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UBS-Präsident

Colm Kelleher zündet bei der UBS die nächste Stufe

Der Ire Colm Kelleher übernimmt als UBS-Präsident. Wer ist der Mann? Und: Traut er sich einen grossen Deal?

Dirk Schütz

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COLMS COMEBACK: 30 Jahre Morgan Stanley, drei Jahre Pause, jetzt auf den Präsidentensessel der UBS: Colm Kelleher.

Michael Bucher

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Der Jakobsweg ist eine Erfahrung der besonderen Art. 820 Kilometer erstreckt er sich bis nach Santiago de Compostela, der meistbegangene Pilgerweg der Welt im Norden Spaniens ist für Katholiken längst zu einer Modestrecke geworden, die Päpste, Schauspieler und Schriftsteller beschritten haben, von Johannes Paul II. bis zum brasilianisch-schweizerischen Esoterik-Granden Paolo Coelho.

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Einige Monate nach seinem Ausscheiden bei einem der mächtigsten Geldhäuser der Welt begab sich auch ein irischer Katholik namens Colm Kelleher auf den Weg. Die Pilgerreise war auch ein Versprechen an seine tiefgläubigen Eltern. Begleitet von seinem Bruder, auch er sehr gläubig, lief er mehr als einen Monat durch die karge Landschaft. Ganz auf Luxus wollte er jedoch nicht verzichten: Der Whisky-Liebhaber mischte sich abends schon mal seinen Jim Beam mit Wasser und gönnte sich, soweit möglich, auch ein Einzelzimmer mit Dusche. So viel Lebensqualität musste sein für einen Banker, der lange mehr als 20  Millionen Dollar pro Jahr verdient hatte.
 

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MItten in die Innenstadt

Spirituelle Erfahrungen blieben zwar aus, aber immerhin reifte in Colm Kelleher ein Entschluss: Er wollte wieder arbeiten. «Ich vermisse meinen Job viel weniger, als ich dachte», hatte er nach seinem Abschied noch der «Financial Times» berichtet. Doch es kribbelte wieder. Knifflige Entscheidungen treffen, mit Kollegen über die geliebten Märkte philosophieren, vom privilegierten Informationsfluss an den Schalthebeln eines Finanzmultis profitieren: Das hatte er doch sehr vermisst. Es fehlte nur das richtige Angebot.

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FAIBLE FÜR HISTORIE: Eigentlich wollte Kelleher Geschichtsprofessor werden – seine Exkurse sind legendär.

Michael Bucher Photography
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FAIBLE FÜR HISTORIE: Eigentlich wollte Kelleher Geschichtsprofessor werden – seine Exkurse sind legendär.

Michael Bucher Photography

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Mitte März sitzt der 64-Jährige in einem Besprechungsraum in der UBS-Zentrale an der Bahnhofstrasse in Zürich. Am 6.  April soll er das VR-Präsidium der Grossbank übernehmen, doch die Einarbeitung ist bereits einige Wochen vorher angelaufen – der scheidende Amtsinhaber Axel Weber nimmt ihn zu allen internen Sitzungen mit, das Programm ist streng getaktet. Der Kontakt ist eng: Kelleher wohnt mit seiner Frau in einer Mietwohnung in der Zürcher Innenstadt, später will er die Wohnung von Weber übernehmen, in Gehdistanz zum UBS-Hauptsitz. Lebensqualität statt Steueroptimierung: Der Gang ins steuermilde Zug, wie ihn etwa UBS-CEO Ralph Hamers angetreten hat, ist nichts für ihn – auch weil seine Frau lieber Grossstadtflair möchte. Die Kellehers kommen von London in die Schweiz. Hellblaue Krawatte mit Goldmotiven, ein schalkhaftes Lächeln, stets für eine Anekdote gut. Vor der Präsidentenkür reist er mit seiner Frau und den drei erwachsenen Kindern noch nach Jordanien – der Mittlere Osten hat ihn schon immer fasziniert. Als die Familie vor dem Bürgerkrieg Syrien besuchte, war das Kulturprogramm so ausgefeilt, dass die einzige Tochter sich bei ihrem Vater über die «Schulreise» beschwerte.

