Guten Tag,
Die Anlageklassen sind im Hoch. Einige Experten warnen vor einer Korrektur. Entscheidend sind auch die Notenbanken – und das Vertrauen in sie.
HEISSE MÄRKTE: Wie lange geht das noch gut?
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Herzliche Gratulation. 4,5 Millionen Franken hat ein Glückspilz Ende Juli beim Swiss Lotto abgeräumt. Doch mit dem Geldsegen kommen die Probleme. Zumindest wenn der Gewinner das Geld nicht verprassen, sondern klug anlegen will. Das Bankkonto ist bekanntlich keine Option: Bei Postfinance fallen schon ab einer sechsstelligen Summe Negativzinsen an, bei der UBS ab 250 000 und bei der Credit Suisse ab 500 000 Franken. Verlockend erscheint der Kauf einer Immobilie, bestenfalls am Zürichsee, im Kanton Zug oder Schwyz? Viel Erfolg! Sofern man nicht Mondpreise bezahlen und in die drohende Blase hinein kaufen will.
Also in den Aktienmarkt. Nur: Dort herrschen historische Höchststände. Der SMI steht rund 12 Prozent höher als vor dem Corona-Crash im März 2020. Der S&P 500 mit den grössten US-Unternehmen hat seither 30 Prozent zugelegt, der Technologie-Index Nasdaq sogar 50 Prozent. Womöglich kein idealer EInstiegszeitpunkt. Vielleicht Kunst? Will man beim neusten Hype vorne mitmischen, reicht der Lottogewinn nicht aus – im Frühjahr versteigerte das Auktionshaus Christie’s ein digitales Bild für 69 Millionen Dollar. Gut, ein Lottospieler liesse sich womöglich zu einer Zockerei hinreissen. Da wäre Bitcoin was. Doch auch die populärste Kryptowährung ist trotz der Korrektur im Frühling viermal so viel wert wie vor einem Jahr.
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Nahezu alle Anlageklassen erscheinen überhitzt. Vielleicht aber braucht der Glückspilz nur etwas Geduld an der Seitenlinie. Geht es nämlich nach einigen Wall-Street-Grössen, steht die Welt kurz vor dem Crash. USInvestor Richard Bernstein sprach im August von der grössten Aktienblase, die er je gesehen habe. Ein weiterer Anstieg der langfristigen Zinssätze könne sie zum Platzen bringen. Auch Jeremy Grantham ist alarmiert. Der britische Investor hatte schon vor der Dotcom-Blase und der Finanz- und Kreditkrise gewarnt und sagt nun: «Die Blase ist so offensichtlich wie die Nase in Ihrem Gesicht.» Michael Burry, der vor der Finanzkrise gegen den US-Immobilienmarkt wettete und durch die Verfilmung «The Big Short» bekannt wurde, richtete im Juni via Twitter seine Warnung vor der «Mother of all Crashes» an die Horde von Kleinanlegern, die in Hype-Aktien und Bitcoin investieren – kurz darauf löschte er sein Profil.
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Nun sorgt Burry für Aufsehen, weil er gegen Cathie Woods und damit den aktuell populärsten Star der Wall Street wettet. Woods erzielte mit ihrem extrem Tech-lastigen ETF ARK Innovation im vergangenen Jahr eine Rendite von 150 Prozent. Burry sieht ein heftiges Überschiessen und erhöht zugleich seine Short-Position gegen Tesla auf rund 730 Millionen Dollar. Eine Wette gegen jene Aktie also, die mit ihrer Verfünfzehnfachung seit Mitte 2019 wie keine andere für den jüngsten Börsenhype steht.
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Doch nicht nur die Crash-Propheten vermiesen die Stimmung. Der Blick auf die Indexstände und Kennzahlen hinterlässt ein mulmiges Gefühl. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) der Titel der S&P-500-Firmen liegt bei 38 – der historische Schnitt der letzten 70 Jahre ist 19,7. Der Buffett-Indikator – benannt nach der Investorenlegende Warren Buffett – setzt den totalen Wert des US-Aktienmarktes in Relation zum Bruttoinlandprodukt (BIP). Ein Wert über 100 Prozent gilt als Hinweis für eine Entkoppelung der Börsenbewertung von der Wirtschaftskraft. Aktuell steht der Buffett-Indikator bei 238 Prozent.
