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Andreas Caminada: Der Drei-Sterne-Koch und sein Rezept zur Geldvermehrung

Andreas Caminada ist einer der besten Köche der Schweiz – und der unternehmerischste. Wie die Caminada Corporation funktioniert.

Marc Kowalsky

Andreas Caminada

UNTERNEHMER CAMINADA: «Es bleibt etwas hängen, weil ich mir den Arsch aufreisse und sehr viel dafür tue.»

Gianmarco Castelberg / 13 Photo

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Fürstenau im Bündnerland, Anfang Juli: Andreas Caminada hat auf Schloss Schauenstein geladen zu einem «Live Cooking und Food Pairing». Er kocht ein Sechs-Gang-Menu, erklärt die Zubereitung, führt hinter die Kulissen seines Betriebes. Die Hauptrolle neben Caminada spielt dabei die Marke Dom Pérignon, für die er neu als Botschafter auftritt.

Einmal im Monat kocht er seither für Kunden des Champagnerhauses. «Diese Partnerschaften sind eine Diversifizierung und wichtig für die Stärkung und Wahrnehmung des Brands», sagt Caminada. Und eine weitere Einnahmequelle für den Bündner, der einer von nur drei Köchen in der Schweiz ist mit drei «Guide Michelin»-Sternen und 19 «Gault Millau»-Punkten.

Dom Pérignon ist bereits die siebte Marke, für die sich Caminada als Ambassador verpflichtet hat, neben Audi, Hublot, V-Zug, dem Küchenbauer Orea, dem Tonic-Produzenten Swiss Mountain Spring und der Bank EFG. «Niemand in der Branche macht das so konsequent wie Caminada», sagt Urs Heller, Herausgeber des Schweizer «Gault Millau» (erscheint im selben Verlag wie BILANZ). Und kein anderer Sternekoch hierzulande ist unternehmerisch so erfolgreich wie der 44-Jährige.

Partner-Inhalte

Schloss Schauenstein

IDYLLE Schloss Schauenstein in Fürstenau GR, erbaut 1742, ist die Zentrale von Caminadas Aktivitäten als Koch und als Unternehmer.

Hervé le Cunff / Gault Millau / Schweizer Illustrierte
Schloss Schauenstein

IDYLLE Schloss Schauenstein in Fürstenau GR, erbaut 1742, ist die Zentrale von Caminadas Aktivitäten als Koch und als Unternehmer.

Hervé le Cunff / Gault Millau / Schweizer Illustrierte

Schlechtes Geschäft

Spitzengastronomie verbreitet viel Glamour, ist tatsächlich aber ein hartes Brot. Von einem «27-Stunden-Job, 8 Tage die Woche» spricht Heiko Nieder, Küchenchef von The Restaurant Dolder. Vor allem ist sie ein schlechtes Geschäft. Der Personalaufwand macht 50 bis 60 Prozent der Kosten aus. Die Warenkosten liegen, wenn man spitz rechnet, bei 35 Prozent. Der Rest geht drauf für Miete (Caminada zahlt für das Schloss Pacht von etwa einer halben Million Franken pro Jahr), Verbrauchsmaterial, Investitionen. «Da bleibt nicht wirklich viel Marge übrig», sagt Nieder.

Wer als Sternekoch auch nur fünf Prozent erreicht, hat alles richtig gemacht. Etwa weil er mit viel Einsatz und genau kalkuliertem Personal eine zahlungskräftige Stammkundschaft bedient, wie Rico Zandonella im Restaurant Rico’s an der Zürcher Goldküste. Etwa weil die ganze Familie im Service mithilft, wie bei Christian Kuchler in der Taverne zum Schäfli in Wigoltingen TG. Etwa weil die Liegenschaft im Eigenbesitz ist wie bei Familie Ravet im Restaurant L’Ermitage in Vufflens-Le-Château VD.

Viele Spitzenrestaurants sind daher Teil von Luxushotels, wo sie nicht zwingend selbsttragend sein müssen, sondern primär als Marketingtool dienen: «Wir generieren Mehrwert für das Hotel», sagt der aktuelle «Gault Millau Koch des Jahres» Stefan Heilemann vom Zürcher Hotel Widder: «Wenn ein Gast mehrere Spitzenhotels zur Auswahl hat, ist die Gastronomie häufig der entscheidende Faktor.»

Andere Luxusrestaurants überleben nur dank Mäzenen: Das Restaurant de l’Hôtel de Ville in Crissier VD (drei Sterne) etwa wird von Roche-Erbe André Hoffmann und IT-Unternehmer André Kudelski unterstützt. Medtech-Milliardär Thomas Straumann leistet sich in Basel das Hotel Les Trois Rois mit dem Restaurant Cheval Blanc (ebenfalls drei Sterne). Der österreichische Finanzunternehmer Peter Pühringer unterhält im Parkhotel Vitznau gleich zwei Sternetempel, das Prisma und das Focus.

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Andreas Caminada als Hublot-Botschafter

BOTSCHAFTER: Partnerschaften wie hier mit der Uhrenmarke Hublot stärken den Brand Caminada - und den des Partners.