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John Mack, former chairman and chief executive officer of Morgan Stanley, speaks during a Bloomberg Television interview in New York, U.S., on Wednesday, Dec. 30, 2015. Mack, now a Glencore PLC director, discussed the commodities markets and Glencore's turnaround plan. Photographer: Chris Goodney/Bloomberg *** Local Caption *** John Mack

MENTOR: Enge Morgan-Stanley-Gefährten: Ex-Chef John Mack.

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John Mack, former chairman and chief executive officer of Morgan Stanley, speaks during a Bloomberg Television interview in New York, U.S., on Wednesday, Dec. 30, 2015. Mack, now a Glencore PLC director, discussed the commodities markets and Glencore's turnaround plan. Photographer: Chris Goodney/Bloomberg *** Local Caption *** John Mack

MENTOR: Enge Morgan-Stanley-Gefährten: Ex-Chef John Mack.

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Jedoch: Über sich selbst reden behagt ihm nicht. «Banker sollten langweilig sein», lautet sein Credo, ganz nach dem Motto von Richard Fisher, dem legendären Chef der Wall-Street-Ikone Morgan Stanley, für die er den Grossteil seines Berufsleben arbeitete: 30  Jahre. Oft gebraucht er im Gespräch das «Wir», wenn er von seiner Ex-Firma spricht, um dann gleich lachend nachzuschieben, dass er jetzt ja bei der UBS sei.
Seine Wahl kam überraschend. Die UBS hatte sich viel Zeit gelassen, einen Tag vor der Ankündigung Ende November nannte die stets seriöse Nachrichtenagentur Reuters noch den französischen Ex-Unicredit-Chef Jean Pierre Mustier als Top-Kandidaten, und Weber selbst hatte vorher über eine Frau als Nachfolgerin spekuliert. Doch dann kam ein Banker, der in diesem Jahr die Schweizer Pensionsgrenze erreicht und damit gleich alt ist wie sein Vorgänger, der den Posten vor zehn Jahren übernahm – der Wahl haftet ein Hauch von Notlösung an, auch wenn die UBS diesen Eindruck sofort abschütteln wollte.

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James Gorman, chairman and chief executive of Morgan Stanley, speaks during the AFR Business Summit in Sydney, Australia, on Tuesday, March 8, 2022. Gorman said the U.S. Federal Reserve should still commence a series of rate hikes despite the geopolitical and economic risks sparked by the war in Ukraine. Photographer: Brendon Thorne/Bloomberg

MITSTREITER: Der aktuelle Morgan-Stanley-CEO James Gorman.

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James Gorman, chairman and chief executive of Morgan Stanley, speaks during the AFR Business Summit in Sydney, Australia, on Tuesday, March 8, 2022. Gorman said the U.S. Federal Reserve should still commence a series of rate hikes despite the geopolitical and economic risks sparked by the war in Ukraine. Photographer: Brendon Thorne/Bloomberg

MITSTREITER: Der aktuelle Morgan-Stanley-CEO James Gorman.

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Wikipedia findet Kelleher offenbar so langweilig, dass es nicht einmal einen Eintrag über ihn gibt: Aufgeführt ist dort nur der «Lord Mayor of Cork», der Bürgermeister der irischen Stadt Cork, aus der auch Kelleher stammt und die jetzt von einem Politiker gleichen Namens geführt wird. Der Mann, der zum mächtigsten Banker der Schweiz aufsteigt, ist dagegen weitgehend unbekannt. Kein Wunder: Die Institution, nicht die Person sollte im Vordergrund stehen, betont er stets und verweigerte sich persönlichen Stories. So rätselten die mehr als 80 000 UBS-Mitarbeiter mit dem gesamten Finanzplatz bei seiner Nominierung: Colm Who?
 

