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Headhunter-Doyen Bjørn Johansson: «Männer werden benachteiligt»

Headhunter-Doyen Bjørn Johansson über Managersaläre, Swissness-Mangel und Männerbenachteiligung.

Dirk Schütz

 Björn Johansson

DISKRETE BRANCHE Die Namen seiner Klienten nennt Bjørn Johansson nicht, aber immerhin sein Einstiegshonorar: 175'000 Franken auf Stufe Konzernleitung.

Dan Cermak für BILANZ

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Die Büros von Bjørn Johansson Associates am Utoquai in Zürich: Altbau, Holzfussboden, direkter Seeblick. Im Entrée eine norwegische Schiffsglocke. «Die klingele ich sechs Mal bei der Annahme eines Auftrags und dreimal bei abgeschlossener Vermittlung», begrüsst der Hausherr. Ob Bundesräte, VR-Präsidenten oder CEOs: Er hat sie alle vermittelt. Namen mag er zwar keine nennen. Aber bekannt ist: Mark Schneider bei Nestlé, Sergio Ermotti bei der Swiss Re oder Patrick Frost bei der Swiss Life – er zog die Fäden. Im Oktober wird der Doyen der Branche 75 Jahre alt. Zeit für einen exklusiven Einblick in eine diskrete Branche.

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Der im letzten Jahr verstorbene Gründer Egon Zehnder wehrte sich stets gegen den Ausdruck «Headhunter». Er fand ihn despektierlich für seine Branche. Sie auch?

Ich habe Egon immer sehr geschätzt – wir haben viel gemeinsam: Wir haben bei der gleichen Firma angefangen, Spencer Stuart, und sind beide fünf Jahre geblieben. Wir haben uns beide selbstständig gemacht, weil wir unsere eigenen Chefs sein wollten. Und wir sind beide global erfolgreich geworden – er als grosse Firma, ich als Boutique.

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Aber eben: Beim Begriff «Headhunter» hören die Gemeinsamkeiten auf.

Ich nenne mich «Global Board Advisor», aber die Bezeichnung Headhunter war für mich nie ein Problem. Das muss man sportlich nehmen, ich finde den Ausdruck auch nicht abwertend. Wenn mich Menschen fragen, was ich mache, sage ich immer: Ich mache Menschen glücklich und ab und zu reich. Dann fragen sie: Bist du ein Banker? Ich antworte: Die machen Menschen weder glücklich noch reich. Dann erzähle ich, was ich mache: Ich bringe Klienten und Kandidaten zusammen.

Norweger in Zürich

Bjørn Johansson (74) wuchs in Norwegen auf, studierte und doktorierte in St. Gallen, arbeitete für die US-Headhunter Spencer Stuart und Korn Ferry und gründete 1993 seine eigene Firma. «Business Week» kürte ihn zu einem der 50 einflussreichsten Headhunter weltweit.

Er gründete auch den Nordic Executive Club, in dem sich skandinavische Führungskräfte in der Schweiz treffen, organisierte die erste HSG-Alumni-Konferenz und ist Schweizer Vertreter im Netzwerk «Chair Mentors International». Er ist in zweiter Ehe verheiratet mit der Chirurgin Patricia Johansson.

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Wie kann sich eine Boutique gegen den Platzhirsch Zehnder und die Amerikaner von Heidrick & Struggles bis Spencer Stuart behaupten?

Ich bin mehr als 42 Jahre in der Branche und habe die ersten zwölf Jahre bei Spencer Stuart und Korn Ferry verbracht. Die Grossen bewegten sich in eine Richtung, die mir nicht gefiel. Ich bin ein Generalist, ich möchte weltweit arbeiten, in alle Richtungen. Die grossen Firmen haben Silos gebaut, mit Spezialisten. Zwei von den Grossen – Korn Ferry und Heidrick & Struggles – sind sogar an der Börse. Da gehören wir nicht hin. Wir bieten ein personalisiertes Geschäft aus dem Hintergrund.

Was machen Sie anders als die Grossen?

Wir arbeiten sehr diskret. Einige Male haben wir die Welt überrascht mit Nominierungen von Chairmen oder CEOs, es gab keine Leaks. Vor allem: Ich sehe mich als Künstler. Jeden Search fange ich bei null an. Ich liefere Massarbeit, nichts von der Stange, nichts aus dem Computer. Ich akzeptiere nur 25 Aufträge pro Jahr. Ich bin sehr fokussiert, aber dennoch in allen Branchen tätig. Ich habe vor 30 Jahren angefangen mit zehn Mitarbeitern. Heute sind es immer noch zehn Mitarbeiter.

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Die grossen Firmen preisen ihre eigene globale Datenbank als Vorteil.

