Guten Tag,
Anlagen für Risikoscheue sind fast ausgestorben. BILANZ hat einige Vertreter der seltenen Spezies entdeckt.
SAVOIR-FAIRE: Anlageprofis brauchen viel Fingerspitzengefühl und Energie, um die Risiken im Zaum zu halten.
Mario Wagner / 2 Agenten für BILANZTatjana Greil-Castro hat sich kürzlich ein Landgut gekauft. Dort gibt die Managerin eines Obligationenfonds Tieren, die auf den Britischen Inseln heimisch, aber selten geworden sind, ein Zuhause. Schottische Hochlandrinder sind dabei oder Berkshire-Schweine, eine ebenso gefährdete Haustierrasse. Und nicht zuletzt die roten Eichhörnchen, die von den grauen verdrängt werden. Beruflich sucht und hortet die gebürtige Österreicherin eine auf den Finanzmärkten rar gewordene Erscheinung: Anlagen mit sehr geringen Risiken. Die wurden von den Notenbanken im Zuge der geldpolitischen Lockerung gemeinsam mit dem Zins verdrängt.
Dass risikolose Renditequellen fast ausgestorben sind, ist für Menschen wie Marie Moos (Name geändert) ein Problem. Moos hat mehr als 147 000 Franken auf dem Konto. Seit dem Sommer verlangt ihre Bank, die Postfinance, bei Vermögen auf Privat- und Sparkonten von über 100 000 Franken eine «Guthabengebühr» von 0,75 Prozent. «Guthabengebühren sind kein Tabu mehr. Immer mehr Banken trauen sich, Negativzinsen von ihren Kunden zu verlangen, und setzen die Grenzwerte herunter», sagt Markus Lackner, Head Research bei der VZ Depotbank.
Moos hat zwei Möglichkeiten: entweder den Negativzins zähneknirschend zu zahlen oder zu investieren. Legt Moos 25 000 Franken an, verzichtet die Postfinance auf die Guthabengebühr. So oder so ähnlich werden immer mehr Schweizer in riskantere Anlageklassen gedrängt. Doch gerade diejenigen, die ihr Geld auf Sparkonten horten, fühlen sich an den Finanzmärkten nicht wohl, bekommen alleine beim Gedanken an den nächsten Börsencrash einen Schweissausbruch. Dass selbst herbe Abstürze wieder ausgebügelt werden und Aktien langfristig die lukrativste Renditequelle sind, wollen sie nicht hören.BILANZ hat sich für Moos und Gleichgesinnte auf die Suche nach einer scheinbar ausgestorbenen Spezies gemacht: Anlagen, die zwar nur das eine oder andere Prozent Rendite abwerfen, dies aber mit sehr überschaubaren Risiken.
Früher haben die «Eidgenossen» diese Rolle erfüllt. Renditen von zwei bis drei Prozent strichen Anleger so noch in den 2000er Jahren ohne jedes Risiko ein. 2015 wanderte die Verfallsrendite der zehnjährigen Staatsanleihe erstmals in den negativen Bereich. Obwohl zuletzt wieder deutlich gestiegen, liegt die Rendite der «Eidgenossen» über alle Laufzeiten hinweg weiterhin unter der Nulllinie. «Sollten die Zinsen nicht weiter fallen – und das ist unwahrscheinlich –, gehen Anleger, die heute in ‹Eidgenossen› investieren, leer aus», sagt Markus Lackner von der VZ Depotbank. Obwohl er sieht, dass sich, ausgehend von den USA, bei den Zinsen etwas zu bewegen beginnt, prognostiziert er, dass sich negative Leitzinsen in der Schweiz noch bis 2023 oder 2024 halten werden.
Werbung