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Der Abbau direktdemokratischer Rechte ist tabu, der Ausbau scheint willkommen

Von der Öffentlichkeit nahezu unbemerkt hat das Parlament im Rahmen der Covid-19-Gesetz­gebung die Hürden für Referenden gesenkt.

Florence Vuichard

Florence Vuichard

Auftakt des Initiativkomitees "Fuer eine sichere und vertrauenswuerdige Demokratie" anlaesslich des Starts der Unterschriftensammlung der Volksinitiative fuer ein E-Voting-Moratorium am Samstag, 16. Maerz 2019, in Luzern. (KEYSTONE/Alexandra Wey)

Unterschriftensammler haben weiterhin nur 100  Tage Zeit, um die erforderlichen Unterschriften zu sammeln, müssen sie aber neu nicht mehr selbst bei den Gemeinden beglaubigen lassen.

Keystone

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Konzernverantwortungs-Initiative, Kriegsgeschäfte-Initiative, Burka-Initiative, Referendum gegen die E-ID, Referendum gegen das Freihandelsabkommen mit Indonesien: Der Abstimmungsterminplan ist bereits wieder dicht gefüllt, und bei den Wirtschaftsvertretern steigt die Nervosität. Doch ihr Appell, die ständige Unsicherheit sei Gift für den Wirtschaftsstandort Schweiz, wird nicht erhört. Denn politisch lässt sich mit Reformen bei den direktdemokratischen Instrumenten kein Blumentopf gewinnen.

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Das musste auch der frühere CSP-Nationalrat Karl Vogler erleben, als er angesichts der hohen Zahl an Volksinitiativen verlangte, dass der Bundesrat in einem Bericht darlegen solle, wie die Hürden angepasst werden könnten – etwa durch Erhöhung der geforderten Unterschriftenzahl oder die Verkürzung der Sammelfrist. Doch das Parlament wollte nichts davon wissen und verstaute Voglers Postulat so lange in der Schublade, bis es abgeschrieben werden konnte. Solche Diskussionen sind unerwünscht.

Bundeskanzlei begläubigt künftig Unterschriften

Keine Probleme hingegen gibts beim Abbau der Hürden: So hat das Parlament – quasi unbemerkt von der medialen Öffentlichkeit – im Rahmen des Covid-19-Gesetzes die Sammelfrist bei den Referenden indirekt verlängert. Zwar bleiben den Gegnern eines Bundesgesetzes weiterhin nur 100  Tage Zeit, um die erforderlichen 50 000 Unterschriften zu sammeln.

Doch sie müssen neu die Unterschriften nicht mehr selbst bei den Gemeinden beglaubigen lassen, das soll die Bundeskanzlei für sie übernehmen. Der Grünen-Präsident Balthasar Glättli und der SVP-Nationalrat Franz Grüter, welche den Antrag in die Debatte eingebracht haben, begründen die «kleine Erleichterung bei der aufwendigen Bescheinigung» mit dem Coronavirus, das die Unterschriftensammlung im öffentlichen Raum massiv erschwere, wie sie selber erleben mussten.

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Jedenfalls haben die beiden den Abbruch der Unterschriftensammlung für die E-Voting-Moratorium-Initiative damit begründet. Bundeskanzler Walter Thurnherr wehrte sich in der Ratsdebatte vergeblich. Er betonte, dass auch in Nicht-Covid-Zeiten Volksinitiativen und Referenden nicht zustande kämen. Doch das kümmert die Räte wenig, sie lockerten die Spielregeln. Vorerst nur befristet bis Ende 2021. Aber wer weiss. Vielleicht wird dann die Lockerung verlängert. Vielleicht wieder ganz unbemerkt.

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