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Barocke Persönlichkeit

Jedoch: Wenn Kelleher etwas nicht ist, dann langweilig. Von einem Bank-Technokraten der jungen Generation könnte er nicht weiter entfernt sein. Wer sich umhört, bekommt fast das Bild einer barocken Persönlichkeit: ein irischer Lebemann mit republikanischem Ethos und Eliten-Aversion, ein starker Truppenführer mit profunder Erfahrung in allen Facetten des Bankings, ein Finanzmanager, der über den engen Horizont seines Geschäfts blickt. In jungen Jahren wollte er Geschichtsprofessor werden, und seine historischen Exkurse brachten seine Untergebenen bei Morgan Stanley schon mal dazu, unter dem Tisch die von Kelleher erwähnten Ereignisse zu googeln.

24 Mio. Dollar

bezog Kelleher in seinem letzten Amtsjahr als Nummer zwei bei Morgan Stanley.

50 Mio. Dollar

ist sein letztes ausgewiesenes Aktienpaket von Morgan Stanley in etwa wert.

5,2 Mio. Franken

bezog Axel Weber für sein letztes Amtsjahr als UBS-VR-Präsident.

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Kann der frühere Ökonomieprofessor Axel Weber aus dem Stand heraus eine Einschätzung der Wirtschaftslage abgeben, die an Prägnanz in der geschwätzigen Bankenwelt fast unerreicht ist, so kann Kelleher zu Monologen ansetzen, die jedem Geschichtsseminar zur Ehre gereichten. Und das durchaus mit einer Prise irischem Absurdismus im Sinne des grossen Samuel Beckett: Seine Leidenschaft gilt dem Byzantinischen Reich, und diese hat er dann doch eher exklusiv – er wollte einst sogar ein Buch über das Imperium im Schatten der grossen Geschichtschreibung verfassen.
Allerdings: Das Klischee des zerstreuten Geschichtsprofessors verkörpert er keinesfalls. Ein Zucken seiner Augenbraue signalisiere höchste Gefahr, befand Reuters einst und berichtete von dem Verbot Kellehers an seine Mitarbeiter, selbst in der grössten Sommerhitze New Yorks die Jacketts abzulegen – der Gegensatz zum legeren CEO Ralph Hamers ist offensichtlich. Als «direkt und freimütig» beschrieb ihn Reuters dann auch, und das bestätigt er im Gespräch. Der Brexit? Ein Fehler. Trump? Schlecht für Amerika. Putin? Ein übler Revisionist.

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Axel A. Weber, left, Chairman of the Board of Directors of UBS and Ralph Hamers, right, new CEO of Swiss Bank UBS, during a press conference in Zurich, Switzerland, Thursday, February 20, 2020. Dutchman Ralph Hamers will replace Sergio Ermotti, who is still UBS boss, on November 1, 2020. (KEYSTONE/Walter Bieri)

DER VORGÄNGER UND DER CEO: Axel Weber (links) übergibt nach zehn Jahren den Präsidentensessel an Colm Kelleher, der mit CEO Ralph Hamers das neue Führungsgespann bildet.

Keystone
Axel A. Weber, left, Chairman of the Board of Directors of UBS and Ralph Hamers, right, new CEO of Swiss Bank UBS, during a press conference in Zurich, Switzerland, Thursday, February 20, 2020. Dutchman Ralph Hamers will replace Sergio Ermotti, who is still UBS boss, on November 1, 2020. (KEYSTONE/Walter Bieri)

DER VORGÄNGER UND DER CEO: Axel Weber (links) übergibt nach zehn Jahren den Präsidentensessel an Colm Kelleher, der mit CEO Ralph Hamers das neue Führungsgespann bildet.