Mirjam Kluka
Andreas Caminada als Hublot-Botschafter

BOTSCHAFTER: Partnerschaften wie hier mit der Uhrenmarke Hublot stärken den Brand Caminada - und den des Partners.

Mirjam Kluka

Das sind die üblichen Methoden, um in der Spitzengastronomie über die Runden zu kommen. Und es gibt die Methode Caminada. 2003 machte sich der Bündner selbstständig. 2010, mit 33 Jahren, war er der jüngste Drei-Sterne-Koch der Welt. Inzwischen hat er aus eigener Kraft ein ganzes Gastroreich aufgebaut mit acht Restaurants, zwei Hotels, einem Catering-Betrieb und einer Stiftung zur Ausbildung junger Köche. Der Mann mit dem Model-Look ist Multi-Markenbotschafter, er betreibt einen Videochannel auf der Website von «Gault Millau» und hat ein eigenes Magazin. Caminada ist selbst eine Marke geworden.

Als «Tausendsassa» beschreibt ihn Heilemann: «Egal was er anpackt, macht er zu Gold. Er ist ein grosses Vorbild für sehr viele Köche.» Den «allerhöchsten Respekt vor seiner unternehmerischen Leistung» erbietet auch Nieder. Von einem «Jahrhunderttalent als Koch und als Unternehmer» spricht Heller: «Er hat eine ganze Generation geformt.»

Mit vier Angestellten war Caminada 2003 in die Selbstständigkeit gestartet, heute beschäftigt er rund 70. Das Unternehmerische lernt man in der Kochausbildung nicht. «Bis ich 25 Mitarbeiter hatte, habe ich nach Bauchgefühl entschieden, danach habe ich auf Sicherheit und Professionalität gesetzt», sagt er. Will heissen: auf seine Frau Sarah, eine ausgebildete Betriebswirtin, die zuvor im Asset Management gearbeitet hatte.

«Meinen Sparringspartner» nennt sie Caminada. Sie kümmert sich um die Budgetplanung, die Umsatz- und Kostenkontrolle, verschickt jeden Tag eine aktuelle Übersicht über die Zahlen per Mail, interveniert bei den Restaurantleitern, wenn es zu wenige Reservationen gibt. «Caminada hat als Unternehmer erst wirklich abgehoben, als er mit Sarah zusammengekommen ist», sagt ein Freund der beiden.

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Konstante Auslastung

Mit 450 Franken Umsatz pro Gast kalkulieren die Caminadas in ihrem Drei-Sterne-Restaurant, mal 30 Plätze jeweils mittags und abends, mal 5 Tage mal 40 Wochen, bei einer Auslastung von 98 Prozent. Macht einen Umsatz von 5,3 Millionen Franken pro Jahr. Und Schauenstein ist profitabel. «Wenn das nicht funktioniert, funktioniert gar nichts», sagt Caminada. «Aber es bleibt ein stetiges Suchen nach Verbesserungen und Optimierungen.» Die grösste Herausforderung ist angesichts der hohen Fixkosten die konstante Auslastung.

Jüngst hat er das kulinarische Angebot in Schauenstein ausgebaut und ein zusätzliches vegetarisches Restaurant namens Oz (rätoromanisch für «heute») mit Platz für zwölf Gäste eröffnet – ein Zeitgeistthema. Das 9-Gang-Menu kostet 196 Franken, auf den Einkauf von teurem Fleisch und Fisch kann Caminada verzichten, die Zutaten stammen mehrheitlich aus dem Schlossgarten. «Dafür ist der Aufwand beim Anbau und bei der Zubereitung grösser», sagt er.

Hinzu kommt das Golf-Restaurant Vista in Sagogn, eine halbe Stunde von Schauenstein entfernt. Dort ist Caminada zu 49 Prozent beteiligt und kümmert sich ebenfalls um die Karte. Bei Acasa Catering, die er zusammen mit dem Grand Hotel Bad Ragaz betreibt, hält er 26 Prozent. Der Zwei-Mann-Betrieb macht in guten Jahren eine Million Franken Umsatz.

Das zweite grosse kulinarische Standbein des 44-Jährigen aber ist die Kette Igniv (rätoromanisch für «Nest»). Sternenküche zum Teilen in lockerer Atmosphäre ist das Konzept, und auch damit hat Caminada den Zeitgeist getroffen. Betrieben werden die Restaurants jeweils mit Partnern: in Bad Ragaz (zwei Sterne) mit dem Hotel Quellenhof, in St.  Moritz (zwei Sterne) mit dem Hotel Badrutt’s Palace, in Zürich (ein Stern) mit der Ospena Gruppe, die das Hotel Marktgasse im Niederdorf führt, in Bangkok (noch kein Stern) mit der Hotelkette St.  Regis.

