Guten Tag,
Hotellerie geht nur mit Menschen. BILANZ befragte 195 Experten, welche guten Geister in Schweizer Hotels zu den Besten gehören.
Claus Schweitzer
Auch für das Hauswirtschaftsteam geht es heute darum, herauszuspüren, wieviel Nähe und Distanz jeder einzelne Gast wünscht: Sanja Jovanovic (r.), Housekeeper des Jahres 2020, vom Romantik Hotel Hornberg.
PDWerbung
«Die Mitarbeitersituation hat sich unversehens umgekehrt», sagt Mark Jacob, Direktor des Dolder Grand. «Bis Anfang dieses Jahres sah es in der Branche zunehmend danach aus, dass es in Zukunft schwierig werden würde, für jede Position qualifizierte Mitarbeiter zu finden.» Fast alle Schweizer Hoteliers beklagten vor der Corona-Ära den Mangel an empathischen, verlässlichen und effizienten Menschen, die sich für einen Beruf im Gastgewerbe begeistern wollen. Dadurch fehlte den Hoteliers auch ein gewisses Druckmittel, um desinteressierte oder nachlässige Mitarbeiter wieder auf Kurs zu bringen, weil diese nur allzu gut wussten, dass ohne sie gar nichts mehr lief.
Angesichts des absehbaren Endes der Kurzarbeit und der ungewissen Entwicklung des Tourismus ab dem Herbst droht nun ungezählten Hotelmitarbeitern die Entlassung. Kurzfristig betrachtet, führt dies dazu, dass die Hoteliers heute unter den besten Fachkräften auswählen können. Und dass die Mitarbeiter, denen der Ernst der Lage im Frühjahr vielleicht noch nicht so richtig bewusst war, ihre Tätigkeit im Hotel plötzlich sehr viel mehr zu schätzen wissen – vor allem, wenn ihnen eine gewisse Job-Sicherheit vonseiten verantwortungsbewusster Hotelbetriebe geboten wird.
Werbung
So behielt beispielsweise der Hof Weissbad im Appenzellerland alle Mitarbeitenden über das ganze apokalyptische Frühjahr bei durchgehend 100 Prozent ihres Lohns. Dasselbe lässt sich über die Häuser der Tschuggen-Gruppe, das Beau-Rivage Palace in Lausanne und weitere Hotels sagen. Doch befürchtet Mark Jacob einen langfristigen Bumerangeffekt: «Viele gute Mitarbeiter überlegen derzeit, aus dem Beruf auszusteigen. Diese werden uns fehlen, wenn die Zeiten wieder besser werden.»
Hotelier des Jahres 2020: Urs Langenegger, Park Hotel Vitznau
Formvollendet und zugleich entspannt den Anforderungen des Moments gerecht zu werden, in hektischen Zeiten einen ruhigen Kopf zu bewahren und situationsabhängig herauszuspüren, was für jeden einzelnen Gast relevant ist, ist ein ständiger Drahtseilakt und die hohe Kunst des Gastgebens. Diese Kunst muss täglich an der Front und im Hintergrund vorgelebt werden: Ohne den mitreissenden Hotelier, der seine Mitarbeitenden in komplizenhafter Verbundenheit zu Höchstleistungen im Team inspiriert und klare, einleuchtende Abläufe zu planen versteht, geht nichts im Hotel. Urs Langenegger, der das Park Hotel Vitznau seit dem Totalumbau 2013 führt, hat es schon immer gut gemacht, doch seit dem Restart im Mai an Statur gewonnen. Er hat die Krise genutzt, um mehr Flexibilität für die Gäste zu schaffen und diesen einen wirklichen Mehrwert zu bieten, indem sie nun praktisch frei wählen können, an welchem Ort in der ganzen Hotelanlage sie frühstücken, mittag- oder abendessen wollen. Weil Gesellschaften und externe Tagesbesucher weitgehend fehlen (Letztere werden nur noch auf Vorreservation in den Restaurants empfangen), konnte Langenegger das Profil des Seepalasts als exklusives «Gästehaus für Übernachtungsgäste und Freunde des Hauses» schärfen und das Gefühl der Geborgenheit in einem von der Aussenwelt abgeschirmtem Refugium noch differenzierter als zuvor zur Geltung bringen. Sehr erfolgreich übrigens: die Buchungslage für die Sommermonate übertrifft die Vorjahre. Obendrein hatte das Hotel bereits im Juni keine Kurzarbeit mehr und stellte schon dann wieder neue Mitarbeiter ein.