Keystone


Geboren wurde er als Sohn eines Arztes in Cork County im Süden Irlands. Neun Kinder zählte die Familie, sieben Brüder und eine Schwester, er war das vierte Kind. Doch die Armut Irlands trieb auch die Kellehers fort, die Familie ging nach Nordengland, wo der Vater eine Praxis eröffnete. Es war eine irische Diaspora: Die Katholiken hielten zusammen, der junge Colm ging wie seine Geschwister auf eine katholisch-irische Schule in Liverpool, Kontakt mit Engländern gab es kaum. Wohlhabend war die Familie nicht, keines der Kinder folgte in den Arztberuf. Doch schon in diesen Tagen formte sich seine Ablehnung gegen das englische Klassensystem und dessen Eliteschulen. Zwar gelang ihm selbst der Sprung nach Oxford, doch auch wenn er sich geschickt bewegte, so fühlt er sich auch heute noch in London nicht sehr wohl. Die egalitäre Schweiz mit ihrer grösseren sozialen Durchlässigkeit findet er da sehr attraktiv.

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Vormann im Maschinenraum

Aus einer akademischen Karriere wurde nichts, daran konnte auch seine Begeisterung für Byzanz nichts ändern. «Ich bin durch Zufall ins Banking gekommen», sagte er einst der «Business Times Singapore». «Ich wollte ein Wissenschaftler sein, war aber nicht clever genug.» Auch schreckte ihn die lange Dauer einer Doktorarbeit. Er hörte sich um – und landete im Banking. In London begann er bei der kleinen Bank Robert Fleming, und die Welt des Geldes elektrisierte ihn schnell. Jedoch: Um voranzukommen, brauchte der Historiker finanzielles Rüstzeug. Er ging zur Revisionsfirma Arthur Andersen und liess sich dort zum Chartered Accountant ausbilden. Anschliessend ging es zur County Bank, einem Ableger der britischen NatWest, wo er auch seine spätere Ehefrau kennenlernte, halb Schottin, halb Italienerin. Jedoch: Die englischen Banken interessierten ihn nicht wirklich (sie schafften es immer, eine Investmentbank zu ruinieren, lautet eine seiner Sottisen). Und so landete er 1989 bei Morgan Stanley, der edlen New Yorker Investmentbank, die gerade ihre Präsenz in Europa hochfuhr.

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AUSZEICHNUNG IN FLORENZ: Der Wahl-Toskaner Kelleher bekommt 2019 symbolische Schlüssel von der Organisation Le Chiavi della Città für sein Engagement für die Stadt Florenz überreicht.

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AUSZEICHNUNG IN FLORENZ: Der Wahl-Toskaner Kelleher bekommt 2019 symbolische Schlüssel von der Organisation Le Chiavi della Città für sein Engagement für die Stadt Florenz überreicht.

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Banking ist ein Herdengeschäft, bei dem es für den Aufstieg zentral ist, auf den richtigen Rudelführer zu setzen. Kelleher fand schon in jungen Jahren seinen Förderer: John Mack, der als einer der wenigen Mitglieder aus der New Yorker Führungsriege regelmässig nach London kam und eine Kultur pflegte, die auch Kelleher praktizieren sollte. Er schritt über die Händlerflure, interessierte sich für die Mitarbeiter unabhängig von der Position, motivierte sie. Und er war Chef des Fixed-Income-Geschäfts, in einer Bank, die wie die UBS stärker auf Aktien setzte, eher ein Randgeschäft. Die beiden fanden schnell den Draht zueinander, Mack machte Kelleher zum Leiter des Fixed-Income-Verkaufs für Europa. Als Mack 2001 nach einem verlorenen Machtkampf gegen den damaligen Hoffnungsträger Phil Purcell als Co-Chef zur Credit Suisse wechselte, überlegte sich Kelleher das einzige Mal in seiner Karriere einen Wechsel – und wäre damals schon fast in Zürich gelandet. Doch er blieb in London und baute sein Netzwerk auf, durchaus trink- und feierfreudig, am Wochenende gern auf der Tribüne seines Herzensvereins Chelsea.
Mack kehrte 2005 nach dem Scheitern Purcells zu Morgan Stanley zurück, ausgestattet mit der ganzen Machtfülle eines CEO und Chairman. Jetzt nahm die Karriere Kellehers richtig Fahrt auf. Mack holte ihn in die Zentrale am New Yorker Times Square und machte ihn erst zum Kapitalmarktchef und dann zum Finanzchef. Hier lief Kelleher zu grosser Form auf: Er war der wichtigste Mann von Mack in der Finanzkrise, gemeinsam stellte sich das Duo gegen einen Verkauf der Bank, den das Finanzministerium gefordert hatte. In dem Finanzkrisen-Bestseller «Too Big to Fail» von Andrew Ross Sorkin lieferte Kelleher all die schönen Wall-Street-Sprüche, die ihn bestens für einen Hollywoodfilm qualifizieren würden: Shortseller seien «kaltblütige Reptilien» oder das Zahlenwerk eines Konkurrenten «ein Shit-Sandwich, das nicht einmal in meinen Mund passt».

