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Technologie

Tim Cook ist kein zweiter Steve Jobs – aber erfolgreich

Tim Cook hat Apple zum Konzern der Superlative ­geformt. Die Abhängigkeit von China? Das Drohen der Kartellwächter? Dafür gibt es Lösungen.

Matthias HohenseeJörn Petring

Matthias Hohensee

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Jörn Petring

Tim Cook Apple

Tim Cook mit Gästen einer Ladeneröffnung in LA: Kein zweiter Steve Jobs.

imago images/ZUMA Wire

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Der schwarz gekleidete Superagent eilt über das Dach des Gebäudes und seilt sich ab. Er schneidet ein Loch in die Fensterfront und drängt sich durch Lüftungsschächte, dringt endlich vor ins Geheimlabor von Apple und entwendet einen für Macs reservierten Chip, den er ungerührt in ein iPad einsetzt. Dann zieht sich der Held die Maske vom Kopf – und enttarnt sich als freundlicher, älterer Herr mit grauen Haaren und schwarz eingefasster Brille: Tim Cook.

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Der brave Konzernchef als Hauptdarsteller eines Werbevideos à la «Mission Impossible»? Das hätte vor zehn Jahren noch skurril und durchgeknallt, fast lächerlich gewirkt. Als der kommissarische Chef Cook im August 2011 den schwerkranken Steve Jobs an der Spitze des Konzerns ablöst, traut ihm kaum jemand Drive, Story und Spektakel, sprich: unternehmerisches Popcornkino, zu. Cook sei zu bürokratisch, zu blass, zu langweilig, heisst es in der Branche. Er könne Abläufe optimieren, aber keine neuen Wege einschlagen, Kulissen schieben, aber nicht Regie führen.

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Virtuose des Updates

Sechs Wochen später stirbt der legendäre Gründer. Steve Jobs hat das US-amerikanische Unternehmen seit 1976 aufgebaut und zur Weltmarke geführt, durch Krisen gelotst, vor dem Untergang gerettet und zum globalen Dominator der mobilen Netzwirtschaft geformt. Apple, das ist Steve Jobs. Steve Jobs, das ist Apple. Und Tim Cook? Ist der Anfang vom Ende Apples, unkte man an der Wall Street.

Zehn Jahre später unkt keiner mehr. Gewiss, ältere Apple-Fans mögen noch feuchte Augen bekommen, wenn sie daran denken, wie Jobs auf gottesdienstähnlichen Produktpräsentationen «one more thing» aus dem Ärmel zauberte: Mac, iPod, Smartphone – serielle Sensationen! Und natürlich: Cook liegt das nicht, das Visionäre, Charismatische, Messianische. Er bessert nur akribisch nach, reüssiert dann aber als Virtuose des Updates, als Meister der laufenden Aktualisierung – und entpuppt sich damit als Idealbesetzung an der Spitze des Konzerns.

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Cook hat Jobs’ Produkte nicht nur monolithisch im Markt etabliert, sondern auch in ein hochprofitables Ökosystem eingebettet, über das Apple in seiner doppelten Rolle als Marktanbieter und Marktteilnehmer mit absolutistischer Macht herrscht. «Apple ist nicht mehr das Unternehmen von Steve Jobs», sagt der Berater Geoffrey Moore, «sondern das Unternehmen von Tim Cook.» Ach was, Unternehmen. Apple ist ein Konzern der Superlative, reiht einen Quartalsrekord an den nächsten. Analysten taxieren den Profit für das laufende Geschäftsjahr auf mehr als 70 Milliarden Euro – so viel wie noch nie.

Grosser Steve, kleiner Tim

Steven Jobs, der CO-Gründer von Apple in 1981.
Tim Cook, chief executive officer of Apple Inc., speaks during an event at the Steve Jobs Theater in Cupertino, California, U.S., on Tuesday, Sept. 10, 2019. Apple unveiled the iPhone 11 that will replace the XR and start at $699. Photographer: David Paul Morris/Bloomberg
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Grosser Steve, kleiner Tim: Während Steve Jobs in den Status des Legendären entrückt wird, macht sich Tim Cook nicht grösser als die Marke, die er seit zehn Jahren führt.