Concierge des Jahres 2020: Stefano Bertalli, Gstaad Palace
Was das Gstaad Palace zu einem Ort mit Seele macht, sind weder Stars noch Suiten, sondern all die Menschen, die hier jeden Tag unaufdringlich zuvorkommend für ihre Gäste da sind. So lässt sich Chef-Concierge Stefano Bertalli seit 18 Jahren von keinem Spezialwunsch der teilweise exzentrischen Hotelgäste aus der Ruhe bringen. Er vergisst aber auch nicht die alltäglichen kleinen Dinge, wie zum Beispiel dafür zu sorgen, dass derzeit jedes vom Voiturier-Bagagiste parkierte Auto und jedes ins Zimmer gebrachte Gepäckstück systematisch desinfiziert wird. Und er setzt Himmel und Erde in Bewegung, wenn etwa die Lieblingsbrille eines Gastes beim Wandern am letzten Ferientag verloren geht – um diese dann prompt aufzuspüren und ohne grosses Aufheben dem Naturfreund nach Hause zu schicken. From Gstaad with Love. Stefano Bertallis Vertrautheit mit dem Saanenland hilft ihm bei der Ausübung seines Berufs ebenso wie sein sorgsam gepflegtes weltweites Kontaktnetz – beide Faktoren geben sehr viel mehr her als die vermeintlich alleskönnenden Smartphones, insbesondere wenn unvorhergesehene Situationen eintreffen oder es um wirklich exklusive Anliegen geht.
Empfangschefin des Jahres 2020: Carmen Prantl, Valsana, Arosa
Der individuelle Zugang zum Gast ist sehr viel wichtiger geworden, und eine der Schlüsselpositionen hierzu nehmen die Mitarbeiter an der Rezeption ein. Sie stehen an vorderster Front, sind die erste Anlaufstelle für Gäste, Lieferanten, Kollegen und jeden, der eine freundliche Auskunft wünscht oder eine Beschwerde anbringt. Im Idealfall sind sie Improvisationskünstler und zugleich organisatorische Perfektionisten, auf jeden Fall sind sie scharfe Beobachter und können herausspüren, wieviel Nähe und Distanz jeder einzelne Gast wünscht. Wer diesen Anforderungen so souverän nachkommt wie Carmen Prantl, ist Gold wert: für den Gast, für die Stimmung im Team und damit für das Hotel. Die Doppelrolle als Front-Office-Managerin und Vizedirektorin erfüllt sie mit unaufgeregter, doch fühlbarer Präsenz, so dass sich jeder verstanden und umsorgt fühlt.
PD
Hotelkoch des Jahres 2020: Marco Campanella, Eden Roc, Ascona
Der spanische Spitzenkoch Ferran Adrià hat jüngst in einem Interview zur veränderten Arbeit in der Küche nach dem Lockdown gesagt: «Wenn du zuvor sehr gut gearbeitet hast, wirst du nur noch gut arbeiten können. Wenn du gut gearbeitet hast, wirst du nur noch o.k. arbeiten, und wenn du früher o.k. gearbeitet hast, wirst du jetzt schlecht arbeiten.» Dies, weil die Produkte nicht durchwegs in gewohnter Qualität zu bekommen seien, manche Mitarbeiter entmutigt sind und viele Restaurants bei den beschränkten Kapazitäten wirtschaftlich nicht über die Runden kommen. Diese Betrachtungsweise kann man durchaus teilen. Muss man aber nicht. Man kann sich auch den neuen Umständen anpassen, neue Gerichte aus anderen guten Produkten konzipieren, das Team mitreissen und den Restaurantbesitzern dankbar sein, dass sie das Ganze mittragen. Auf Marco Campanella und das Eden Roc trifft dies alles zu, und noch viel mehr: Kaum ein Koch im Land ist so lernbegierig wie er, keiner entwickelt sich so rasant vorwärts – in diesem Jahr hebt er die Gemüseküche auf ein neues Niveau. Ohne Fleisch oder Meeresfische dogmatisch aus der Küche zu verbannen, versucht der junge Food-Tüftler, wo immer sinnvoll, darauf zu verzichten und Gemüse und Kräuter einfach so verführerisch zuzubereiten, dass Karnivoren wunschlos glücklich sind. Viel besser und produktbezogener als in Campanellas Aromenwelt kann man im Tessin nicht essen, allenfalls anders.
