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Ex-UBS-Mann Andrea Orcel kehrt als CEO von Uncredit fulminant auf die europäische Bankenbühne zurück. Einige Rechnungen sind noch offen.
Andrea Orcel wurde Ende Februar zum neuen Chef der italienischen Grossbank Unicredit ausgerufen.
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Der grosse Prozess beginnt für die UBS am 8. März – wenn das Virus es zulässt. Die Revision des Schwarzgeldprozesses in Paris war eigentlich im letzten Juni angesetzt, doch dann kam der Lockdown. Dieses Mal steht der Termin noch, und Rechtschef Markus Diethelm ist gefordert wie nie in seiner Karriere: Die erstinstanzliche Rekordbusse von 4,5 Milliarden Euro lastet heftig auf dem Kurs. Kann der 63-Jährige das Preisschild deutlich senken, darf er als Held abtreten.
Da wird es fast zur Nebensache, dass tausend Kilometer südlich, im nicht ganz so herrschaftlichen Madrid, zwei Tage später ein anderer Prozess ansteht, in dem die UBS ebenfalls eine Rolle spielt. Doch hier geht es nicht um grosse Summen, sondern um grosse Egos. Und um eine Schlammschlacht zwischen drei der mächtigsten Banken Europas.
Andrea Orcel, Ende Februar zum neuen Chef der italienischen Grossbank Unicredit ausgerufen, hat die spanische Grossbank Santander verklagt, weil sie ihm trotz eines gültigen Arbeitsvertrags im Januar 2019 den Arbeitsantritt als neuer CEO verweigerte. Die Gesamtschadenssumme beziffern Orcels Anwälte auf 112 Millionen Euro. Als Begründung für die Absage an Orcel nannte die Santander-Präsidentin Ana Botín die Weigerung der UBS, die gesperrten Salärpakete von Orcel an ihn auszuzahlen. Das sei Teil der Vereinbarung gewesen, und dass ihre Bank wiederum den Betrag von knapp 50 Millionen Euro übernehmen solle, sei ihren Aktionären nicht zuzumuten.
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Fast zwei Jahre sind vergangen, seit Orcel die Klage lanciert hat, auch dieses Verfahren musste wegen Corona warten. Ruhig war es um den Mann geworden, der als letzter Starbanker Europas gilt – unter anderem verhalf er etwa Emilio Botín, dem Vater der aktuellen Santander-Präsidentin, mit geschickten Übernahmen in Mexiko, Brasilien und England zur Weltgeltung. Der 57-Jährige verbrachte die Corona-Zeit in London und entdeckte, dass das Leben nicht nur aus Arbeit besteht. Er legte sich einen Hund zu und genoss die Zeit mit der Tochter und seiner portugiesischen Ehefrau.
Gegen die spanische Bankenzarin Ana Botin hat Andrea Orcel eine Klage eingereicht.
BloombergGegen die spanische Bankenzarin Ana Botin hat Andrea Orcel eine Klage eingereicht.
BloombergDer Lohn fürs Nichtstun war apart: Pro Jahr wurden mehr als 7 Millionen Franken seiner ausstehenden UBS-Vergütung frei. Etwa 40 Prozent der gut 50 Millionen, also mehr als 20 Millionen, hat er bereits bezogen, wenn er am 15. April den Chefposten in Mailand übernimmt. Dann wird die UBS die Zahlungen stoppen: Er wechselt zu einem Wettbeweber. «If you leave, you lose», bekräftigte Präsident Axel Weber Anfang Februar noch einmal explizit. Die UBS kann also gut 30 Millionen Franken behalten.
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Ob das allerdings ein gutes Geschäft ist, darf bezweifelt werden. Denn Santander und Unicredit sind auch Kunden der UBS – Handelsaufträge, Beratung. Mehr als 50 Millionen Franken soll sie vor dem Streit von Santander bezogen haben, mehr als 10 Millionen sind es bei Unicredit. Die dürften jetzt wegfallen. Peanuts angesichts der drohenden Paris-Busse, gewiss. Doch dass zusätzlich auch das Verhältnis zwischen den drei Top-Playern vergiftet ist, wirkt wenig bekömmlich. Weber, als Präsident des Weltbankenverbands IIF so etwas wie der Oberhirte der globalen Bankenszene, fällt hier als Schlichter aus. Er ist selbst zu stark involviert.
Persönlich aussagen muss der UBS-Präsident nicht in Madrid. Sein Statement ist klar: Er hat mehrfach betont, dass er Botín direkt per Telefon kommuniziert habe, dass die UBS die Zahlungen an Orcel nicht übernehmen werde, wenn der zu Santander wechsle.
Dass der UBS-Präsident so hart bleibt, ist rechtlich abgesichert: Die UBS ist laut den Arbeitsverträgen ihrer Führungskräfte befugt, Orcel die aufgeschobenen Zahlungen zu verweigern, da er von sich aus zu einem Konkurrenten gewechselt ist. Doch ob jemand als «Good leaver» oder «Bad leaver» gilt, ist eben immer auch ein Stück Ermessenssache. Ex-Finanzchef John Cryan etwa durfte seine Ansprüche behalten, als er Deutsche-Bank-Chef wurde, ebenso Ex-Investmentbanking-Chef Carsten Kengeter, der CEO der Deutschen Börse wurde. «Ältere Fälle», stellt die Bank klar, damals hätten noch andere Regeln gegolten. Und dass Langzeit-Chef Sergio Ermotti zur Swiss Re wechsle, sei ebenfalls kein Problem – Versicherungen seien von der Konkurrenzklausel ausgenommen (wobei auch Santander primär Kunde und nicht Konkurrent ist). Aber was ist mit seiner Tätigkeit bei einem Spac-Investmentvehikel? Da steht er in Konkurrenz zur UBS.