Die Küchenchefs – alles ehemalige Caminada-Souschefs – sind direkt bei ihm angestellt, das restliche Personal beim Partner, wobei er über die Besetzung entscheidet. Zudem redet er mit bei Design und Ausstattung, leistet Mentoring bei der Karte, garantiert die Budgets, managt die Kostenstellen. «Da bin ich sehr aktiv», sagt er. Die Verträge sind unterschiedlich, aber grundsätzlich gilt: Beide Seiten stehen im unternehmerischen Risiko.

Die vier Ignivs machen etwa gleich viel Umsatz wie Schauenstein. Und Caminada ist in Gesprächen für weitere Standorte – nicht in der Schweiz, aber «Sommerdestinationen wie Mykonos, Ibiza oder Portofino würden auch passen».

Ein Spitzenkoch, acht Restaurants – in der Schweiz ist dieses Modell unüblich. Vergleichbar ist nur Philippe Chevrier von der Domaine de Châteauvieux (zwei Sterne, 19 Punkte) in Genf: Er führt zehn Restaurants mit zusammen 100 «Gault Millau»-Punkten, davon aber nur eines besternt. Und er bleibt dabei diskret im Hintergrund.
 

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Andreas und Sarah Caminada

KONGENIAL: «Caminada hat als Unternehmer erst wirklich abgehoben, als er mit Sarah zusammengekommen ist», sagt ein Freund.

Gian-Marco Castelberg
Andreas und Sarah Caminada

KONGENIAL: «Caminada hat als Unternehmer erst wirklich abgehoben, als er mit Sarah zusammengekommen ist», sagt ein Freund.

Gian-Marco Castelberg

In Frankreich hingegen haben Spitzengastronomie-Unternehmer Tradition: Die Restaurants des 2018 verstorbenen Joël Robuchon waren mit insgesamt 30 Sternen ausgezeichnet, Alain Ducasse leitete zeitweise 30 Restaurants, fünf Hotels, drei Kochschulen und eine eigene Bäckerei. Momentan macht Drei-Sterne-Koch Yannick Alleno mit seinen 20 Restaurants rund um die Welt von sich reden.

Bei Caminada kommen noch die beiden Hotelbetriebe auf Schauenstein hinzu, mit neun Zimmern im Schloss bzw. zehn in der Casa Caminada. Auch sie sind profitabel, «sonst würden wir es nicht machen», und bringen einen niedrigen siebenstelligen Umsatz. Mit 150 000 Franken pro Jahr ertragsmässig irrelevant ist der eigene Shop on- und offline: Das Caminada-Messer für 239 Franken (3000 Stück hat er davon verkauft), die Kochjacke für 135 Franken (Caminada macht das Design), das halbe Pfund selbstgerösteter Kaffee für 12 Franken.

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Lukrative Partnerschaften

Und dann natürlich die Markenpartnerschaften. In der Branche üblich sind Barter-Deals: Ware gegen Leistung, etwa Champagner gegen Kochabende für Kunden. Bei Caminada aber fliesst tatsächlich auch etwas Geld, von Audi etwa 150 000 Franken. Zudem bekommt er einen e-tron gestellt, der Shuttleservice für die Gäste erfolgt in Audi-Limousinen.
 

Caminadas Firmengruppe
Bilanz
Caminadas Firmengruppe
Bilanz

Mit Orea gestaltete Caminada einen Herdblock, er wird – je nach Ausstattung – für 60 000 bis 80 000 Franken verkauft. Für EFG tritt der Kochstar auf Symposien auf und kreiert die Kundengeschenke für Weihnachten, mit Swiss Mountain Spring will er eine Tonic-Serie lancieren: «Wir bringen unser Know-how und unsere Geschmacksideen ein», sagt er.

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Der jüngste Schritt zur eigenen Marke: Zusammen mit Heller gibt er ein Lifestyle-Personality-Magazin heraus mit 90 000 Exemplaren Auflage, zweimal pro Jahr. Der Name: Caminada. Der Inhalt: Caminada, in allen Lebenslagen, mit seinen Freunden, auf Reisen. Und eine Bühne für seine Sponsoren.

Caminada sei bei der Themenfindung und der Umsetzung sehr aktiv, hört man aus dem Verlag. 14 bis 16 Stunden pro Tag arbeitet er nach eigenen Aussagen in den intensiven Zeiten, etwa wenn er neue Menus kreiert oder Projekte in die heisse Phase kommen. In ruhigeren Zeiten sind es 8 bis 10. Irgendwo findet er dann auch noch Zeit für die beiden Kinder (fünf und sieben Jahre) und das Golfen: Caminada hat das beachtliche Handicap 6. «Ich habe mit 20 Jahren angefangen mit Golf, es ist zur Leidenschaft geworden», sagt er.

Gegenüber seinem Gastroreich wird Golf immer die kleinere Leidenschaft bleiben. Insgesamt knapp 20 Millionen Franken Umsatz pro Jahr erwirtschaftet die Caminada Corporation. Sie ist rein privat finanziert, ohne Investoren. Und sie ist profitabel. «Es bleibt etwas hängen, weil ich mir den Arsch aufreisse und sehr viel dafür tue», sagt Caminada.

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