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Die neue Seco-Chefin Helene Budliger Artieda kommt nicht aus der Wirtschaft. Sie pflegt aber engen Kontakt zu Entscheidungsträgern.
Bastian Heiniger
ÜBERRASCHENDE WAHL Helene Budliger Artieda ist neue Seco-Chefin.
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Niemand hatte sie auf der Rechnung. Doch von den 39 eingegangenen Bewerbungen sah Bundesrat Guy Parmelin in Helene Budliger Artieda (57) die fähigste Kandidatin für den Job als neue Staatssekretärin des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco). Im August tritt sie nun ihr Amt an.
Die Meinungen über ihre Wahl fielen geteilt aus: Manche Kommentatoren fragten sich, ob sie als Diplomatin mit einem in Kolumbien absolvierten Betriebswirtschaftsstudium einen genug grossen Rucksack mitbringe als wichtigste Wirtschaftsfunktionärin.
Andere sehen auch eine Chance, dass sie nämlich das einst aus dem Bundesamt für Aussenwirtschaft (Bawi) und dem Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit (Biga) fusionierte Seco mit den unterschiedlichen Kulturen besser einen könne.
So fern von der Realwirtschaft, wie es auf den ersten Blick scheinen mag, ist sie auch gar nicht. Besonders auf ihren letzten beiden Posten als Botschafterin in Südafrika und Thailand tauschte sie sich oft aus mit Schweizer Unternehmen, die in diesen Ländern präsent sind; besonders pflegte sie Kontakte zur Pharmaindustrie, aber auch zu Rohstoffkonzernen und KMUs.
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Ihre Motivation ist denn auch, sich für den Privatsektor einzusetzen, gemäss dem Motto: Wenn es der Wirtschaft gut geht, geht es dem Land gut.
Helene Budliger Artieda ist bestens vernetzt in Bundesbern. Im Aussendepartement (EDA) arbeitete sie erst mit dem ehemaligen Bundesrat Didier Burkhalter und dann mit seinem Nachfolger Ignazio Cassis zusammen und nun mit Guy Parmelin.
Engen Austausch pflegt sie noch immer mit alt Bundesrätin Ruth Dreifuss, die als Chair of the Global Commission on Drug Policy amtet und für die sie in Südafrika und später auch in Thailand Türen öffnete. Schon lange als Kollegin schätzt Budliger Artieda auch Staatssekretärin Livia Leu oder den ehemaligen SEM-Direktor Mario Gattiker.
Auch ihre Vorgängerin Marie-Gabrielle Ineichen-Fleisch kannte sie schon, als diese noch für die WTO zuständig war. Da die Schweiz damals in Doha keine Vertretung hatte, übernahm Budliger Artieda 2001 diese temporär für die bekannt gewordene Doha-Runde und wiederholte 2003 die Aufgabe für die Konferenz in Cancún.
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Als später Ineichen-Fleisch, inzwischen als Seco-Chefin, die Botschaft in Südafrika besuchte, traten die beiden gemeinsam in Johannesburg im Morgenfernsehen auf und berichteten von der Schweiz.
MITSTREITERIN Helene Budliger Artieda pflegte einen engen Austausch mit Ruth Dreifuss.
keystone-sda.chMITSTREITERIN Helene Budliger Artieda pflegte einen engen Austausch mit Ruth Dreifuss.
keystone-sda.chDie neue Seco-Chefin ist in einer Familie aufgewachsen, die in Dübendorf stark verankert ist. Ihre Mutter Margrit Budliger ist bereits verstorben, der Vater Hansruedi Budliger ist heute 85 und arbeitete früher für die Zürcher Kantonalbank. Sie hat zudem mit Karina Budliger eine Schwester, die beim SRF arbeitet.
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Ihren Mann Alex Artieda de la Sotta lernte sie als junge Mitarbeiterin im konsularischen Dienst in Peru beim Gleitschirmfliegen kennen. Der 58-jährige Informatiker ist heute Doppelbürger und in seiner Freizeit ein leidenschaftlicher Radio-Astronom. Gemeinsam leben sie am Sempachersee, haben drei Hunde und gehen gerne auf Fernwanderungen.
FAMILIE Helene Budliger Artieda mit Gatte Alex Artieda de la Sotta.
ZVGFAMILIE Helene Budliger Artieda mit Gatte Alex Artieda de la Sotta.