Restaurantleiter des Jahres 2020: Daniele Sardella, Castello del Sole, Ascona
Nennen Sie einen herausragenden Küchenchef. Das war wahrscheinlich leicht. Nun nennen Sie einen herausragenden Restaurantleiter. Wenn Sie um eine Antwort ringen, sind Sie nicht allein. Bei allem Getöse um Starköche und der ganzen Food-Fetischisierung werden Restaurantjobs an der Gästefront heute eben als Job und längst nicht mehr als Berufung betrachtet – bestenfalls eine Zwischenlösung und im schlimmsten Fall ein letzter Ausweg. Dabei ist in jedem ernstzunehmenden Restaurant der Service genauso wichtig für das Gästeerlebnis wie das Essen. Es geht um das Willkommensgefühl bei der Ankunft, die Art, wie man an den Tisch gebracht und dort betreut wird, und um das Gespür des Serviceteams, sich subtil auf die sehr unterschiedlichen Erwartungen der Gäste einzustellen. Die kaum messbare Kunst des individualisierten, schwerelos wirkenden Service mag schwer zu definieren und noch schwerer umzusetzen sein, ganz besonders in grossen Hotelrestaurants, doch wer einmal ein Mittag- oder Abendessen unter der koordiniert-passionierten Obhut von Daniele Sardella genossen hat, versteht, worum es geht und dass den Persönlichkeiten im Service dieselbe Anerkennung gebührt wie den Küchenchefs.
Sommelier des Jahres 2020: Peter Zimmermann, Grand Hotel Zermatterhof, Zermatt
Was einen guten Sommelier auszeichnet, ist unter anderem die Fähigkeit und Bereitschaft, herausragende Weine zu vernünftigen Preisen aufzuspüren und zu empfehlen. Peter Zimmermann, der sowohl als Sommelier wie auch als Food & Beverage-Manager im «Zermatterhof» agiert, ist bei den grossen Weinen der Welt genauso sattelfest wie bei erschwinglichen Trouvaillen aller wichtigen Anbauregionen, vor allem auch aus dem Wallis. Ganz ohne das Geltungsbedürfnis, das so manchem Sommelier anhaftet, vereint er die individuellen Vorlieben der Gäste mit treffenden Vorschlägen zur Weinbegleitung der Gourmetmenüs von Küchenchef Heinz Rufibach und wählt die erklärenden Worte so, dass sie sowohl dem Wein angemessen wie auch dem Nicht-Experten leicht verständlich sind.
PD
Barmanager des Jahres 2020: Christophe Pinto, Fairmont Le Montreux Palace
Wer heute eine Netflix-Serie dreht und in der Besetzung einen Barkeeper braucht, scoutet einen bärtigen Hipster mit kräftigen, tätowierten Unterarmen. Einen, der effekthascherisch mit Flaschen wirbelt und mit Öl in der Stimme die Gäste zu bespassen versucht. Christophe Pinto jedenfalls bekäme die Rolle nicht, eher schon die des charmanten Diplomaten. Sein Charisma beschränkt sich auf eine entspannte Haltung, wache Augen und ein untrügliches Gespür dafür, was für den einen Gast wichtig ist und für den anderen unwichtig. Damit allerdings ist er die Idealbesetzung auf seinem Posten in der beliebten «Funky Claude’s Bar» im Montreux Palace – erst recht in diesen Zeiten, wo es zur Gewährleistung eines gewissen Social Distancing auf beiden Seiten des Tresens eine innere Ruhe und Reife des Barchefs voraussetzt.
