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Kreditplattformen haben sich in der Covid-Krise bewährt und liefern selbst im Horrorjahr 2022 Gewinne. Herausfordernd bleibt die Inflation.
DEMOKRATISIERUNG: Über Crowdlending-Plattformen kann heute jeder Privatanleger Kredite vergeben.
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Die junge Anlageform Crowdlending hat den ultimativen Stresstest hinter sich gebracht. Nicht nur, dass die Gefahr von Zahlungsausfällen in der Covid-Krise dramatisch stieg. Es trat auch noch ein Konkurrent mit unschlagbaren Konditionen in Erscheinung: Von März bis Ende Juli 2020 konnten Unternehmen vom Bund verbürgte Überbrückungskredite bis zu 500'000 Franken beantragen, vereinfacht und mit einem Zinssatz von null Prozent.
Fast 137'000 solcher Kredite mit einem Gesamtvolumen von 14 Milliarden Franken wurden ausbezahlt – für auf Firmenkredite spezialisierte Plattformen der blanke Horror. Alle Schweizer Crowdlender zusammen vermittelten im Vorjahr gerade einmal 3000 Kredite im Gesamtwert von rund 607 Millionen Franken.
Doch selbst diesen Sturm haben die Plattformen mit Bravour überlebt. Investoren strichen Gewinne ein, kein einziger Anbieter ging bankrott. «Die Ausfälle sind in der Covid-Krise nicht extrem stark angestiegen. Die Renditen gingen nur vorübergehend zurück», sagt Andreas Dietrich, Professor an der Hochschule Luzern, der den Crowdlending-Markt regelmässig analysiert.
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Crowdlending findet in drei Bereichen statt. Die klassische Form sind die Konsumkredite, über die sich Privatpersonen Anschaffungen wie eine neue Küche finanzieren. Zunehmend holen sich auch Unternehmen im Business- oder KMU-Lending Geld von der Crowd. Anders als bei Privatkrediten sehen viele Anleger, die Firmen Geld leihen, darin auch einen guten Zweck: Kleinere Schweizer Firmen, die bei den Banken durch den Rost fallen, werden so gefördert.
Vor zwei, drei Jahren kamen Hypotheken bei den Crowdlending-Plattformen als Anlageform hinzu. Hier geht es meist um Zwischenfinanzierung mittels nachrangiger Belehnung von Bestandesliegenschaften. Im Pleitefall kommen vorher andere zum Zug. Diese Kredite laufen jedoch meist kurz und werden später von Banken abgelöst. Im Immobilienbereich ist das durchschnittliche (2021) Kreditvolumen mit 1,2 Millionen Franken besonders hoch. Bei Businesskrediten sind es 260'000, bei Konsumkrediten 34'000 Franken.
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Der heftige Sturm auf dem Markt der Schwarmfinanzierungen ist abgezogen. Doch so richtig kommt die Sonne noch nicht durch. Die allgemeine Teuerung und die steigenden Zinsen machen sowohl Privatpersonen als auch Unternehmern das Leben schwerer. Die Zinsen der relevanten zehnjährigen Swaps stiegen von minus 0,8 auf plus 1,5 Prozent. Dann schwächelt auch noch die Konjunktur: Die UBS sagt für die Schweiz fürs kommende Jahr eine Stagnation oder gar eine leichte Rezession voraus. Steigende Arbeitslosigkeit und weniger Aufträge wären eine Folge. Das Risiko von Kreditausfällen würden steigen.
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Doch bisher ist das Theorie. Laut den Anbietern ist von sinkender Zahlungsfähigkeit noch keine Spur. «Wir sehen gar keinen Anstieg der Ausfallrisiken», sagt Lend-Mitgründer Florian Kübler. Der Crowdlender habe die Zinsen zwar angehoben, «aber nicht so dramatisch». Je nach Laufzeit und Rating waren es im Schnitt zwischen 0,3 und 0,7 Prozent. Wenn überhaupt, dann wirkten sich das höhere Zinsniveau und die Inflation auf die Kredite mit schlechterer Bonität aus. Dort werde der Spielraum für Rückzahlungen kleiner.
Die Plattformen haben auch vorselektioniert. Private Auskunfteien wie CRIF und Intrum liefern Daten zu Unregelmässigkeiten bei der Zahlung von Rechnungen und leiten daraus einen Bonitätsscore her. Die Informationsstelle für Kredite (IKO) zeichnet ein Bild von der Vergangenheit des Kreditnehmers mit sämtlichen genehmigten und abgelehnten Kreditgesuchen. Und natürlich wird das Betreibungsregister geprüft.
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Bei Lend werden laut Florian Kübler auf diese Weise 50 bis 60 Prozent der Kreditanträge abgelehnt. Erfahrung mit Krediten kommt nicht ungelegen. «Die typische Kundschaft beantragt nicht zum ersten Mal einen Kredit und hat schon bewiesen, dass sie ihn bedienen kann. Die meisten kommen zu uns, um Zinsen zu sparen», sagt Kübler. Im internationalen Vergleich gilt die Schweiz im Crowdlending – wie in so vielen anderen Bereichen auch – als zuverlässig und besonders solide.