Neben den Aktienkursen steigen in den USA die Immobilienpreise massiv und immer schneller an. Diese Bewegung ist laut Beat Thoma, CIO bei Fisch Asset Management in Zürich, teilweise sogar stärker als in den Jahren 2004 bis 2006 im Vorfeld der Finanzkrise. Aber auch in der Schweiz laufen die Immobilien heiss: Innerhalb eines Jahres sind laut UBS die Preise für Wohneigentum so stark gestiegen wie seit zehn Jahren nicht mehr. Eine Vergünstigung sei nicht in Sicht. Gemäss der Grossbank ist das Blasenbarometer im zweiten Quartal von 1,78 auf 1,90 Punkte geklettert. Heisst: Der hiesige Markt für Eigenheime befindet sich laut UBS in der Risikozone und kratzt an der Grenze zur Blase.
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Die angefragten Anlageexperten begründen die hohen Preise in sämtlichen Assets unisono mit den historisch niedrigen Zinsen. Zinsen sind für die Höhe der Preise entscheidend. Die verbreiteten Bewertungsmodelle wie der Discounted Cashflow verwenden den risikolosen Zins. Je tiefer die gegenwärtigen Zinsen, desto höhere Preise sind gerechtfertigt. «Tiefe Zinsen bedeuten hohe Preise für all jene Anlagen, die als Barwert eines zukünftigen Zahlungsstroms bewertet werden, wie Obligationen, Aktien, Immobilien, Infrastruktur, Filme und vieles mehr», weiss Ökonom Klaus Wellershoff.
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Beat Thoma drückt es so aus: Absolut gesehen seien die Zinsen tief und die Bewertungen der Anlageklassen hoch. Relativ gesehen seien sie aber im Gleichgewicht. Doch dieses ist fragil und droht gerade zu kippen. «In den letzten zwölf Monaten sah man eine gewisse Abkoppelung.» Die Preise für Aktien und Immobilien sind weitergestiegen, obwohl auch die langfristigen Zinsen leicht angezogen haben. «Die Preise hätten somit eigentlich leicht zurückkommen müssen.»
Die Notenbanken halten das Anlagefeuer am Lodern. «Der allerwichtigste Grund für die Explosion der Anlagepreise ist die Geldpolitik», sagt Wellershoff. So haben die Notenbanken die Zinsen unter die Nulllinie gedrückt, die Preise an den Anleihemärkten durch gigantische Ankaufprogramme manipuliert und den risikolosen Geldanlagen so den Garaus gemacht. 70 Prozent der Obligationen aus Industrieländern garantieren auf das Laufzeitende nur noch Verluste. Zugleich sind Negativzinsen für immer mehr Menschen bittere Realität.
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Privatanleger, die kaum mit Aktienmärkten zu tun hatten, entfliehen der «Guthabengebühr», ziehen ihre Ersparnisse von ihren Konten ab, investieren an den Börsen, in Immobilien, in Kunst und treiben so die Preise. Obendrein können sich Pensionskassen nicht mehr auf die Obligationen als zentralen Rendite-Lieferanten verlassen und verlagern, soweit es der Gesetzgeber zulässt, in Immobilienprojekte, Aktien und alternative Anlagen. Die Risikobereitschaft steigt.
Das billige Geld verführt auch zum Investieren auf Kredit. «Aktien auf Pump zu kaufen, verbreitet sich», sagt Mario Geniale, Chief Investment Officer der Bank CIC. Das gelte nicht nur für kleine Spekulanten, sondern geschehe in grossem Stil. «Vor allem das reichste Prozent der Bevölkerung nutzt die günstigen Finanzierungen und geht gehebelt in die Märkte hinein. Das war im Covid-Crash gut zu beobachten.» Neben der ultralockeren Geldpolitik treibt auch der sogenannte «Savings Glut» die Preisspirale an.
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Gemeint ist damit die vom ehemaligen Fed-Chef Ben Bernanke verbreitete Theorie, wonach die Ersparnisse rund um den Globus stetig ansteigen. Treiber sind die zunehmende private Altersvorsorge in den Industrieländern und der steigende Wohlstand in den Emerging Markets. Die wachsenden Vermögen treffen so auf eine stagnierende Zahl an Gefässen, in die investiert werden kann. Grosse Nachfrage bei geringerem Angebot hebt bekanntlich die Preise. «Der ‹Savings Glut› ist ein wichtiger Grund, warum die Preise hoch und die Renditen tief sind», sagt Berenbergs Chefvolkswirt Holger Schmieding.
Angetrieben werden die Notenbanken vom Willen, das Sparen unattraktiv zu machen und die Investitionen anzuheizen. Firmen und Staaten können sich im Tiefzinsumfeld so günstiger refinanzieren. «Ziel ist es, so die Wirtschaftsleistung anzukurbeln und die Verschuldung zumindest in Relation dazu zu reduzieren», sagt Mario Geniale. Der Grundstein für die lockere Notenbankpolitik und damit der aktuellen Alles-Blase wurde genau vor 50 Jahren gelegt, im Jahr 1971. Unter Präsident Nixon waren die USA nicht mehr bereit, ihre Dollars in Gold zu tauschen – die Welt verabschiedete sich vom Goldstandard.