Housekeeper des Jahres 2020: Sanja Jovanovic, Romantik Hotel Hornberg, Saanenmöser
Dreizehn Jahre arbeitet Sanja Jovanovic bereits im «Hornberg», seit gut sechs Jahren als verantwortliche und stets hingabevoll für «ihre» Gäste ansprechbare Leiterin der Hauswirtschaft. In den letzten Monaten, in denen erweiterte Hygiene-Standards in den Zimmern und öffentlichen Hotelbereichen notwendig wurden, hat sie noch einmal einen Zahn zugelegt und an Stellenwert im Hotel gewonnen. Es ist heute essentiell, den Gästen das Gefühl von Sicherheit und absoluter Sauberkeit zu vermitteln, die Zimmer so virensicher wie möglich zu reinigen und die persönlichen Gegenstände besser unangetastet zu belassen. So sorgt Sanja nicht nur für tadellos frische Betten, Bäder und Blumen, sondern lebt ihrem siebenköpfigen Team auf den Etagen tagtäglich und mit unablässiger Hartnäckigkeit die neue Desinfektions-Routine vor und versucht im gelegentlichen Austausch mit den Gästen herauszuspüren, wie viel Housekeeping-Präsenz im Zimmer überhaupt erwünscht ist und mit welchen kleinen Aufmerksamkeiten die Erwartungen vielleicht noch übertroffen werden können.
PD
Spa Manager des Jahres 2020: Franziska Neugebauer, Tschuggen Grand Hotel, Arosa
Im Tschuggen Grand Hotel wurde schon früh erkannt, dass ein professionelles Spa kein Streichelzoo ist und die Erholungssuchenden heute ein Wow-Erlebnis für Körper und Seele erwarten. Ohne das Versprechen auf hohe therapeutische Kompetenz geht es auch in Wellbeing-Hotels nicht mehr. In der «Tschuggen Bergoase» sorgt Franziska Neugebauer zusammen mit ihrem bestens geschulten, 22-köpfigen Team dafür, dass jeder Spa-Gast lustvoll zu neuer Lebensenergie und Balance findet, rasch von seinem Stress-Level herunterkommt sowie die individuell passenden Treatments und Personal Trainings erhält, um bei der Abreise gestärkt in den Alltag zurückzukehren.
PD
Medical Director des Jahres 2020: Verena Briner, Waldhotel Health & Medical Excellence im Bürgenstock Resort
Die letzten Monate haben uns allen die Notwendigkeit einer robusten Gesundheit in Erinnerung gerufen. Entsprechend sind Health-Retreats die neuen Kathedralen der Selbstoptimierer. Das Waldhotel, das ein paar hundert Meter vom restlichen Bürgenstock-Komplex entfernt im Grünen liegt, ist ein optimaler Zufluchtsort, um bei umfassender medizinischer Expertise nachhaltig wirkende Lösungen für seine Zipperlein zu finden oder alternativ ein wenig «Corona-Speck» zu verlieren. Das Thema Immunpower gehörte hier bereits im letzten Jahr zum Repertoire – und so ist das Haus bestens für die jetzige Zeit gerüstet. «Wir unterstützen unsere Gäste dabei, maximale Widerstandskraft gegen das Virus zu entwickeln», sagt Prof. Dr. Verena Biner (l.). Zusammen mit ihrem interdisziplinären Team zeigt die überaus umgängliche medizinische Direktorin den Waldhotel-Gästen den Weg, wie man ausgeglichen bleiben und ein längeres und gesünderes Leben führen kann. Einen perfekten Einstieg bietet das viertägige «Immunity Boost Retreat».