Ted Thai/Polaris/laif

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Die Börse bewertet den US-Techkonzern mit fast 2,5 Billionen Dollar – Apple ist sieben Mal teurer als die wertvollsten Schweizer Firmen (Nestlé und Roche mit je rund 320 Milliarden Franken), bringt viel mehr als alle 20 SMI-Konzerne (fast 1,3 Billionen Franken) zusammen auf die Waage. Und weil der Konzern über mehrere Produktlinien hinweg zweistellig wächst, ist die nächste Rekordmarke schon in Sicht: «Apple könnte im nächsten Jahr drei Billionen Dollar erreichen», sagt Dan Ives, Analyst von Wedbush Securities.

Apple bittet zur Kasse

Zu viel der Dominanz? Zahlreiche Politiker, Wettbewerbsbehörden und Konkurrenten in den USA und Europa wollen den Quasimonopolisten entmachten. Ihre zentralen Angriffsziele: der schnell wachsende Bezahldienst Apple Pay – und der App Store, über den die Kalifornier kontrollieren, welche Anbieter unter welchen Bedingungen welche Programme für die tausend Millionen iPhones weltweit offerieren dürfen.

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Denn ganz gleich, ob Netflix, Spotify oder Booking – Apple bittet sie alle zur Kasse für die Bereitstellung der Infrastruktur, schöpft gleichsam eine Smartphone-Maut ab, bis zu 30 Prozent der Umsätze. Wer die juristischen Scharmützel am Ende für sich entscheiden wird? Die meisten Beobachter sind sich sicher: Apple.

Der Konzern hat sich seinen Status als uneinnehmbare Festung auch mit beispielloser Härte verdient. Cook ist, wie Jobs, von seiner Arbeit besessen, setzt ehrgeizige Fristen und auf die permanente Überforderung seiner Mitarbeiter. Beispiel Homeoffice. Während viele Beschäftigte anderer Valley-Konzerne ihren Arbeitsort weiter frei wählen können, beharrt Apple auf mindestens drei Tagen Büropräsenz – möglichst inklusive Montag und Dienstag, damit niemand sein Wochenende verlängert.

Jobs’ tyrannische Art ist Legende im Konzern. Die Furcht, zum Ziel einer seiner Wutausbrüche werden zu können, habe die Mitarbeiter angetrieben, heisst es bis heute. Und Jobs zementierte seine Position nach Gutsherrenart, spielte Gefolgsleute lustvoll gegeneinander aus. Cook ist da anders. Sein Biograf Leander Kahney notiert, der Apple-Chef werde «niemals laut, verliert nie die Beherrschung». Stattdessen röntge er seine Leute mit Fragen, deren Antwort er bereits kenne. Und signalisiert damit seinen Fachkräften: Ich weiss es. Ich weiss es besser. Und: Nur ich habe den Überblick.

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Selbst wichtige Mitarbeiter kennen nur Puzzlestücke des Konzerns – allein Cook kennt das Gesamtbild. Kollegen, die nur eine Armlänge voneinander entfernt sitzen, wissen mitunter nicht, woran der andere arbeitet. Und manch neue Mitarbeiter müssen sich angeblich für ihr privates Umfeld fiktive Leben zurechtschneidern, um ihre Berufsidentität zu schützen: Geheimsache Apple.

Auch mit seiner Aussendarstellung verfestigt Apple den Eindruck einer verschworenen Innovationssekte. Das inmitten grosszügiger Grünanlagen platzierte ringförmige Hauptquartier gleicht einer ausserirdischen Trutzburg; dass Firmenfremde hier – wie bei Google oder Microsoft – über das Gelände schlendern, ist undenkbar. Alles an diesem Apple-Campus strahlt Abwehr und Unnahbarkeit aus.

2,5 Billionen Dollar

...ist der iPhone- Konzern Apple an der Börse derzeit wert. Für Analysten nicht das Ende der Fahnenstange – im kommenden Jahr könnten es bereits drei Billionen Dollar sein.

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Berater Moore erinnert daran, dass es bei Apple schon in den letzten Lebensjahren von Steve Jobs weniger um neue Produkte, dafür mehr um die Absicherung der Marktposition, um die Vernetzung und Tiefenintegration des bestehenden Angebots ging. «Dafür brauchte man jemanden, der das Potenzial aller Angebote heben kann», sagt Moore, und: Das «Produktgenie» Jobs habe das verstanden – und sein Erbe dem «Systemgenie» Cook anvertraut.