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Das Ende des Bretton-Woods-Systems ermöglichte eine neue, entfesselte Geldpolitik. So richtig nützen die Notenbanken ihre damals gewonnene Freiheit erst seit der Finanzkrise aus. Um Liquiditätsengpässe zu vermeiden, drückten sie die Zinsen und liessen die Notenpressen surren. «Die Finanzkrise ist der Wendepunkt», sagt Geniale. «Die Notenbanken haben gemerkt, dass tiefe Zinsen nicht zur Inflation führen und damit ohne Konsequenzen bleiben.» Die aktuellen Inflationsschübe werden auf Covid-bedingte Engpässe in den Lieferketten zurückgeführt. Das Gros der Experten sieht sie nur als temporäres Überschiessen.
Geht es nach dem Wirtschaftshistoriker Tobias Straumann, lässt sich nichts mit der jetzigen Situation vergleichen. «Wir befinden uns in einer Experimentierphase. Die Geldpolitik kann jedoch so lange fortgesetzt werden, bis der Inflationsdruck kommt.» Auch er schätzt die Inflations-gefahren als überschaubar ein, herrsche doch in der Realwirtschaft ein Angebotsüberhang. Bremsend wirke zudem Europas strukturelle Schwäche.
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AUREL BACS: Er gilt als einer der renommiertesten Uhrenexperten und führt für das Auktionshaus Phillips Versteigerungen von begehrten Uhren durch.
PDAUREL BACS: Er gilt als einer der renommiertesten Uhrenexperten und führt für das Auktionshaus Phillips Versteigerungen von begehrten Uhren durch.
PDHerr Bacs, Sie haben mit Ihrem Auktionshaus Phillips trotz der Pandemie 2020 einen Rekordumsatz von 133 Millionen Dollar erzielt und im Mai eine Patek Philippe für 7 Millionen Franken versteigert. Ist der Markt für Luxusuhren überhitzt?
Die erwähnte Patek Philippe erzielte zwar bei der Auktion in Genf einen Rekordpreis. Wenn ich das aber mit dem teuersten Diamanten, dem teuersten Auto oder der teuersten Kunst vergleiche, dann hinken wir bei den Uhren preislich noch deutlich hinterher.
Wie meinen Sie das?
Rational kann man nicht erklären, weshalb ein Bild 50 oder 70 Millionen Franken wert sein soll oder eine bestimmte Uhr 7 Millionen. Bei Sachwerten hat man ja nicht wie bei Unternehmen Kennzahlen, Patente oder Produkte, womit man eine Wertschöpfung finanziell erklären kann. Bei Sammlerobjekten wie jener Uhr geht es also nur um Angebot und Nachfrage. Die Tatsache, dass es Käufer gibt, die finden, ein Basquiat sei 40 Millionen wert, zeigt, dass man bei seltenen Uhren mit 7 Millionen Franken noch vergleichsweise bescheiden ist.
Also keine Blase?
Klar, wir hatten jüngst einen grossen Preisschub. Uhren sind kein Geheimtipp mehr. Der Uhrenmarkt hat in den letzten zehn Jahren schön performt. Was die Wertsteigerung betrifft, wäre man aber mit einem Basquiat besser gefahren. Daher würde ich nicht von einer Blase sprechen.
Wie erklären Sie sich diesen Preisschub?
Der wichtigste Grund für die Steigerungen in den letzten 20 Jahren hat mit dem Wachstum der Sammlergemeinde zu tun. Wenn es mehr Teilnehmer am Uhrenmarkt gibt als erhältliche Objekte, steigen die Preise. Heute interessieren sich viel mehr Menschen aus Ländern wie China für hochwertige mechanische Uhren. Zudem haben Uhren Vorteile etwa gegenüber Oldtimern: Sie sind praktisch CO2-neutral, brauchen weniger Platz, und der Unterhalt ist einfacher.
Inwiefern hat die Pandemie den Uhrenmarkt angeheizt?
Früher hatten wir 1000 Kunden, die bei Auktionen mitboten, im Frühling 2021 plötzlich 3000. Die Pandemie brachte insofern Veränderungen, als viele mehr Stellenwert auf ihr Zuhause legen: mit schönen Möbeln und Bildern etwa, aber eben auch einer schönen Uhrensammlung. Es gab auch Kunden, die mir sagten, ihre Uhrensammlung habe sie im Lockdown vor einer Depression gerettet.
Wie bitte?