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RANGLISTE

Allerdings: Als es um die Nachfolge Macks ging, kam Kelleher nicht zum Zug. Ihm haftete der Ruf des jovial-harten Machers an, des Vormanns im Maschinenraum, aber nicht des grossen Strategen, den es für die Neuausrichtung brauchte. Neuer Chef wurde der ein Jahr jüngere Ex-McKinsey-Mann James Gorman, der das Wealth Management leitete und die Firma radikal auf diesen Wachstumsbereich ausrichten sollte – wie es auch Axel Weber und sein CEO Sergio Ermotti bei der UBS taten. Die Nichtberufung zum CEO wurmte Kelleher schon, wie er später in der «Financial Times» zugab («Ich wäre gern CEO geworden»)». Doch er blieb, und die beiden ergänzten sich unerwartet gut: Gorman delegierte das gesamte Tagesgeschäft an Kelleher, der als klare Nummer zwei den Titel «President» trug. Nebenbuhler gingen von sich aus oder wurden entlassen – ein Fan von Co-Chefs war Kelleher nie. Vor drei Jahren ging er dann von sich aus, damit sich die nächste Generation besser in Stellung bringen konnte. «Von ihm habe ich mir stets den ersten Rat geholt», verabschiedete sich Gorman sehr emotional.
 

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Anglo-Irisches Sandwich

Er zog von New York zurück nach London und verbrachte viel Zeit auf seinem Anwesen in der Toskana, der Heimat des italienischen Familienteils seiner Frau, und machte sich sogar um die Wirtschaftsförderung von Florenz verdient (siehe Foto links). Doch Zigarren, Whisky und Rotwein allein waren auf Dauer auch nicht die Lösung. Dass er offen war für neue Abenteuer, signalisierte er dem Finanzmarkt mit einem eher unglücklichen Intermezzo: Der aktivistische Hedge Fund Cerberus suchte eine Kühlerfigur für ihren Sturm auf die taumelnde Deutsche Bank, und Kelleher liess sich überzeugen, als Sprengkandidat gegen den amtierenden Präsidenten Paul Achleitner anzutreten. Doch die Revolte fiel in sich zusammen, und so richtig überzeugt war Kelleher ohnehin nicht. Das war anders bei der UBS-Offerte, die ihn via die Personalfahnder von Egon Zehnder erreichte und glücklicherweise von einem Bekannten geleitet wurde: Jeremy Anderson, als langjähriger Chef des Revisionsriesen KPMG eine bekannte Grösse in der Londoner City, trieb als Lead Director und Vizepräsident der UBS die Anstellung Kellehers voran.Zentral war dabei ein Schachzug Webers: Er hatte den langjährigen Schweiz-Chef Lukas Gähwiler früh als Vizepräsidenten gewonnen und so die Schweiz-Flanke abgedeckt. Der Verwaltungsrat hatte dadurch die Beinfreiheit für die Wahl eines externen Ausländers. Formal ist Andersons Macht zwar gesunken: Den Titel des Vizepräsidenten gab er an Gähwiler ab. Doch er bleibt Senior Independent Director, was ihm gemäss Satzung eine mächtigere Stellung einräumt als dem Vizepräsidenten, inklusive der Einberufung einer Sitzung ohne den Präsidenten zweimal pro Jahr. Gähwiler kann die Schweiz-Karte spielen, die beide nicht kennen, muss allerdings aufpassen, nicht in ein anglo-irisches Sandwich zu geraten. Die Schweiz-PR dürfte allerdings an Bedeutung gewinnen, denn die Pro-Europa-Doppelspitze – der Holländer Hamers und der Ire Kelleher – bietet Angriffsfläche für das rechte Lager: Zwei Katholiken mit EU-Affinität führen die Bank. Der älteste Bruder Kellehers, Declan Kelleher, war sogar lange irischer EU-Botschafter.

