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CEO Axel Wüstmann hält CH Media im digitalen Angriffsmodus

Axel Wüstmann ist Chef von CH Media, dem drittgrössten ­privaten Schweizer Medienkonzern. Nun will er der SRG Marktanteile abjagen.

Bastian Heiniger

Axel Wuestmann, CEO AZ Medien, spricht an der Medienkonferenz zum Joint Venture Zusammenschluss der AZ Medien und der NZZ-Mediengruppe, aufgenommen am Donnerstag, 7. Dezember 2017 in Zuerich. (KEYSTONE/Ennio Leanza)

Axel Wüstmann lanciert einen Streaming-Dienst und will die digitalen News-Produkte ausbauen.

Keystone

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Hinter der Maske zeichnet sich ein Lachen ab. Axel Wüstmann ist guter Laune, als er BILANZ im Sitzungszimmer von TeleZüri empfängt. Vor zweieinhalb Jahren hat er als CEO die Fusion von AZ Medien mit den NZZ Regionalmedien umgesetzt. Nun hat er im Corona-Jahr ein unerwartet gutes Ergebnis hingelegt.

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BILANZ: Herr Wüstmann, wir treffen uns in Zürich und nicht am Hauptsitz in Aarau. Schlägt das Herz nicht mehr für die Provinz?
Axel Wüstmann: Es schlägt für 13 Kantone. Ich bin gerne CEO in einem regionalen Medienunternehmen, aber es gibt nicht die eine Region, für die es schlägt.

Wo sind Sie anzutreffen, wenn nicht Homeoffice angesagt ist?
Meistens drei Tage in Aarau, einen Tag in Zürich und einen Tag irgendwo.

CH Media hat Zeitungen von Grenchen bis in den Thurgau, von der Region Basel bis nach Uri. Wurmt es Sie, dass in den Metropolen andere die Platzhirsche sind?
Das wurmt mich nicht. Das ist einfach so.

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In welcher Region können Sie wachsen?
Wir denken eigentlich nicht in Regionen. Wir denken in Medienkanälen und Produkten. Wir wollen vor allem unsere digitalen Angebote in unseren Regionen stärken und damit wachsen.

Wie lange drucken Sie noch Zeitungen?
Die Frage ist, wann kommt der Punkt, an dem es sich nicht mehr lohnt, selbst wenn noch eine Nachfrage da ist. Wir haben jedoch eine Zeitungsauflage von rund 250'000. Es gibt genug andere Zeitungen, die mit 100'000 oder weniger noch drucken. Zeitungen gibt es also noch lange.

Der Regionalfürst

2013 zog es den Betriebswirt nach zehn Jahren beim Hamburger Medienkonzern Gruner + Jahr nach Aarau, wo er den Chefposten der AZ Medien übernahm. 2018 setzte Axel Wüstmann (47) die Fusion mit den NZZ Regionalmedien um, zu denen etwa die «Luzerner Zeitung» und das «St. Galler Tagblatt» gehörten. Das neu geschaffene Joint Venture CH Media setzte 2020 rund 418 Millionen Franken um, wird von Peter Wanner präsidiert und beschäftigt 1800 Mitarbeitende in 13 Kantonen. Es vereint unter anderem 18 regionale Tageszeitungen, die 3-Plus-Gruppe, fünf regionale TV-Stationen und sechs regionale Radiosender.

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Seit zweieinhalb Jahren steht nun die Fusion von AZ Medien mit den NZZ Regionalmedien. Oft scheitern Merger wegen der unterschiedlichen Kulturen.
Ich werde oft gefragt: «Wie ist die CH-Media-Kultur?» Ich kann es gar nicht beantworten, weil es nicht die eine Kultur gibt. Es sind aber alle Mitarbeitenden mit einer positiven Einstellung in die Fusion hineingegangen. Sie sahen neben der notwendigen Veränderung vor allem eine Chance.

Die wäre? Je grösser, desto besser?
Ja, in unserem Fall schon. Alle haben verstanden: Grösse ist besser, wenn der Markt konsolidiert.

Aber die Sparrunde kam nicht gut an.
Wenn man sagt, man spare 45 Millionen Franken ein und baue 200 Arbeitsplätze ab, kommt das natürlich nicht gut an. Aber selbst da haben die Mitarbeitenden die Notwendigkeit und das Ziel verstanden.

Also die, die bleiben durften.
Bei unseren Zeitungen, Radios und TV-Sendern sind überall Medienprofis beschäftigt, und sie sind meist die Nummer eins in ihren Regionen. Schliesst man sich nun zusammen, weiss jede und jeder, wovon man spricht. Und wir wussten alle, ohne Änderung wird es schwierig. Ohne Zusammenschluss hätten wir jetzt wahrscheinlich ein rotes Ergebnis. Wir sind zusammen viel stärker. Wenn wir nun eine Idee haben, können wir sie in 13 Kantonen spielen, zuvor nur in sechs oder sieben.