Doorman des Jahres 2020: Mehdi Al-Kenani, Park Hyatt Zürich
«Zeige mir den Doorman, und ich sage dir, wie der Hotelmanager tickt» – so ein bekanntes Bonmot in der Hospitality-Branche. Freundlich, aber nicht gekünstelt, hilfsbereit und mit wachem Blick auf das Geschehen im Eingangsbereich, sorgt Mehdi Al-Kenani für einen sympathischen ersten Eindruck. Der stets apart gekleidete und vom ganzen Team geschätzte Doorman spürt augenblicklich, wie jeder Gast drauf ist, ob dieser im Schnellverfahren einchecken oder sich lieber erst einmal gemütlich umschauen will. Er kümmert sich zuverlässig um Gepäck und Auto, erledigt Einkäufe für Gäste und ist überdies ein angenehmer Chauffeur – auch weil er sich in Zürich besser auskennt als mancher Zürcher. Seit dem Start des Park Hyatt vor fünfzehn Jahren dabei, interpretiert er den Beruf des Doorman auf seine ganz eigene, unaufgeregte Art und steht stellvertretend für die hohe Anzahl herausragender Mitarbeiter quer durch alle Abteilungen des engagiert geführten Stadthotels.
Werbung
Sicher ist, dass der Bedarf an Talenten hoch bleibt. In den Hotels, die den pandemischen Spuk überleben, wird dieser Bedarf noch weiter steigen. Weil es der Branche nicht gelingt, ein nachhaltig besseres Image zu kreieren und zu viele profilierte Köpfe früher oder später abwandern. «Für die meisten jungen Leute ist es uncool, in der Hotellerie zu arbeiten», sagt Franziska Richard, Gastgeberin im Bellevue Parkhotel in Adelboden.
Das hat mit den undankbaren Arbeitszeiten und den tiefen Löhnen zu tun – doch auch damit, dass der Begriff des Dienens in weiten Kreisen negativ besetzt ist und mitreissende Leaderfiguren selten sind, wie Tourismusberater Fredi Gmür in einem Interview in der htr Hotelrevue bemerkte. «Kommt dazu, dass jeder, der einmal Gast war, meint, er sei nun ein Spezialist, und gegenüber Dienstleistungserbringern oft ein grenzwertiges Verhalten an den Tag legt. Nicht alle können oder wollen damit langfristig umgehen», so Gmür. Der Druck habe mit den Bewertungsplattformen noch zugenommen.
Werbung
Die gute Nachricht: Hotels, in denen sich nicht nur jeder Gast, sondern auch jeder Mitarbeiter als Individuum wahrgenommen fühlt, gibt es immer noch und immer wieder. «Jeder Vielreisende spürt doch schon in den ersten Momenten beim Betreten eines Hotels, ob das Personal gerne dort arbeitet oder nicht», sagt Urs Langenegger, Direktor im Park Hotel Vitznau und «Hotelier des Jahres 2020». Egal, ob feine Luxusherberge oder charmantes Berggasthaus: Immer sind es die authentischen, gastorientierten und harmonisch zusammenwirkenden Mitarbeiter, die einem Hotel eine Seele verleihen und es mit Leben füllen. Engagement ist alles, und ohne Leidenschaft ist alles nichts.
Ein neues Luxusideal liegt im Trend: Gefragt sind Rückzugoasen abseits der Massen und liebenswürdig distanzierte Teams, die ihre Häuser zu Orten mit Seele machen. Mehr zum BILANZ-Hotel-Ranking 2020 finden Sie hier.
Werbung
«Hoteliers, die den Mitarbeitenden nicht den gleichen Stellenwert einräumen wie den Gästen, stehen heute auf verlorenem Posten», weiss auch Peter Kämpfer, Patron im Victoria-Jungfrau in Interlaken. «Damit sie gerne zur Arbeit kommen, muss man sie mit der entsprechenden Wertschätzung behandeln und jedem Einzelnen ein Gefühl von Zugehörigkeit vermitteln.»
Raouf Finan sieht das genauso. Der CEO der Michel Reybier Hospitality, zu welcher das Victoria-Jungfrau und das neue La Réserve Eden au Lac in Zürich sowie zehn weitere Hotelperlen gehören, ist überzeugt: «Damit die Mitarbeiter die berühmte Extra-Meile gehen – und das nicht nur einmalig, sondern dauerhaft –, müssen wir ein Betriebsklima schaffen, in dem sie sich wohl fühlen und weiterentwickeln können. Ein guter Arbeitgeber zu sein, bedeutet für uns, dass wir über die Arbeit hinaus für die Mitarbeiter da sind. Wenn es ernsthafte Probleme oder Krankheitsfälle gibt, dann suchen wir gemeinsam nach Lösungen.» So etwas spricht sich herum.