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Bilanz
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Die Nähe zu Bundesbern auf zwei Schultern zu verteilen, bleibt ohnehin ein Experiment, denn letztinstanzlich ist laut Aktienrecht der VR-Präsident verantwortlich. Weber war da die Idealbesetzung. Sein Draht zu Finanzminister Ueli Maurer und auch zum Nationalbank-Chef Thomas Jordan, den er aus seiner Bundesbank-Zeit kannte und schätzte, war extrem gut. Dass er am Ende dann doch nach zehn Jahren ging, wie er es zwar immer angekündigt hatte, erstaunte manche enge Wegbegleiter, denn intern hatte er schon mal eine laut Satzung mögliche Verlängerung um zwei Jahre ventiliert.

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Bislang waren Deals Tabu

Doch indem er den Auswahlprozess an den Lead Director Anderson übertrug, entwickelte sich eine Eigendynamik, und nur die späte Kür von Kelleher – er kam offenbar erst spät in die engere Auswahl – verrät ein Rumpeln beim Selektionsprozess. Im Nachhinein hat Weber auch hier alles richtig gemacht: mit Hamers einen frischen CEO in die Bank gebracht, der als digitaler Organisations-Optimierer immer mehr Zugriff auf den Koloss bekommt, und jetzt die eigene Nachfolge mit einem ausgewiesenen Bankprofi gelöst.Doch so wie der Ex-Bundesbank-Chef mit seinem unbefleckten Ruf nach der Nahtod-Erfahrung durch die Finanzkrise und dem Zwei-Milliarden-Verlust durch den Händler Kweku Adoboli die richtige Wahl war, so könnte es jetzt auch der Morgan-Stanley-Veteran Kelleher für die nächste Phase sein. Weber kam nicht aus dem operativen Geschäft, und wenn es um fachliche Details ging, wusste er genau, ab welchem Punkt er dem Bankprofi Ermotti die Entscheidungen überlassen musste. Doch die UBS wieder aufzurichten, dem Filialleiter im Wallis die Hand zu schütteln und die Bank auf internationalem Parkett erstklassig zu vertreten (Weber ist auch Chairman des globalen Bankenverbandes IFF): Da war er die Idealbesetzung.
Kelleher bringt zwar auch viele internationale Kontakte mit, doch die liegen vor allem bei Bankern rund um die Welt. Er ist ein Mann der Praxis und da eher mit Ermotti, Oswald Grübel oder Marcel Ospel zu vergleichen. Für die nächste Stufe könnte gerade sein Vorleben bei Morgan Stanley von grosser Bedeutung sein. Die beiden Grossbanken waren sich schon immer ähnlich. Von New York aus war die UBS die einzige Bank, die die Morgan-Stanley-Führung als europäischen Widerpart ansah, und auch das interne Benchmarking bei UBS bezieht sich seit Jahren vor allem auf drei Institute: Credit Suisse und Julius Bär im Inland – und Morgan Stanley im Ausland. Wie die UBS ist Morgan Stanley vor allem im Aktiengeschäft stark, wie die UBS hat auch Morgan Stanley das Wealth Management nach der Finanzkrise forciert.
Einen gewichtigen Unterschied gibt es jedoch: Morgan Stanley ist auch durch Übernahmen gewachsen, und darin liegt ein Grund für die deutlich höhere Marktkapitalisierung seit der Finanzkrise (siehe rechts). Besonders der Kauf des Wealth Managers Smith Barney war ein grosser Schritt nach vorn. Die UBS befindet sich hier dagegen noch immer in Schockstarre – grössere Deals waren bislang tabu. Zwar prüfte die Bank intern immer mal wieder Übernahmen, auch die Fusion mit der CS oder ein Kauf von Bär wurden durchgespielt. Doch dann fehlte der Support im Verwaltungsrat, oder das Timing stimmte nicht.