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Was war dabei Ihre Hauptaufgabe?
Das richtige Team zu formen und die passende Organisation aufzubauen. Wir sind nun nicht mehr nach Regionen organisiert, sondern nach Mediengattungen: einerseits der Bereich Publishing, das Zeitungs- und Druckgeschäft. Und andererseits Entertainment, das Radio- und Fernsehgeschäft sowie Events und Filmvertrieb.

Wer hat das Sagen im Verwaltungsrat, wenn es hart auf hart kommt: die AZ-Fraktion oder die NZZ-Fraktion?
Peter Wanner ist sehr präsent. Das ist unumstritten. Es gibt aber im Joint-Venture-Vertrag bewusst aufgesetzte Checks and Balances, sodass es letztlich zu gemeinsamen Entscheiden kommt und nicht zu einer Blockade oder zu unüberbrückbaren Konflikten.

Sie sind nun Chef des drittgrössten privaten Medienkonzerns. Wem wollen Sie Marktanteile abluchsen: Ringier, der TX Group oder der SRG?
Im Entertainment sicherlich der SRG. Mit der TX Group und Ringier haben wir kaum Überlappungen. Bei Radio und TV wollen wir aber Marktanteile gewinnen.

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Sie haben sich zumindest schon die Champions-League-Rechte der SRG gekrallt.
Wir sind die Nummer eins im privaten TV. Entertainment ist Teil unseres Kerngeschäfts und Fussball ein wichtiger Teil davon. Neben Eigenproduktionen und Filmlizenzen aus Hollywood ist Sport das dritte Standbein im nationalen TV.

Wie viel haben die Lizenzen gekostet?
Es ist uns vertraglich untersagt, uns zu den Lizenzkosten zu äussern.

Erst kauften Sie 3  Plus für angeblich 160 Millionen Franken. Jetzt sichern Sie sich noch Fussballrechte. Übernimmt man sich damit nicht?
Ich freue mich vor allem, dass unsere Aktionäre in die Zukunft von CH Media investieren. Ob wir uns damit übernehmen, hängt davon ab, wie gut wir mit den Investitionen wirtschaften und wie viel Substanz wir haben. Trotz Corona-Jahr haben wir gute Zahlen erreicht, die uns ermöglichten, im letzten Jahr 40 Millionen Franken zu investieren – in Fussballrechte, neue digitale Angebote, Technologie, Zukäufe im Radiobereich und auch in Standorte. Man kann sich nicht in die Zukunft sparen.

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Wo wird die Musik spielen? Im klassischen Journalismus oder im Entertainment?
In beidem – zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Bei Bewegtbild und Entertainment spielt jetzt und morgen die Musik. Bei der Digitalisierung des Journalismus morgen und übermorgen.

Im Journalismus sind Sie noch nicht da, wo Sie sein wollen?
Ein bezahltes Digital-Angebot zu etablieren, geht nur über die Zeit, weil sich die Leser an freie Angebote gewöhnt haben und weil es noch viele freie Angebote gibt. Es dauert, bis wir Nischen und neue Inhalte entwickelt haben, die so gut und exklusiv sind, dass genügend Leserinnen und Leser dafür bezahlen.

Wo ist die Marge besser? Beim Print- oder Digital-Abonnement?
Wenn man im Print die Werbeeinnahmen dazurechnet, ist Print trotz der höheren Produktionskosten noch deutlich attraktiver.

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Gibt es Bestrebungen, die Printprodukte attraktiver zu machen, sodass sie sogar wieder wachsen könnten?
Wir fokussieren uns voll aufs digitale Produkt. Wir können nicht nach unseren heutigen Margen steuern, sondern müssen dort sein, wo die Nutzer sind. Also müssen wir ein so attraktives Digital-Produkt machen, dass die Nutzer dafür genügend bezahlen.

Wäre Blick TV ein Format für Sie?
Nein. Wir haben mit unseren Fernsehangeboten und den regionalen News-Sendern ein starkes Angebot, das wir ausbauen. Wir werden unseren eigenen Weg gehen, auch digital.

Im November lancieren Sie die Streaming-Plattform «Oneplus». Gibt es neben Netflix, Amazon, Disney und Co. noch Platz?
Das ist die Gretchenfrage. Als Nummer eins im Privatfernsehen brauchen wir ein nichtlineares Angebot, das wir selbst kontrollieren. Oneplus wird eine Kombination aus Free, also werbefinanziert, und Pay; ähnlich wie beispielsweise TVNOW von RTL in Deutschland, das sich sehr gut etabliert hat. Wir glauben, es hat noch Platz in der Schweiz.

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Was bietet sie dem Nutzer?
Die Plattform wird sämtliche Inhalte unserer nationalen Sender zusammenfassen. Zudem gibt es Filmpremieren, Schweizer Filme und internationale Kino-Blockbuster, die noch nicht im linearen Fernsehen gezeigt werden. Wir werden für Oneplus auch exklusive Eigenproduktionen, sogenannte «Originals», produzieren.