Ich habe auch eine Datenbank, aber die ist nicht entscheidend. Die Informationen veralten heutzutage rasend schnell. Für jeden Auftrag beschäftige ich externe Research-Firmen, in der Schweiz, England oder den USA. Wir geben für eine Suche zwei bis drei von diesen Firmen einen detaillierten Auftrag, um ein sogenanntes «Mapping» nach einem Profil des Kandidaten zu erstellen. Diese Firmen haben nie Kontakt zu dem Klienten und den Kandidaten. Das sind Leute, die früher bei den grossen Headhunter-Firmen waren. So bekommen wir für jeden Auftrag die neusten Fakten, denn der Markt ändert sich jeden Tag. Wir brauchen kein Overhead für Research. Wir diskutieren die Namen dann mit den Klienten, so ist der Trichter, und nehmen Kontakt mit den besten Kandidaten auf. Dann suchen wir einen Match zwischen Organisation und Kultur auf der einen Seite und dem Menschen auf der anderen Seite.

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Sie haben die Entwicklung der Schweizer Wirtschaft in den letzten Jahrzehnten so eng begleitet wie kaum jemand. Mit Jeff Katz als neuem Chef der damaligen Swissair haben Sie etwa den ersten Amerikaner an die Spitze eines hiesigen Konzerns geholt.

Das war 1997, da haben wir die gesamte Wirtschaft überrascht. Nestlé hatte zwar schon ein internationalisiertes Management, ABB hatte Schweden ins Land gebracht, aber sonst waren die Konzernleitungen fest in Schweizer Hand. Die Swissair war damals die heiligste Firma der Schweiz. 1999 war das beste Jahr in der Geschichte der SAirGroup. Zwei Jahre später folgte das Grounding.

Da war Katz schon weg.

Er ist früher in die USA zurück als geplant. Er wollte den gesamten Verbund leiten, das hat man ihm nicht gegeben.

Foto: Dan Cermak für BILANZ

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Ein erstes Signal für die mangelnde Verbundenheit der Amerikaner mit der Schweiz. Der langjährige CS-Chef Brady Dougan wusste nicht einmal, wie viele Bundesräte die Schweiz hat. Auch Joe Hogan bei ABB, Joe Jimenez bei Novartis oder Tidjane Thiam bei der CS waren kaum leuchtende Beispiel für Integration. Ist die Internationalisierung zu weit gegangen?

Viele Firmenleitungen sind zu dem Schluss gekommen, dass sie bei der Globalisierung der Chefposten in den letzten Jahren zu weit gegangen sind. Wir haben die Swissness bei der Auswahl der Top-Jobs vernachlässigt. Ich habe einige Aufträge, bei denen es heisst: Wir brauchen eine Schweizerin oder einen Schweizer oder zumindest einen hier voll integrierten Ausländer. Aber die Luft oben ist sehr dünn. In der globalisierten Welt müssen wir die beste Person liefern, egal ob Schweizer oder Ausländer.

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Die internationalen CEOs haben auch die Saläre nach oben getrieben.

Das ist eine grosse Veränderung: Die Amtsdauer eines CEO ist heute kürzer – im Schnitt etwa fünf Jahre, früher waren es mehr als zehn. Doch dafür ist auch die Bezahlung dramatisch gestiegen. Unsere CEOs zählen zu den Topverdienern in Europa, und bei den Honoraren der VR-Präsidenten liegen wir vorn: 15 der 20 Topverdiener arbeiten für Schweizer Firmen.

Die Grenze liegt für mich bei etwa zehn Millionen. Mehr ist sozial nicht vermittelbar. Da stehen die Firmen auch in der Verantwortung.

Das entspricht grosse modo der Grenze, die sich Nestlé verordnet hat. Der Konzern hat in den letzten Jahren satte Aktionärsrenditen geliefert. Anders die Banken: Sie gönnen sich noch immer üppige Pakete trotz karger Investorenbelohnung.

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Sie sind bei den Salärpaketen im eigenen Orbit unterwegs. Da ist oft auch eine Form von Überheblichkeit im Spiel. Die Zeche zahlen die Aktionäre. Ich habe in der Schweiz nie für die Grossbanken gearbeitet, obwohl so manche vielleicht meine Hilfe nötig gehabt hätte (lacht).

Profitieren Sie von der Lohnaufschaukelung?

Nein, ich habe immer ein fixes Honorar unabhängig vom Salär des vermittelten Kandidaten gehabt.

Björn Johansson

VORBILD CLINT EASTWOOD «Er ist 92 Jahre alt und macht noch Filme. Da habe ich noch viele Jahre vor mir.»