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UBS CHART


Fakt bleibt jedoch: Obwohl sich die UBS derzeit als erste Adresse in Europa sieht, bleibt der Abstand zu den US-Banken gross (siehe Seite 33). Wenn die UBS aufschliessen will, braucht sie einen grösseren Deal. Und da liegt natürlich die CS am nächsten. «Das wird sicher die Hauptpriorität des neuen Präsidenten sein», betont ein langjähriges Konzernleitungsmitglied. Entscheidend wird sein, ob sich die angeschlagene CS fangen kann. Unfreundliche Übernahmen im Banking sind zwar selten, doch sollte angesichts der tiefen Bewertung ein ausländischer Player eine Offerte zu einem doppelten Kurs anbieten, könnte der Verwaltungsrat kaum ablehnen. Und dann könnte die UBS als heimischer Retter ins Spiel kommen. Dass die Bank mit dem ausscheidenden Weber hier keine grossen Abenteuer mehr eingehen wollte, ist verständlich. Doch auch Weber hatte ja bereits einmal Verhandlungen mit seinem damaligen CS-Pendant Urs Rohner angestossen. Jetzt beginnt eine neue Zeitrechnung – mit einem neuen Präsidenten, der etwas bewegen will und trotz seiner 64 Jahre keinen Zweifel daran lässt, dass er zehn Jahre bleiben will. In Altersfragen pflegt er ganz den angelsächsischen Habitus.
 

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Perfekte Fun-to-Trouble-Ratio

Entscheidend wird auch sein, wie sich der neue Präsident mit Hamers ergänzt. Der CEO kannte Kelleher vor dessen Nominierung nicht. Kelleher sieht hier Parallelen zu Morgan-Stanley-Chef Gorman: Der war der Stratege mit dem Blick in die Weite, der Ire der Mann für das Operative. Allerdings: Damals war der Stratege die Nummer eins, jetzt ist es der CEO. Und dass ausländische Chairmen das Schweizer Aktienrecht und die üppige Bezahlung oft auch als Aufforderung verstehen, ihre Rolle zu exekutiv wahrzunehmen, hat gerade das Beispiel des gefallenen Portugiesen António Horta-Osório bei der CS gezeigt. Vieles liegt allerdings auch in der Persönlichkeit: Der statusbewusste Portugiese legte Wert darauf, in den Pressemitteilungen als «Sir» bezeichnet zu werden. Das könnte dem republikanischen Iren Kelleher nie passieren. Wie Hamers bemüht auch er das Bild vom Staffelstab: als Diener an der Institution für eine bestimmte Zeit.

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Fürs Geld muss er ohnehin nicht mehr arbeiten.Allein sein zuletzt ausgewiesenes Aktienpaket bei Morgan Stanley ist gegen 50 Millionen Dollar schwer. Doch wieder mitten im Geschehen zu sein: Darauf freut er sich – und da ist die erstarkte UBS die perfekte Adresse und bietet nebenbei mit mehr als fünf Millionen Franken das höchste Präsidentensalär unter Europas Banken. Seine Frau ist in Jugendjahren in Engelberg Ski gefahren, jetzt will auch er die Schweizer Pisten erkunden. Wie sagt es doch ein früherer Wegbegleiter: «Die Fun-to-Trouble-Ratio ist für ihn perfekt.»

Über die Autoren
Dirk Schütz

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