Claus Tumbrägel ist Geschäftsführer des Fixed-Income-Spezialisten NordIX. Die Hamburger haben für institutionelle Kunden einen Fonds herausgebracht, der in Crowdlending-Plattformen aus neun Ländern investiert. Hohe Renditen erkauft man sich etwa in Litauen bei NEO Finance. Die Schweiz wird in dem Fonds als «stabiles Element» eingesetzt.
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«Die Zinsen sind erschreckend niedrig, aber die Rückgewinnungsquoten sind extrem gut», sagt Tumbrägel. Besonders das einzigartige Schweizer Betreibungswesen inklusive der Lohnpfändungen für ausstehende Schulden erhöht die Sicherheit. Tumbrägels Fonds hat sich auf Konsumkredite fokussiert. Dies aus folgendem Grund: «Der typische Investor geht über Aktien und andere Anlagen bereits ganz viel Unternehmensrisiko ein.»
Über Privatkredite lasse sich diversifizieren. Zudem gingen Gläubiger bei Firmenpleiten häufiger leer aus, während private Kreditnehmer nicht allein gelassen und in den Wirtschaftskreislauf zurückgeführt würden. Auch führe eine schlechte Zahlungsmoral im Privatbereich zum Ausschluss vom Sozialleben. «Jeder braucht die Bonität für den Handyvertrag und die Wohnung. Der soziale Druck ist enorm gross.»
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In der Schweiz hat sich der Deutsche für Lend als Partner entschieden. «Die anderen waren auch okay, es ging vielfach um Nuancen, CreditGate24 beispielsweise lieferte ein paar Prozentpunkte weniger Rendite, Crowd4Cash war für die Volumen, die der Fonds braucht, einfach noch zu klein.»
Mit deutschen Konkurrenten seien Schweizer Crowdlender kaum vergleichbar. Sind dort Anbieter wie das Düsseldorfer Start-up Auxmoney auf Bevölkerungsgruppen fokussiert, die bei Banken vor verschlossenen Tresoren stehen, werben Crowdlender aus der Schweiz häufig den Banken die Kundschaft ab. Aus Sicht der Geldgeber birgt dies weniger Risiken, aber auch tiefere Renditen. «Der Return einer Lend ist mit dem des Konsumentenkredit-Portfolios einer Sparkasse vergleichbar», sagt Claus Tumbrägel.
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Mittlerweile sind 14 Anbieter auf dem Schweizer Markt aktiv. Nur Crowdlending-Pionier Cashare, die CG24 Group und Lend sind in allen drei Bereichen – Privat- und KMU-Kredite sowie Hypotheken – aktiv. Lend gilt bei den Konsumkrediten als Marktführer und baut den Hypo-Bereich erst auf, während CG24 dort schon länger aktiv ist und deshalb über ein breiteres Angebot an Immobilienkrediten verfügt. Gänzlich auf Hypos fokussiert sind SwissLending mit Projekten in der Schweiz, Frankreich und Luxemburg, Raizers und Foxstone.
Nur Konsumentenkredite bietet Lendora, während Swisspeers (inklusive Gewerbeimmos), Funders, Neocredit, Creditworld und Acredius voll auf KMU-Kredite setzen. Die Plattform Splendit vergibt ausschliesslich Studiendarlehen. Einige Anbieter sind mit Banken und Versicherungen verbandelt. So stieg die Basellandschaftliche Kantonalbank Ende 2021 mit einer Minderheitsbeteiligung bei Swisspeers ein. Postfinance beteiligte sich bei Lend und verweist KMUs an die Plattform. Die Vaudoise hält 50 Prozent an Neocredit, und hinter Funders steht die Luzerner Kantonalbank.
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Die Renditen im Crowdlending sind nicht schwindelerregend hoch, flossen bisher aber zuverlässig ohne grosse Schwankungen. So zählt Crowdlending zu den ganz wenigen Anlagen, die ihren Investoren selbst in diesem Horrorjahr Gewinne liefern. «Die meisten Asset-Klassen stürzten um 10 bis 20 Prozent ab, wir segeln da mit unseren drei, vier Prozent Rendite durch», sagt Alwin Meyer, Mitgründer und CEO der Businessplattform Swisspeers.
Bei Lend zahlen Privatkreditnehmer je nach Rating aktuell zwischen 3,54 und 9 Prozent, Firmen zwischen 4,5 und 9 Prozent. Für Anleger wirbt Lend auf der Website mit einem Nominalzins von 4,8 Prozent. Die Ausfälle übers Gesamtportfolio liegen im Schnitt jährlich bei rund 0,7 Prozent. Nach Kosten und Ausfällen liegt die Rendite bei Lend bei 4,29 Prozent.
Das Gesamtportfolio von Swisspeers weist seit dem Start vor sieben Jahren eine relativ konstante Nettorendite von 3,4 Prozent aus. «So drei bis fünf Prozent Nettorendite sind erreichbar. Für das Risiko, das man eingeht, ist der Return schon recht attraktiv», sagt Andreas Dietrich.