Ein Loblied stimmt auch Paul Saffo an, der an der Stanford-Universität Produktentwicklung lehrt und dem Apple-Konkurrenten Samsung als wissenschaftlicher Chefberater zur Seite steht: «Viele wollten es damals nicht wahrhaben, aber Cook als sein Nachfolger – das war die beste Entscheidung von Jobs.»

Über das Privatleben Tim Cooks ist kaum etwas bekannt. Man weiss, dass er im Fitnessstudio Gewichte stemmt, mit dem Rennrad durch die Berge des Silicon Valley fährt und gerne den drei Autostunden entfernten Yosemite-Park durchwandert. Das ist es aber auch schon. Nur einmal gab der Manager Privates preis, erklärte Ende 2014, homosexuell zu sein: «Eine Gabe Gottes», so Cook, der ihm damit auch «die Haut eines Rhinozeros» geschenkt habe.

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Ob er wohl auch deshalb gelassen mit Rückschlägen umgehen kann? Cook hat in den letzten zehn Jahren oft auch unglücklich agiert – vor allem in der Unterhaltungsbranche. Als er an die Spitze des Konzerns rückte, dominierte Apple zum Beispiel unangefochten das Onlinemusikgeschäft. Cook hielt lange daran fest, bei iTunes einen Festpreis von 99 Cent pro Song zu kassieren. Spotify nahm das Geschenk dankbar an und jagte Apple mit Flat-Rate-Streaming Kunden ab. Als Cook endlich konterte, war der Konkurrent aus Schweden bereits zum Marktführer avanciert.

The Apple Park campus stands in this aerial photograph taken above Cupertino, California, U.S., on Wednesday, Oct. 23, 2019. Apple Inc. will report its fourth-quarter results next week, and based on the average analyst price target for the stock, Wall Street is feeling increasingly optimistic about the iPhone maker's prospects. Photographer: Sam Hall/Bloomberg

RAUMSCHIFF: Die Konzernzentrale, entworfen von Stararchitekt Norman Foster, kostete Apple die Kleinigkeit von fünf Milliarden Dollar.

Bloomberg
The Apple Park campus stands in this aerial photograph taken above Cupertino, California, U.S., on Wednesday, Oct. 23, 2019. Apple Inc. will report its fourth-quarter results next week, and based on the average analyst price target for the stock, Wall Street is feeling increasingly optimistic about the iPhone maker's prospects. Photographer: Sam Hall/Bloomberg

RAUMSCHIFF: Die Konzernzentrale, entworfen von Stararchitekt Norman Foster, kostete Apple die Kleinigkeit von fünf Milliarden Dollar.

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Ein anderer Wettbewerber greift Apple gleich vor der Haustür an, nur zehn Auto-minuten vom Hauptquartier in Cupertino entfernt: Netflix. Der digitale Videodienst hat das globale Film- und Fernsehgeschäft revolutioniert. Und auch in diesem Feld gab Apple mal den Ton an: Jobs, Chef und Eigentümer des Trickfilmstudios Pixar, bot mit Hilfe von Disney früh Spielfilme zum Onlinekauf an. Aber Apple verpasste den Anschluss zum Abomodell, läuft mit Apple TV+ der Konkurrenz hinterher.

Lieber intern scheitern

Hinterherlaufen allerdings – das können sie gut bei Apple. Der Konzern hat sich noch nie dadurch ausgezeichnet, bei technologischen Innovationen vorneweg zu marschieren, hat stattdessen die Kunst des Timings perfektioniert. «Der Erfolg von Apple beruht darauf, Produkte erst auf den Markt zu bringen, wenn er dafür reif ist», sagt Saffo. Während andere Konzerne oft schon mit besseren Testversionen in die Offensive gingen, passten Apple-Produkte von Beginn an perfekt. «Wir versuchen intern statt extern zu scheitern», sagt Cook. Neue Produkte hat es mit Cook nur in sehr überschaubarer Zahl gegeben: die 2014 eingeführte Apple Watch etwa, die er selbst trägt und nicht einmal unter der Dusche ablegt, wie er selber sagt.