Werbung
Bei der Personalgewinnung setzt Raouf Finan vermehrt auch auf Quereinsteiger mit (anfangs) mehr charakterlichen als professionellen Qualitäten. Er erklärt: «Wenn ich als Gast in anderen Hotels absteige, ist es mir lieber, von einem liebenswürdigen, natürlich strahlenden Team empfangen zu werden, als das gekünstelte Getue in manchen Luxushäusern ertragen zu müssen, in denen dann trotz vorgeblichem Perfektionsanspruch dies und das nicht klappt.»
Doch wie setzt man das folgerichtig um? «Bewirbt sich beispielsweise ein sympathischer junger Mann für eine Serviceposition, für die er auf einer Skala von 1 bis 10 in professioneller Hinsicht erst Qualifikation ‘3’ erreicht, engagieren wir ihn, sofern wir eine charakterliche Eignung von ‘9’ erkennen und er mit ehrlicher Freundlichkeit auf die Gäste zuzugehen versteht», sagt Finan. Es komme vor allem auf die authentische Geisteshaltung an. «Mit Schulung bringen wir den jungen Mann fachlich vielleicht auf eine ‘7’, doch wenn er seinen Job auf seine ganz persönliche, herzlich-fröhliche Art umsetzt und so zur guten Atmosphäre im Hotel beiträgt, ist das sowohl für uns wie für die Gäste eine optimale Lösung.»
Werbung
Der individuelle Zugang zum Gast ist sehr viel wichtiger geworden: Urs Langenegger, Hotelier des Jahres, weiss, was für jeden einzelnen Gast im Park Hotel Vitznau relevant ist.
PDDer individuelle Zugang zum Gast ist sehr viel wichtiger geworden: Urs Langenegger, Hotelier des Jahres, weiss, was für jeden einzelnen Gast im Park Hotel Vitznau relevant ist.
PDZur Schulung von Hotelfachkräften und dem verständnisvolleren Umgang untereinander gehört heute etwas Basis-Psychologie. Hotelier Peter Durrer, der einst die Villa Honegg zum Erfolg geführt hat und derzeit das Pionierprojekt «Culinarium Alpinum» vorantreibt, macht das beispielhaft aufgrund einer einfachen Menschentypologie. «Es gibt in einem Hotelteam – wie auch sonst im Leben – immer dieselben Typen», sagt er. «Wenn man versteht, wie diese ticken und was sie motiviert oder frustriert, ist das für alle Beteiligten sehr hilfreich und kann zwischenmenschliche Ungereimtheiten im Team ausräumen.» Schliesslich verbringe man viel Zeit miteinander, und eine schlechte Stimmung im Hotel könne nicht zu einem guten Ergebnis führen.
Werbung
Im Wesentlichen geht Peter Durrer von vier Grundcharakteren aus: Die Eule (der/ die Überwachende/ Beobachtende/ Hinterfragende), der Delphin (der/ die Verspielte/ Kommunikative/ Enthusiastische), der Hai (der/ die Bestimmende/ Zielgerichtete/ Fordernde) und der Labrador (der/ die Helfende/ Mitfühlende/ Vertrauensvolle). Manchmal gibt es einfach ein glückliches Zusammentreffen, dass der Mix an Charakteren stimmt, und anderswo ist die stimmige Ensemble-Leistung den guten Antennen von Hotelier und Human-Resources-Leitung zu verdanken. Peter Durrer weiss: «Letztlich geht es um die richtigen Talente zur richtigen Zeit am richtigen Ort.»
Rezeptionisten, Köche, Leute im Service und auf der Etage, Marketing- und Finanzspezialisten, Concierges, Barkeeper, Spa-Therapeuten – Mitarbeiter aus den verschiedensten Disziplinen verschmelzen im Hotel zu einer eingeschworenen Gemeinschaft und erzeugen im Idealfall eine Art von Magie. Wer das einmal hinter den Kulissen erlebt hat und sich dann einem anderen Berufszweig zuwendet, dem wird der «spirit» der Hotelwelt ewig fehlen.