Wie viele Nutzer brauchen Sie, damit es sich lohnt?
Der Break-even liegt bei unter 100'000 Abos.

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Sie wollen Originals produzieren: aufwendige Serien à la Netflix oder Formate wie «Bachelor» und «Bauer, ledig, sucht …»?
Beides. Nicht so aufwendig wie Netflix. Schweizer Serien, Dokumentationen und Doku-Soaps. Wir haben mit Nik Hartmann einen starken Protagonisten und viele kreative Köpfe im Team. Mehr möchte ich noch nicht verraten.

CH Media steht auf zwei Säulen: Publishing und Entertainment. Wäre es nicht besser, diese aufzuspalten?
Würden wir international agieren und viel grösser sein, würde das vielleicht Sinn machen. Ich bin froh, dass die Säulen nicht getrennt sind. Als ein rein Schweizer Medienhaus gibt es viele Synergien. Wir haben viele Kunden, die in beiden Bereichen Werbung schalten; wir können Beiträge der regionalen TV-Sender bei den Zeitungen im digitalen Angebot einsetzen; wir können für die Champions League unsere ganze Publishing-Welt zur Vermarktung nutzen. Und wir können zum Beispiel unsere 250'000 Publishing-Abonnenten adressieren, wenn wir unsere Streaming-Plattform einführen.

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Im vergangenen Frühjahr sah es wirtschaftlich düster aus für CH Media. Nun haben Sie den Gewinn um 18 Prozent gesteigert. Was ist da passiert?
Es ist viel besser gekommen als gedacht. Den Gewinnsprung haben wir vor allem dank Synergieeffekten aus dem Joint Venture geschafft. Aber auch Synergien aus dem Zukauf von 3  Plus und letztlich die wirtschaftliche Erholung Ende des letzten Jahres haben zu dem hohen operativen Cashflow von 105 Millionen Franken beigetragen.

Sie haben mehr gespart als geplant. Offenbar haben Sie zu viel abgespeckt.
Wir haben fast doppelt so viel Synergien realisiert wie geplant. Statt 45 Millionen Franken wurden es 80 Millionen. Im Nachhinein hätten wir das Ziel höher ansetzen können. Haben wir zu viel abgespeckt? Nein. Ich kann nicht erkennen, dass wir Marktanteile verlieren oder unsere Angebote schlechter geworden sind. Ich würde es wieder so machen.

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Kommt nächstes Jahr wieder ein Gewinnsprung?
Nein, das eben nicht. Ende 2020 haben wir die Spitze der Synergieeffekte erreicht. Es war ein Ausnahmejahr. Nun entwickeln wir uns wieder wie ein normales Medienunternehmen. Deshalb und wegen Corona haben wir im Herbst das Effizienzprogramm Atlas lanciert, mit dem wir bis Ende 2022 weitere 30 Millionen sparen wollen.

Wo schlägt der Sparhammer zu?
Wir werden dieses Jahr zehn Millionen Franken einsparen, fast ohne Arbeitsplatzabbau. Wir optimieren in allen Bereichen: vom Ausschreiben von Netzwerken über das Vermieten von Büroräumen, die wir nicht brauchen, bis zum Professionalisieren des Facility Managements. Auf der Liste sind 50 Positionen, die alle für sich klein sind. Es braucht keinen Hammer.

Wie ist es, wenn man mit Peter Wanner den Patron als Verwaltungsratspräsident hat und seine Nachkommen bereits in den Startlöchern sind, um zu übernehmen?
Es ist eine spannende Situation, wie es sie in Familienunternehmen häufig gibt. Es ist anspruchsvoll für alle Beteiligten. Am Schluss ist es eine Frage der Aktionäre, wie sie den Generationenübergang planen.

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Gibt es einen Plan, wie lange Sie bleiben?
Ich kenne keinen. Sobald ein Verwaltungsrat eine Nachfolgeplanung öffentlich macht, hat man eine «Lame Duck» als CEO.

Anders gefragt: Wie gut gefällt es Ihnen noch?
Es war eine einmalige Chance, fünf Jahre die Vorgängerorganisation AZ Medien zu leiten, dann das Joint Venture zu verhandeln und es dann auch führen zu dürfen. Seither konnten wir die erwähnten Synergien realisieren, eine Vorwärtsstrategie entwickeln, 3  Plus kaufen und nun die Firma auf die digitale Zukunft ausrichten. Nun erreichen wir eine Phase, in der es nicht mehr so grosse Umbrüche gibt. Wenn einem dann irgendwann die Ideen ausgehen, wäre es nicht mehr gut. Wir haben aber noch immer mehr Ideen, als wir Geld haben. Es gefällt mir also immer noch sehr gut.

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