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Sie hat nicht die Durchschlagskraft des iPhone erzielt, soll aber als digitaler Gesundheitsfürsorger ihrer Träger noch eine grosse Zukunft vor sich haben: Schritte zählen, Herzschlag aufzeichnen, zum Training ermuntern – «ich glaube, dass Apple seinen grössten Beitrag für die Gesundheit der Menschen leisten wird», sagt Cook – was immer das auch heissen mag.

Eine besondere Stärke und Schwäche Apples: Der Konzern erarbeitet Innovationen und Versionen in Hunderten von Projekten gleichzeitig, werkelt an vielen Produkten jahrelang herum – und lässt sie im Zweifel kurz vor Marktstart scheitern. «Ich muss bei Tim Cook immer an einen Jongleur denken, der ein Dutzend Teller gleichzeitig in der Luft hält», sagt der Valley-Unternehmer Juha Christensen, der das Beratungsunternehmen Star und den Verwaltungsrat des Hi-Fi-Spezialisten Bang & Olufsen führt.

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Schon eine ganze Weile in der Luft befinden sich Anwendungen virtueller Realität, von deren Potenzial Cook seit Jahren schwärmt. Die Konkurrenz hat sich damit schwergetan. Google nahm die bereits 2014 eingeführte Glass-Brille zwischenzeitlich vom Markt; auch das 2019 vorgestellte Nachfolgemodell hat sich nicht durchgesetzt. Gleiches gilt für die Modelle Oculus von Facebook und HoloLens von Microsoft. Angeblich soll nun im nächsten Jahr ein Apple-Modell folgen. Mal sehen.

Wichtiger ist Cook das Geheimprojekt «Titan». Der Apple-Chef hat es vor sieben Jahren gestartet, er ahnte womöglich früh, dass sich Autos in rollende Smartphones verwandeln würden. Apples Autooffensive richtet sich aber auch gegen Wettbewerber. Würde etwa Google sich auf Basis seines Android-Systems mit Navigation, Musik und Selbstfahrdiensten im Fahrzeuggeschäft ausbreiten, wäre das Kerngeschäft von Apple mit den ums iPhone gestrickten Diensten bedroht.

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Zuweilen schien der Wankelmut bei Apple dabei grösser zu sein als das Projekt. Die Zahl der Beschäftigten in der Autosparte schwankte zwischen 200 und 1000; man schien unentschieden, ob man in Systeme oder Autos, das autonome Fahren oder die E-Mobilität investieren wolle.

Erst im vergangenen Jahr soll sich der Konzern laut Insidern für eine grosse Lösung entschieden haben: Apple, so die überwiegende Meinung im Silicon Valley, wird rund ums Jahr 2025 mit einem eigenen Auto, dem iCar, auf den Markt kommen. Mögliche Vorboten gibt es bereits: In der Nähe der Firmenzentrale wurden bereits autonom fahrende Lexus-Geländewagen gesichtet; Apple-Ingenieure haben die Autodächer mit Sensoren gespickt.

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Das wichtigste Indiz für den Einstieg Apples ins Autogeschäft ist aber die Riege namhafter Experten, die der Konzern von Tesla, Porsche, BMW und Volkswagen abgeworben hat. Jüngster Neuzugang: Ulrich Kranz, der für BMW das E-Auto i3 entwickelte, dann das E-Auto-Start-up Canoo gründete, dessen Kauf Apple erwogen haben soll.

Kritische Nachfragen

Apple kann sich die prominenten Neuzugänge und die aufwendigen Produktentwicklungen problemlos leisten, weil die Nachfrage nach dem iPhone selbst in seiner elften Auflage ungebrochen ist. Der Verkauf der Smartphones trägt fast die Hälfte zum Konzernumsatz bei, betrug im vergangenen Quartal rund 33 Milliarden Euro – ein Plus von 50 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Und ein Ende des sich selbst befeuernden Aufwärtstrends ist schon deshalb nicht absehbar, weil sich viele hundert Millionen Menschen nur zu gern durch das hermetisch abgeschlossene, mit anderen Systemen inkompatible Apple-Universum bewegen – und weil sie es, selbst wenn sie wollten, nur mit grossem Zeitaufwand verlassen könnten.

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Der scheinbar endlose iPhone-Boom überstrahlt auch den von Cook vorangetriebenen Ausbau der Dienstleistungssparte, die 21 Prozent zum Umsatz beiträgt. Zu ihr gehören der App Store, Speicherdienste, Apple TV+, Apple Fitness+, Apple Music – und der digitale Bezahldienst Apple Pay, den der Konzern im Herbst 2014 startete und der mittlerweile mehr als eine halbe Milliarde Nutzer weltweit zählen soll.