Werbung
«Umso wichtiger ist es, zeitgemässe Antworten zu finden, um junge Menschen zu motivieren, dieser faszinierenden und vielseitigen Branche treu zu bleiben», sagt Stephen Ansell, General Manager im Park Hyatt Zürich und seit drei Jahrzehnten im internationalen Hotelgeschäft tätig.
Zwar seien die Klagen über fehlenden Nachwuchs genauso schon vor zwanzig Jahren zu hören gewesen, doch wären die Forderungen der Hotelmitarbeiter nach passenden Löhnen, flexiblen Arbeitszeitmodellen, verlässlichen Einsatzplänen und respektvoller Behandlung selbstverständlich legitim. Auch das Thema Weiterbildung verdiene eine noch grössere Aufmerksamkeit, um dem Fachkräftemangel begegnen zu können. Allerdings kritisiert Ansell auch manche Auswüchse der jungen Generation, die eigenen Bedürfnisse kompromisslos in den Mittelpunkt zu stellen. «Leistungswille und eine gewisse Frustrationstoleranz und Flexibilität gehören in jedem Beruf nun mal dazu. Eine gesunde Work-Life-Balance als Life-Life-Work-Balance misszuverstehen, geht am Ende für niemanden auf.»
Werbung
Das Park Hyatt scheint vieles richtig zu machen: Die Mitarbeiterfluktuation ist vergleichsweise tief und fast die Hälfte der in den letzten Jahren ausgeschiedenen Mitarbeiter liessen sich in andere Hyatt-Hotels rund um den Globus transferieren. Auch ist die Freude, Menschen glücklich zu machen, jedem im Zürcher Hotelteam anzumerken. Stellvertretend für die ganze Crew holt der seit der Hoteleröffnung vor fünfzehn Jahren im Haus tätige Doorman Mehdi Al-Kenani die entsprechende BILANZ-Auszeichnung unter den «Hotelmitarbeitern des Jahres 2020».
Nach dem Restart mussten alle guten Geister in den Hotels nochmals einen Zacken zulegen. Einige haben plötzlich einen ganz anderen Stellenwert. Das Team der Hauswirtschaft zum Beispiel, früher von den meisten Gästen einfach als «Reinigungspersonal» im Hintergrund wahrgenommen, kommt heute die Rolle als Gastgeber in einem höchst sensiblen und wichtigen Bereich zu – demjenigen des persönlichen Rückzugsraums des Gastes. Unvermittelt ist die Sozialkompetenz der Housekeeping-Mitarbeiter gefragt respektive ein erhöhtes Gespür dafür, wie jeder einzelne Gast angesprochen werden will und ob dieser die Housekeeping-Services (etwa frische Badetücher oder Kissenbezüge) lieber nur vor der Zimmertür in Anspruch nehmen will. Sanja Jovanovic lebt das grossartig im Romantik Hotel Hornberg im Saanenland vor.
Werbung
Dass die besten Hotels die besten Mitarbeiter anziehen, fällt wie schon in den Vorjahren rasch ins Auge: Stefano Bertalli (Chef-Concierge im Gstaad Palace), Daniele Sardella (Restaurantleiter im Castello del Sole), Franziska Neugebauer (Spa Manager im Tschuggen Grand Hotel) und Verena Briner (Medical Director im Waldhotel im Bürgenstock Resort) sind nicht nur zugängliche Teamplayer, sondern auch authentische Persönlichkeiten, die ihren Häusern erst den unvergleichlichen Touch geben.
Dasselbe lässt sich über Carmen Prantl (Empfangschefin und Vizedirektorin im Valsana in Arosa), Marco Campanella (Hotelkoch im Eden Roc Ascona), Peter Zimmermann (Sommelier im Zermatterhof) und Christophe Pinto (Barchef im Fairmont Le Montreux Palace) sagen. Sie alle können intuitiv Stimmungen lesen, die Erwartungen der Gäste mit den unterschiedlichsten kulturellen und charakterlichen Hintergründen herausspüren, in heiklen Situationen umsichtig improvisieren und sich auch bei Hochbetrieb auf eines konzentrieren: das Gastgeben.
Werbung
An dieser Stelle findest du einen ergänzenden externen Inhalt. Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
Werbung