.    

«Man muss den Mitarbeitern etwas zutrauen», ist auch Franziska Richard überzeugt. Die Gastgeberin und Mitbesitzerin des stimmigen, enorm erfolgreichen Bellevue Parkhotel in Adelboden räumt ein, dass es in einem 50-Zimmer-Familienbetrieb einfacher sei, die Zügel lockerer zu halten und eine gewisse Eigenverantwortung zuzulassen als in grossen Luxushäusern. Natürlich gebe es auch im «Bellevue» Spielregeln, aber nur wenige Standards. «Bei uns dürfen die Mitarbeitenden sich selbst sein.»Diese wurden genauso aufgrund ihrer charakterlichen wie professionellen Qualitäten eingestellt. Ihre Persönlichkeit soll strahlen.    

Hotellerie geht nur mit Menschen  

Wahrer Luxus hat vor allem mit den Menschen im Hotel zu tun. Die Menschen im Hotel sind es, die den kaum messbaren, doch alles prägenden «Vibe» eines Hauses ausmachen. Eine harmonische Grundstimmung und ein entspanntes Lebensgefühl kann kein Stardesigner und kein angesagtes Bar-Konzept mit keinem Geld der Welt erzielen, ohne eine glückliche Belegschaft von authentischen, gastorientierten und intuitiv zusammenwirkenden Mitarbeitern im Hintergrund zu haben, welche die Philosophie des Hotels mittragen.    

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Wirklich gute Hoteliers wissen, dass dies nicht mit ein paar punktuellen Massnahmen erzeugt werden kann, sondern ein weit breiter gefasstes Menschen- und Luxusverständnis voraussetzt. «Hotelglück hängt mehr von den fünfhundert Dingen ab, die man nicht sieht und von den ungezählten unsichtbaren Mitarbeitern ausgeführt werden, als von den 25 Dingen, die man tatsächlich sieht», hat die amerikanische Reiseautorin Pilar Guzmán treffend beobachtet.    

Unser Podcast zum Thema

Hotels, die so zuverlässige Teamplayer wie Franz W. Faeh (Küchenchef und Culinary Director im Gstaad Palace), Wolfgang Mayer (Bar-Manager im Widder Hotel) oder Patricia Golhen (Spa-Leiterin im Fairmont Le Montreux Palace) im Boot haben, brauchen sich um Vieles keine Sorgen mehr zu machen. Ganz besonders in Corona-Zeiten, in der alle nochmals einen Zacken zulegen mussten.    

So hatte Nicole Popp, Rooms Divison Managerin im Les Trois Rois, im ersten Lockdown so nebenbei das Covid-19-Schutzkonzept erstellt – eine «Masterarbeit» von 80 Seiten, die das Hotel nachhaltig für jeden erdenklichen Ernstfall gewappnet hat. Bei Ornella Moledo, der Hausdame im Castello del Sole, war plötzlich ein erhöhtes Gespür dafür erforderlich, wie jeder einzelne Gast sein Zimmer gereinigt haben will und ob beispielsweise die persönlichen Gegenstände im Bad oder auf dem Nachttisch besser unangetastet bleiben.

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Cornelius Haug, Chef-Concierge im Kulm Hotel St. Moritz, war in den letzten siebzehn Monaten durch die ständig ändernden Reisebestimmungen in verschiedenen Ländern und die damit verbundenen Auskünfte und Buchungen geforderter denn je. «Die grösste Herausforderung bestand jedoch darin, alle Stammgäste trotz Maske zu erkennen und die verborgene Mimik hinter den Masken immer richtig zu deuten», sagt der Präsident der Berufsvereinigung «Les Clefs d’Or Suisse».    

Zugängliche Traumerfüller  

Dass die besten Hotels die besten Mitarbeiter anziehen, fällt wie schon in den Vorjahren rasch ins Auge: Livia Waser (Restaurantleiterin im «La Muña» im La Réserve Eden au Lac in Zürich), Sven Uzat (Head-Sommelier im Park Hotel Vitznau), George Gaitanos (Medical Director im Chenot Palace Weggis) und Samuele Aloisi (Strandchef im Castello del Sole) sind nicht nur zugängliche Traumerfüller, sondern auch authentische Persönlichkeiten, die ihren Hotels erst den unvergleichlichen Touch geben.    

Dabei kommt es heute nicht mehr unbedingt auf absolute Spitzenleistungen an, sondern eher um den menschlichen Faktor vor und hinter den Kulissen. Andrea Scherz, Hausherr im Gstaad Palace, teilt diesbezüglich das Credo seines im Mai verstorbenen Vaters Ernst Andrea Scherz: «So wie es im Leben darum geht, das richtige Gleichgewicht zu finden, streben wir im Hotel nicht immer nach dem Ultimativen, sondern fokussieren uns vielmehr darauf, alles ausgeglichen zu halten.» Dazu gehört, nicht nur den Gästen, sondern auch dem Team fünf wertschätzende Sterne zu bieten.      

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