Kartellwächter wittern vor allem in dieser Apple-Sparte Missbrauch von Marktmacht. Im Fokus steht eine Klage von Epic Games, Entwickler der beliebten digitalen Fantasywelt Fortnite. Das Unternehmen weigerte sich, Apple 30 Prozent seiner Einnahmen aus dem App Store zu überweisen – und wurde prompt von dort verbannt. Epic-Games-Chef Tim Sweeney zog vor Gericht und erhielt dabei Beistand von Tesla-Chef Elon Musk: «Die App-Store-Gebühren sind faktisch eine globale Internetsteuer.»

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Skeptische Blicke

Margrethe Vestager, head of the European Commission's antitrust division, in Brussels, on Nov. 11, 2019. Vestager, who won praise for her oversight of the tech industry is now, with more authority from the European Union, envisioning a more aggressive agenda. (Ans Brys/The New York Times)
Lina Khan, a rising star in policymaking circles, at the Underwood Law Library at Southern Methodist University in Dallas, June 22, 2018. In two years, Khan has gone from unheralded law student to a formidable voice, whose work on antitrust policy has rocked Washington policymaking circles. In her crosshairs: Amazon. (Brandon Thibodeaux/The New York Times)
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Skeptische Blicke: EU-Digitalkommissarin Margrethe Vestager (l.) und die neue US-Kartellwächterin Lina Khan haben Apple ins Visier genommen – so wie auch Google, Facebook und Amazon.

ANS BRYS/The New York Times/Redu/Redux/laif

Mittlerweile wird aber nicht nur Apples Doppelrolle als Marktbesitzer (App Store) und Marktteilnehmer (Apps) hinterfragt, sondern auch Apples Marktmacht als Ganzes. Selbst Google, ebenfalls monopolverdächtig, muss sich ihr beugen: Als der Anwalt von Epic Games von Cook wissen wollte, ob Google für die Voreinstellung seiner Suchmaschine auf Apple-Geräten tatsächlich zehn Milliarden Dollar pro Jahr zahle, sagte Cook: «Ich kann mich nicht erinnern.» Zehn Milliarden – einfach vergessen? Der für sein phänomenales Gedächtnis bekannte Apple-Chef blieb dabei: «Ich kann mich nicht erinnern.»

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Wahrscheinlich wird Richterin Yvonne Gonzalez Rogers im Epic-Games-Verfahren Anfang 2022 entscheiden, dass Apples Doppelrolle wettbewerbsschädlich ist, und Änderungen anmahnen; darauf deuten viele ihrer kritischen Nachfragen im Prozess hin.

Und auch Washington erhöht den Druck. US-Präsident Joe Biden hat klargemacht, dass er Machtkonzentrationen in der Wirtschaft nicht duldet. Lina Khan, Chefin der Wettbewerbsbehörde FTC, war Hauptautorin eines Parlamentsberichts, der Amazon, Google, Facebook und Apple als digitale Wegelagerer bezeichnet.

70 Milliarden Euro

...wird Apple im laufenden Geschäftsjahr schätzungsweise verdienen. Die Börse bewertet den Konzern sieben Mal höher als Nestlé oder Roche.

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Daniel Ek, der Chef von Spotify, beschwert sich schon seit Langem, dass Spotify im Apple-Kosmos nicht über günstigere Angebote jenseits des App Store informieren darf. Ausserdem muss Spotify für seine Premiumversion Gebühren zahlen – an seinen härtesten Konkurrenten. Apple kontert, dass Spotify «alle Vorteile des App Store nutzen, aber nicht dafür bezahlen» wolle. Cook begründet die Gebühren mit dem hohen Aufwand, der Apple durch den Betrieb des App Store entstehe – und hat bereits signalisiert, dass es keine grossen Zugeständnisse geben wird.

Im Clinch mit den Behörden

Es steht viel auf dem Spiel. Allein in der EU droht Apple eine Kartellstrafe von bis zu zehn Prozent des Jahresumsatzes: mehr als 27 Milliarden Dollar – theoretisch. Doch Apples Barreserven sind gross. Und noch schmerzhafter wäre der Verlust der Kontrolle über den App Store. Analysten schätzen, dass er nur rund 6 Prozent zum Umsatz beiträgt, aber bis zu 15 Prozent des Profits erwirtschaftet.