ZVGNach der Handelsschule in Zürich wollte Budliger Artieda eigentlich in die Hotelbranche. Doch bei einem Praktikum in Genf sah sie eine Annonce vom EDA, es wurden Mitarbeitende fürs Ausland gesucht, und das sprach sie an. So landete sie bald einmal als Sekretärin in Nigeria, Kuba und den USA.
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Weil sie berufliche Ambitionen hegte, absolvierte sie die konsularische Ausbildung. Als sie später in Kolumbien stationiert war, nahm sie zudem auf Spanisch ein Wirtschaftsstudium in Angriff, das sie im Jahr 2000 abschloss.
Danach kehrte sie in die Schweiz und nach Bundesbern zurück, wo sie beim EDA als Sachbearbeiterin in der Finanzabteilung arbeitete und zuständig war für die Auslandbudgets der Botschaften und Konsulate. Und wo sie zur Stellvertreterin des damaligen Finanzchefs Fritz Kühni wurde.
Als er in Pension ging, übernahm sie 2006 seine Funktion. Und als schliesslich Martin Dahinden, der damalige Direktor Ressourcen, zum DEZA-Chef befördert wurde, konnte sie auch ihn beerben und unter der damaligen Bundesrätin Micheline Calmy-Rey als erste Frau dieses im EDA prestigeträchtige Amt übernehmen.
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KARRIERE Martin Dahinden, Micheline Calmy-Rey
David Biedert, Keystone-SDAKARRIERE Martin Dahinden, Micheline Calmy-Rey
David Biedert, Keystone-SDADoch nach sieben Jahren packte sie erneut das Fernweh, und so trat sie in Südafrika ihre erste Stelle als Botschafterin an. In ihr Zuständigkeitsgebiet gehörten da etwa auch Namibia, Lesotho und Mauritius.
Erste Kritik kam bereits von Gewerbeverbandspräsident Hans-Ulrich Bigler: Er hätte als Seco-Chefin jemand erwartet, der «etwas näher bei der Wirtschaft ist», sagte er zum «Blick». Kritik äusserte jüngst auch SP-Chef Cédric Wermuth – zwar nicht gegen Budliger Artieda, sondern weil seiner Meinung nach das Seco die Sanktionen unmotiviert und schleppend umgesetzt habe.
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Herumschlagen müssen wird sie sich künftig auch mit den Gewerkschaften. Laut SP-Ständerat Paul Rechsteiner hat sich das Seco in den letzten Jahren zu weit von der hiesigen Realwirtschaft entfernt und an Bedeutung eingebüsst.
GEGENSPIELER Paul Rechsteiner, Cédric Wermuth, Hans-Ulrich Bigler (v.l.).
keystone-sdaGEGENSPIELER Paul Rechsteiner, Cédric Wermuth, Hans-Ulrich Bigler (v.l.).
keystone-sdaIn der Bundesverwaltung und als Botschafterin hat Budliger Artieda zahlreiche Kontakte zu Wirtschaftsgrössen geknüpft. Über die Jahre haben sich etwa freundschaftliche Beziehungen zu Mobiliar-Präsident Urs Berger, Swissrail-Präsident Peter Jenelten oder dem für Roche in Thailand zuständigen Farid Bidgoli entwickelt.
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Häufigeren Austausch pflegte sie etwa in Südafrika besonders mit Gary Nagle, dem heutigen Glencore-CEO, der damals noch für das Geschäft in Südafrika zuständig war. Und der dem Vernehmen nach damals aufzuzeigen versuchte, was Glencore unternimmt, um Minen und Umwelt zu schützen.
In dieser Zeit machte sie auch Bekanntschaft mit Richemont-Patron Johann Rupert, der in Südafrika eine Hotelfachschule betreibt und einige Elemente der Schweizer Berufslehre einführte.
WIRTSCHAFTS-CONNECTION Monika Rühl, Direktorin von Economiesuisse.
keystone-sda.chWIRTSCHAFTS-CONNECTION Monika Rühl, Direktorin von Economiesuisse.
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In Thailand wiederum hatte sie häufiger mit der Familie Chirathivat zu tun, einem der reichsten Clans des Landes. Ihr gehört der Mischkonzern Central Group, der zusammen mit der österreichischen Signa Holding um René Benko die Globus-Gruppe gekauft hat.
Langjährige Bekanntschaften verbinden sie ferner etwa mit Economiesuisse-Direktorin Monika Rühl und Jörg Gasser, CEO der Schweizerischen Bankiervereinigung.
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