Dan Cermak für BILANZ
Björn Johansson

VORBILD CLINT EASTWOOD «Er ist 92 Jahre alt und macht noch Filme. Da habe ich noch viele Jahre vor mir.»

Dan Cermak für BILANZ

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Die grossen amerikanischen Headhunter erhalten einen Prozentsatz vom ersten Jahressalär des Vermittelten und werden damit selbst zum Lohntreiber.

Das gab es bei mir nie. Ich habe das nie verstanden. Wenn du einen CEO suchst, und der sitzt irgendwo in der Welt, ist das viel komplizierter, als einen CEO für eine Privatbank in Zürich zu finden. Da sitzen 80 Prozent der Kandidaten hier in einer Entfernung von zwei bis drei Kilometern.

Wie hoch ist Ihr Honorar für einen Auftrag?

Es beginnt mit 175'000 Franken auf Konzernleitungs- oder CEO-Stufe, auf Stufe Verwaltungsrat sind es 130'000. Bei den grossen Aufträgen sind wir sicher günstiger als die internationalen Konkurrenten, aber bei den kleineren nicht. Das Durchschnittshonorar in den letzten zehn Jahren liegt zwischen 290'000 und 340'000 Franken.

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Wie stark hat die Digitalisierung Ihre Arbeit verändert?

Sehr stark. Heute ist alles transparent. Wir bekommen hier von Zürich aus alle Informationen, dazu brauchen wir nicht 50 oder 60 Büros. Doch wenn es um die Endauswahl geht, ist der persönliche Austausch unerlässlich. Man muss immer den Menschen spüren, das ist mir das Wichtigste. Das wird niemals über Zoom gehen.

Die grossen Konkurrenten bieten mittlerweile viele Dienstleistungen: Board Assessments, Diversitäts-Checks, Salärvergleiche. Sind Sie da nicht im Nachteil?

Überhaupt nicht. Ich konzentriere mich ausschliesslich auf den lukrativsten Teil: den Suchprozess. Ich muss eben nicht so viele Mitarbeiter mit Arbeit versorgen.

Schwarz oder weiss, Herr Johansson?

  • Zürich oder Oslo? Ganz klar Zürich – die beste Stadt der Welt.
  • Golf oder Fussball? Golf auf dem Platz, Fussball auf der Tribüne.
  • Aufschwung oder Rezession? Aufschwung – der News Flow ist derzeit viel zu negativ.
  • Lagarde oder Powell? Lagarde – ich habe sie oft in Davos erlebt: eine bewundernswerte Frau.
  • Rot- oder Weisswein? Rot – mein Geheimtipp: israelischer Wein von den Golanhöhen.
  • Ferrari oder Tesla? Ganz klar Ferrari – mythische Marke. Aber privat: BMW 7er.
  • HSG oder Harvard? HSG – dort habe ich abgeschlossen, doktoriert und war drei Jahre Assistent.
  • Tiger Woods oder Einstein? Woods zum Golfen, das Genie Einstein zum Abendessen.

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Ein grosser Trend ist Diversität, besonders bei der Geschlechterthematik. Wie weit sind wir?

Auf VR-Stufe erreichen wir in Europa langsam die Ziele der Frauenförderung mit einem Anteil von über 40 Prozent in vielen Ländern. Aber in den Konzernleitungen sind wir davon noch weit entfernt, gerade in der Schweiz.

Kann das sogar dazu führen, dass Männer aktuell bei der Auswahl benachteiligt werden?

Ja, ganz klar.

Woran machen Sie das fest?

Ich sehe das bei meinen Aufträgen. Letztes Jahr waren 70 Prozent meiner Platzierungen Frauen. Bei zwei Dritteln der Aufträge wurden explizit Frauen angefragt. Die Anfragen werden sogar immer spezifischer: Ein SMI-Konzern kam zu uns und wollte nicht nur eine Frau, sondern explizit keine Europäerin. Da haben wir eine Chinesin, die in den USA arbeitet, vermittelt.

Kann die Qualität leiden, wenn nicht nur nach Leistung entschieden wird?

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Das denke ich nicht. Wir finden die Frauen. Mit ein paar Ausnahmen: Zwei grosse Schweizer Firmen wollten einen weiblichen CFO, doch da habe ich keine gefunden, deshalb habe ich zwei Männer platziert. Wir können gerade in diesem Bereich auch oft die Saläre nicht zahlen. Eine internationale CFO aus den USA will 15 Millionen, das ist hier nicht vermittelbar. Auch sind die amerikanischen Frauen oft nicht international. Frauen haben heute auf Stufe CEO oder CFO einen Premiumpreis, weil es so wenige gibt auf diesem Niveau.