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UBS-Kapitän Axel Weber (l.) blieb hart gegenüber Orcel – der designierte Unicredit-Chairman Pietro Carlo Padoan wollte ihn.
Bloomberg/ImagoUBS-Kapitän Axel Weber (l.) blieb hart gegenüber Orcel – der designierte Unicredit-Chairman Pietro Carlo Padoan wollte ihn.
Bloomberg/ImagoEs sind eben auch immer Emotionen im Spiel. Als der UBS-Verwaltungsrat im September 2018 von dem Santander-Angebot an Orcel erfuhr, machte er dem Italiener sofort eine Gegenofferte: Beförderung zur klaren Nummer zwei mit dem Versprechen, in absehbarer Frist Ermotti als Bankchef abzulösen. Orcel entschied sich dennoch für Santander. Harmoniefördernd war das nicht.
Doch auch das lange so enge Verhältnis zwischen Orcel und Botín ist nachhaltig zerrüttet. Zwar ist es noch möglich, dass sich die Streitparteien vor Prozessbeginn einigen. Doch wahrscheinlich ist das nicht. Dass der gewandte Orcel die mächtigste Bankerin Europas auf ihrem Hometurf verklagt, soll die hochemotionale Frau als Affront sondergleichen auffassen. Wohlmeinende Ratschläge zur aussergerichtlichen Einigung aus ihren eigenen Kreisen waren offenbar chancenlos.
Die erste Vor-Anhörung im September lief jedoch nicht gut für sie. Denn der in zahlreichen Übernahmeschlachten gestählte Orcel würde einen derartigen Prozess kaum beginnen, wenn er sich seiner Sache nicht sehr sicher wäre. Er verfügt über eine vierseitige schriftliche Zusicherung von Santander, dass die Bank für seine Anstellung die gesperrte Vergütung übernehmen würde. Einen Abschlag von 15 Millionen auf 35 Millionen Euro hatte er akzeptiert. Die Gültigkeit dieser Vereinbarung nach spanischem Recht liessen sich seine Anwälte extra von einem unabhängigen renommierten spanischen Rechtsprofessor bestätigen.
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Ana Botín läuft damit Gefahr, eine heftige Schlappe einzustecken. Dabei geht es auch aus Santander-Sicht nicht um die grossen Beträge. Bei dem von der Orcel-Seite lancierten Streitwert von 112 Millionen Euro handelt es sich um eine Maximalforderung, die sich aus entgangenem Salär und Reputationsschaden zusammensetzt. Wahrscheinlicher ist, dass der Richter eine Zahlung in der Grössenordnung von 20 Millionen Euro anordnet. Doch auch diesen Betrag dürfte Botín kaum bezahlen. Es geht um Ego und Ehre. Und zwei weitere Instanzen stehen ihr noch offen. In Spanien darf Santander einfach nicht verlieren.
Orcel kann dennoch gelassen bleiben. Das Verfahren in Madrid hat keine Auswirkungen auf seine neue Anstellung bei Unicredit. Dass er das Verfahren vor seinem Amtsantritt in Mailand Mitte April abschliessen muss, wie manche Medien kolportierten, entspricht nicht den Tatsachen – vom Unicredit-Verwaltungsrat gibt es da keine Vorgaben. Die europäische Bankenaufsicht hat ihm grünes Licht für seinen neuen Job gegeben.
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Mit seinem Schritt beweist er, dass auch für ihn Geld nicht alles ist. Denn er verzichtet auf eine stattliche Summe – hätte er einfach bei der UBS seine Zeit abgesessen, wäre das für ihn deutlich lukrativer gewesen. Zwar hat der Unicredit-Verwaltungsrat das Salär schon bei der Ausschreibung angehoben: Verdiente Orcels Vorgänger Jean-Pierre Mustier zuletzt 1,2 Millionen Euro, winken Orcel jetzt etwa 3,5 Millionen. Die UBS-Zahlungen jedoch wären bis 2025 jedes Jahr etwa doppelt so hoch gewesen – und er hätte nicht arbeiten müssen.
Doch für den Mann aus Rom ist die Verpflichtung auch ein «call to duty». Kein italienischer Banker verfügt über seine internationale Erfahrung. Die Herausforderung ist gross. In Italien ist Unicredit zwar nur noch die Nummer zwei hinter Intesa, und die Corona-Krise hat den Kurs abstürzen lassen. Aber sie ist eine der wenigen Banken, die das Etikett «paneuropäisch» wirklich verdienen. Durch die Übernahme der Hypovereinsbank ist Unicredit die Nummer zwei in Deutschland und mit der Bank Austria die Nummer eins in Österreich, dazu auch Marktführer in Kroatien und Bosnien. Bei der schon so lange prophezeiten Konsolidierung des europäischen Bankenmarkts will Orcel eine führende Rolle spielen. Dass er einmal Chef einer Grossbank werden wollte, hat er schon vor einigen Jahren angekündigt. Jetzt kann er endlich loslegen.
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Es ist für ihn eine Rückkehr der besonderen Art. Als gerade 35-Jähriger hatte Orcel den Konzernarchitekten Allessandro Profumo 1998 bei dem Zusammenschluss des Credito Italiano mit mehreren Regionalbanken zur Unicredit beraten. Als Profumo 2010 gehen musste, wollte ein gewisser Sergio Ermotti, damals einer von drei Vizes, CEO von Unicredit werden. Doch dass er keinen italienischen Pass hatte, schmälerte seine Chancen. Jetzt übernimmt Orcel den Job, den Ermotti damals gern gehabt hätte.
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