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Berater Moore erwartet, dass am Ende der Streitigkeiten ein Kompromiss stehen könnte, bei dem Apple akkreditierten Partnern mehr Freiraum einräumen muss. Möglich, dass die Dienstleister neue Angebote dann auch ohne das Abnicken von Apple veröffentlichen können oder vergünstigte Konditionen erhalten. An der Türwächterstellung von Apple änderte das allerdings nichts. Das Geschäftsmodell bliebe unberührt.

Das Geschäftsmodell: Apple ist vor allem deshalb so erfolgreich, weil es Hard- und Software aus einer Hand anbietet – das Produkt (Smartphone) und das Produkt-erlebnis (Betriebssystem, Apps). Als das iPhone 2007 auf den Markt kam, gab es noch keinen App Store – und Apple debattierte zunächst, ob man fremden Anwendungen überhaupt Zugang gewähren wolle.

Aber man erkannte schnell, dass das iPhone als Plattform und Umschlagplatz aller möglichen Dienste schnell an Popularität gewinnen würde, und verfügte, alle Apps von Fremdanbietern streng zu prüfen, um Sicherheitslücken zu schliessen und Spionagesoftware auszufiltern.

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Noch brenzliger für Apples Marktmacht sind daher die Anti-Trust-Gesetze, die in den USA debattiert werden, um die Macht von Big Tech insgesamt einzudämmen. Eine Idee: Der Betreiber eines digitalen Marktplatzes – also eines App Store – darf dort gar keine eigenen Dienste mehr offerieren, kein Marktteilnehmer mehr sein.

Für Apple wäre das ein schwerer Schlag: Mit dem Aus von Apple Music oder Apple TV+ würde ausgerechnet die schnell wachsende Dienstleistungssparte getroffen. Zudem überlegen die Regulierer, den Techkonzernen nur noch in Ausnahmefällen grosse Übernahmen zu gestatten.

33 Milliarden Euro

...trug allein der Verkauf des iPhone im vergangenen Quartal zum Konzernumsatz bei – ein Plus von 50 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.

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Ein anderes politisches Risiko: Apples Lieferkette. Und hier wird es fast schon ironisch. Denn Gründer Jobs hat Cook einst persönlich vom Computerbauer Compaq abgeworben, um Apples Lieferkette auf Vordermann zu bringen. Das US-Unternehmen stand Ende der neunziger Jahre auch deshalb am Rand des Ruins, weil es mal nicht liefern konnte, mal Produkte auf Halde produzierte. Cook lagerte die Produktion nach China aus und schloss eigene Apple-Werke. Dass der US-Konzern heute uhrwerkgleich viele hundert Millionen iPhones pünktlich liefern kann, ist Cooks Verdienst.

Das Problem: Im Zentrum der Lieferkette steht der chinesische Auftragsfertiger Foxconn. Als vor ein paar Wochen die zentralchinesische Metropole Zhengzhou von einer Flut verwüstet wurde, blickten Apple-Investoren sofort nervös auf die Stadt, weil Foxconn dort das weltgrösste iPhone-Werk betreibt. Das ist das eine. Das andere: Cook hat bereits erklärt, dass auch künftig alle wichtigen Apple-Geräte in China gefertigt werden sollen. Damit unterläuft er die politischen Ziele von US-Präsident Joe Biden, der die Hightechindustrie von China abkoppeln will.

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Eine Eskalation des bilateralen Konflikts würde den Konzern gefährden. Wenn Apple beispielsweise die von TSMC und Samsung gefertigten Prozessoren für die Fertigung seiner Produkte nicht mehr nach China einführen dürfte, stünde die Produktion still. Auch muss Apple jederzeit mit Sanktionen der chinesischen Führung rechnen. Beobachter in Peking schildern, die chinesische Führung habe nach dem US-Marktausschluss des Telekommunikationsausrüsters Huawei Vergeltungsoptionen erörtert, bei denen auch Apple eine Rolle gespielt habe.