Wie gross ist die Gefahr, dass durch die Förderung der Job für die Frau zu gross ist?

Da kommt es dann eben darauf an, dass die Vorauswahl sehr gründlich ist. Das Geschlecht darf nie das entscheidende Kriterium sein. Da müssen wir bei allem Nachholbedarf ehrlich sein.

Können Sie mit der Internationalität der grossen Headhunter-Firmen mithalten?

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Wir reden nicht über unsere Aufträge. In den letzten fünf Jahren haben wir für 10 der 20 SMI-Konzerne gearbeitet, acht auf Stufe Verwaltungsrat, sieben auf Stufe Konzernleitung. Da waren CEOs und VR-Präsidenten dabei. Die Medien hören nur sehr selten davon, etwa bei Mark Schneider von Nestlé. Aber wir arbeiten nicht nur in der Schweiz. Letztes Jahr haben wir in acht Ländern Klienten gehabt und elf Nationalitäten von vier Kontinenten platziert, trotz Covid. 50 Prozent der Aufträge sind im Ausland. Wir arbeiten viel in Skandinavien, aber auch in Spanien, Deutschland, auch in den USA machen wir viel, neu sind wir auch in China aktiv. Ich brauche das.

Wieso?

Ich bin von Geburt aus ein Wikinger, ein Explorer. Meine Kindheit lang träumte ich von Entdeckern wie Roald Amundsen oder Fridtjof Nansen. Die Wikinger wollten die Welt entdecken, das wollte ich auch. Ich habe in St. Gallen Ende der sechziger Jahre studiert, mit Joe Ackermann, Walter Kielholz, Roger Schawinski oder Michael Hilti und dort doktoriert. Aber es zog mich auch immer hinaus. Ich habe in über 40 Ländern Aufträge gehabt. Ich habe 1100 Kinder, so nenne ich die von mir vermittelten Kandidaten. Jeder platzierte Kandidat kann jederzeit vorbeikommen, wenn er Hilfe braucht.

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Björn Johansson

42 JAHRE IM GESCHÄFT Bjørn Johansson im Lift zu seinem Büro am Utoquai.

Dan Cermak für BILANZ
Björn Johansson

42 JAHRE IM GESCHÄFT Bjørn Johansson im Lift zu seinem Büro am Utoquai.

Dan Cermak für BILANZ

Wie geht es bei Ihnen weiter? Alles hängt an Ihnen – eine Boutique lässt sich nicht vererben.

Ich fühle mich nicht alt. Clint Eastwood ist 92 Jahre alt und macht noch Filme. Wenn der noch Regie führen und mitspielen kann, habe ich noch viele Jahre vor mir. Die letzten fünf Jahre waren meine besten, und ich stecke voller Energie.

Aber als Board Advisor müssten Sie sagen: Wo ist der Succession Plan?

Das muss ich zugeben: Es ist mir nicht gelungen, die Nachfolge zu regeln. Ich habe viele Kandidaten probiert, doch niemand hat es geschafft. Die Messlatte liegt hoch.

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Das Unternehmen gehört zu 100 Prozent Ihnen.

Ja, das war immer so. Zwar wollten sich einige Mitarbeiter beteiligen, auch wollten mich andere Firmen übernehmen. Aber ich brauche Freiheit und muss Spass haben. Ich bin glücklich, weil ich nichts mehr will. Ich habe immer noch eine 70-/80-Stunden-Woche. Bei mir gibt es keine Unterscheidung zwischen Beruf und Freizeit. Ich mache seit 30 Jahren elf Wochen Ferien im Jahr, um die Batterien aufzuladen, und gehe dreimal die Woche in die Sauna, auch im Sommer. Ich suche Spass und Optimismus: Um Menschen glücklich zu machen, muss man selbst glücklich sein.

Welche Persönlichkeiten haben Sie in all den Jahren besonders beeindruckt?

Helmut Maucher und Peter Brabeck bei Nestlé: fantastische Menschen mit viel Verstand und Herz. WEF-Gründer Klaus Schwab: Ausdauer, Kreativität und Optimismus. ABB-Präsident Peter Voser: sehr international und dennoch bodenständig. Klaus-Michael Kühne: hocherfolgreich und eine sehr starke Persönlichkeit.

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Wie feiern Sie Ihren 75. Geburtstag am 15. Oktober?

Da bin ich mit meiner Frau, meinen beiden Töchtern und den vier Enkelkindern in England und schaue Liverpool gegen Manchester City. Und ich treffe Erling Haaland – auch ein erfolgreicher Wikinger.

Über die Autoren
Dirk Schütz

Dirk Schütz

Dirk Schütz

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