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Gleichzeitig mahnt Dietrich, die Anlage-Grundregel der Diversifikation beim Crowdlending unbedingt einzuhalten und den Einsatz auf mindestens 20 Kredite zu verteilen: «Fallen zwei von fünf Krediten aus, hilft mir die tiefe Ausfallquote aus der Statistik auch nicht mehr.» Die KMU-Experten Swisspeers empfehlen sogar eine Verteilung des Einsatzes auf 30 Kredite.
Durch die Mindestanlage von 1000 Franken wäre jedoch ein Investment von 30'000 Franken erforderlich. Von den Kosten der Plattform her macht es keinen Unterschied, ob die 30'000 auf einen oder auf 30 Kredite verteilt werden. Die Kosten der Plattformen liegen für Investoren jährlich meist zwischen 0,75 und einem Prozent, also etwa bei dem, was Vermögensverwalter für günstigere Aktienfonds verlangen.
Laut Florian Kübler von Lend erzielen 90 Prozent der Investoren eine positive Rendite auf ihrem Portfolio. 98 Prozent aller Anleger holen Gewinne ein, wenn sie ihren Einsatz auf mindestens 20 oder mehr Kreditprojekte verteilen. Mittels Monte-Carlo-Simulation prüfte eine externe Ratingagentur das Portfolio von Lend. Es zeigte sich, dass selbst bei einer zehnprozentigen Erhöhung der Ausfallwahrscheinlichkeit und einer signifikant tieferen Verwertungsquote von nur 20 Prozent (historisch 30 bis 40 Prozent) in mehr als 92 Prozent der Szenarien immer noch eine positive Rendite erwirtschaftet wird.
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Bei der Auswahl der Kredite steht aus Investorensicht neben dem Rating die Belastungsquote im Vordergrund. Je tiefer diese ist, umso grösser der finanzielle Spielraum des Kreditnehmers und desto unwahrscheinlicher der Ausfall. Die Schweizer Crowdlender berechnen die Belastungsquote entsprechend den Vorgaben des Konsumkreditgesetzes.
Ein Nachteil ist die längere Laufzeit hinsichtlich der Liquidität. Um dieses Problem zu entschärfen, haben viele Anbieter Zweitmärkte eingeführt: Dort lassen sich Kredite weiterverkaufen. Wie es von Anbietern wie Lend heisst, haben die gestiegenen Zinsen bei existierenden Krediten anders als bei Obligationen nicht zu Verlusten geführt. Gründe könnten folgende sein: Der Schuldner hat bereits gezeigt, dass er zurückzahlt. Zudem verkleinert sich mit der Laufzeit das Risiko.
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Während Privatkreditnehmer immer mit ihrem persönlichen Einkommen haften, tun dies etwa bei der Plattform Swisspeers zwei Drittel der KMUs. Doch ist deren Zahlungsmoral laut Swisspeers-Chef Alwin Meyer selbst in schwierigen Zeiten gross. «Die Schweizer KMUs sind zäh und ziehen es durch, selbst wenn es ökonomisch nicht mehr unbedingt sinnvoll ist. Die arbeiten sich zurück, das ist die viel zitierte Robustheit im KMU-Segment.»
Wer sich die Arbeit nicht antun will, 20 oder 30 Kredite für sein Kreditportfolio auszuwählen und mitzusteigern, hat auch andere Möglichkeiten. Bei Anbietern wie Swisspeers investiert man ab 30'000 Franken automatisiert via AutoInvest. Sind Laufzeiten, Anlagebegrenzungen pro Ratingklasse, Branchenauswahl und die minimale Verzinsung gewählt, bietet das Programm bei den Krediten mit. Lend nennt ihr ähnliches Angebot RoboInvest.
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Zunehmend drängen auch Fonds wie derjenige von Claus Tumbrägel auf den Markt, die sich um die Auswahl der aussichtsreichsten Kredite kümmern. Tumbrägel überlegt sich, die Fonds auch in der Schweiz auf den Markt zu bringen. «Der romantische Crowd-Gedanke existiert zwar noch, aber er rückt durch die zunehmende Professionalisierung stärker in den Hintergrund», sagt Experte Dietrich.
Exklusiv in die Kredite von Lend investiert der 1741 Private Debt Fund. 90 Prozent machen Konsumkredite aus. Die Gebühr für die Dienstleistung liegt bei 50 Basispunkten. Im Vergleich zu herkömmlichen Aktienfonds ist das nicht hoch, bringt aber einen guten Teil der Zinsen. Ein Vorteil: Durch die ISIN-Nummer können solche Crowdlending-Anlagen auch im Wertpapierdepot lagern.
Auch die Palette der Crowdlender dürfte sich noch erweitern. Lend plant etwa, Finanzierungen für Solardächer anzubieten. Solarparkbetreiber holen sich über die Plattform frisches Geld. Gedeckt sind die Investments durch «Power Purchase Agreements». Der Anleger ist so abgesichert. «Als Risiko bleibt, dass die Sonne nicht scheint», sagt Florian Kübler.
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