Aufschwung in China

Apple scheint sich auf der sicheren Seite zu wähnen. Der japanischen Wirtschaftszeitung «Nikkei» zufolge hat der Konzern sein Netz von Zulieferern in China in den vergangenen zwei Jahren von 42 auf 51 erhöht. Die Zahl der Lieferanten in Japan und den USA ging dagegen zurück. Für Apple lohnt es sich: Dem Konzern gelang nach einer Schwächephase in China zuletzt ein Comeback: Die Umsätze legten dort im gerade abgelaufenen Quartal um 58,2 Prozent zu – deutlich stärker als im Rest der Welt.

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People wearing protective masks are seen in an Apple Store, as China is hit by an outbreak of the new coronavirus, in Shanghai, China, January 29, 2020. Picture taken January 29, 2020. REUTERS/Aly Song - RC2MRE9EFO36

COMEBACK GEGLÜCKT: In China hat Apple dank des neuen iPhone den lokalen Platzhirsch Huawei abgehängt – und wächst dort stärker als im Rest der Welt.

Reuters
People wearing protective masks are seen in an Apple Store, as China is hit by an outbreak of the new coronavirus, in Shanghai, China, January 29, 2020. Picture taken January 29, 2020. REUTERS/Aly Song - RC2MRE9EFO36

COMEBACK GEGLÜCKT: In China hat Apple dank des neuen iPhone den lokalen Platzhirsch Huawei abgehängt – und wächst dort stärker als im Rest der Welt.

Reuters

Vor allem die jüngste iPhone-Generation garantiert Erfolg. Ausgestattet mit 5G-Empfang, bietet sie in China den seit Jahren wichtigsten Anreiz, sich ein neues Gerät zuzulegen. Das schnelle mobile Internet ist in fast allen chinesischen Städten bereits flächendeckend verfügbar, weshalb Besitzer älterer Geräte es eilig haben, umzusteigen.

Doch nicht nur treue Apple-Jünger greifen zu. Wichtiger für die neue Erfolgswelle in China ist, dass es dem Konzern gelang, bereits an Huawei verloren geglaubte Kunden zurückzugewinnen. Jahrelang haben Experten Huawei bescheinigt, technisch ausgefeiltere Geräte als Apple zu bauen. Auch Smartphones mit 5G-Funktion verkauften die Chinesen deutlich früher.

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Doch Huawei hat ihren Vorteil verspielt, seit der Konzern aus dem südchinesischen Shenzhen von der Trump-Administration mit Sanktionen belegt wurde. Seit vergangenem Sommer hat Huawei so gut wie keinen Zugang mehr zu ausländischen Zulieferern, was es dem chinesischen Unternehmen unmöglich macht, seine Geräte mit der neuesten Generation von Mikrochips auszustatten.

51 Lieferanten

...beschäftigt Apple allein in China, neun mehr als noch vor zwei Jahren. In Japan und in den USA geht die Zahl der Zulieferbetriebe dagegen immer weiter zurück.

Der Marktanteil von Huawei ist in China von mehr als 33 Prozent auf 15 Prozent eingebrochen – bitter für das Unternehmen. Und die chinesische Regierung. Dennoch hat sich in Peking die Überzeugung durchgesetzt, dass Apple China mehr nützt als schadet. Schliesslich werden dank Apple Millionen Menschen im Land mit Jobs versorgt.

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Ein Fazit der Ära Cook?

Für Endgültiges ist es noch zu früh. Apple steht so stark und mächtig da wie nie: ein Achill der Unternehmenswelt mit ziemlich gut geschützter Ferse. Seit zehn Jahren steht Tim Cook nun an der Spitze des US-Technoloigiekonzerns. Beweisen muss er nichts mehr, und natürlich machen bei Apple schon Gerüchte die Runde, wer zu seinem Nachfolger taugt.

Gute Chancen hat Jeff Williams, sein Stellvertreter, der seit zwei Jahrzehnten mit ihm zusammenarbeitet. Doch Williams ist bereits 58. Softwarechef Craig Federighi (52) also, der immer häufiger an der Seite von Cook auftritt? Cook selbst sagte es in einem Interview mit der «New York Times» zuletzt so: Das Datum seines Ruhestands sei «noch nicht in Sicht», aber «wahrscheinlich werden es keine zehn Jahre mehr werden». Für Cook nicht. Und vermutlich auch nicht für Apple, so wie wir es heute kennen.

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