Sitzt man zu Hause fest, kann man sich trotzdem an seinen Uhren erfreuen. Man nimmt sie aus dem Tresor, zieht sie auf, schlägt in der Literatur nach und setzt sich so mit seinem Objekt auseinander.
Gehen Nachfrage und so die Preise nach Corona wieder zurück?
Das glaube ich nicht. All das Geld, das uns die Notenbanken beschert haben, bleibt ja da. Und die Anzahl an weltweiten Uhrenliebhabern steigt noch immer.
Dienen die Uhren vor allem als Sachanlage?
Weit über 90 Prozent unserer Käufer interessieren sich für die Seltenheit und die Geschichte einer Uhr. Sie setzen sich intensiv damit auseinander. Das ist ein Zeichen dafür, dass die Käufe keine blanken Spekulationen sind.
Blickt man jedoch auf die Bilanzen der Notenbanken, wird manchem Beobachter schwindlig, derart haben sie sich durch die Interventionen aufgebläht. Sowohl die EZB als auch die Fed halten mittlerweile Anlagen im Wert von rund 8000 Milliarden Dollar in ihren Büchern. Als eine kritische Grösse gilt die jährliche Wirtschaftsleistung. Doch die ist im Fall der Eurozone mit rund 14 000 Milliarden Euro und noch mehr im Fall der USA mit 22 000 Milliarden Dollar noch ein gutes Stück entfernt. Wie Japan zeigt, lässt sich das Spiel selbst über diese Grenze hinaus weiterführen. «Das Geldsystem steht und fällt mit Vertrauen in die Zentralbanken, das Geldsystem am Laufen zu halten. Noch ist das Vertrauen intakt», sagt Chefanleger Geniale.
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Doch je länger die Notenbanken ihre Politik fortsetzen, desto schwieriger wird es, aus der Nummer wieder herauszukommen. «Wir haben damit nicht nur unsere Kapitalerträge, die uns in Zukunft fehlen werden, jetzt schon realisiert, auch die Wahrscheinlichkeit einer neuerlichen Finanzkrise ist stark gewachsen», sagt Ökonom Wellershoff. Es scheint, die Politik habe wenig aus der Finanzkrise gelernt.
Tobias Straumann sagt es so: «Man kann Schulden machen, ohne kurzfristig den Preis zu zahlen. Aber die Probleme sind damit nur in die Zukunft verschoben.» Laut dem Historiker wird es geldpolitisch immer schwieriger, eine weiche Landung hinzulegen, je länger die Zinsen auf tiefem Niveau verharren.
Für Claude Maurer, Chefökonom Schweiz der Credit Suisse, ist der Zins denn auch der grosse Faktor, «der die Suppe versalzen könnte». Er geht zwar davon aus, dass die Inflation in den USA ihren Höhepunkt überschritten hat, allerdings werde sie nicht mehr auf ein so tiefes Niveau zurückkommen wie vor der Krise. Trotzdem: Eine Zinserhöhung dürfte erst 2023 zum Thema werden. Gegen Ende Jahr werde die Fed ihre Anleihekäufe reduzieren. Eine unmittelbare Crash-Gefahr sieht Maurer nicht. Risiken bleiben ein heftiges Aufflammen der Pandemie, unterbrochene Lieferketten, knappe Güter und eine unerwartet hohe Teuerung. Könnten die Notenbanken dann reagieren? «Mög-lichkeiten gibt es immer», sagt Maurer. «Etwa über die Zinskurve, Anleihekaufprogramme, Wechelkursinterventionen oder über weitere Covid-Kredite.» Auch sei nun das Zusammenspiel zwischen Regierungen und Nationalbanken enger geworden – Schocks lassen sich dadurch besser absorbieren.
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Was aber soll der neue Lottomillionär tun? Für Christoph Schenk, CIO der Zürcher Kantonalbank, sind Aktien trotz allem die geeignetste Anlageklasse. «Wer vor 20 Jahren in den SMI investierte, konnte sein eingesetztes Vermögen mehr als verdreifachen – trotz der Dotcom-Blase, der Finanz- und Schuldenkrise in Europa, dem Frankenschock und jüngst der Covid-Krise.» Der Vorteil von Aktien: «Man hat die Notenbanken auf seiner Seite und zudem bei vielen Titeln die Dividende als Risikopuffer.» Selbst wenn es mal runtergeht, kassiere man dank dieser immerhin durchschnittlich 2,5 Prozent. «Kauft man hingegen ‹Eidgenossen›, ist man garantiert 0,4 Prozent ärmer.» Ohnehin: Crashs lassen sich auch immer für Nachkäufe nutzen. Im Vorteil ist, wer dann noch etwas Pulver auf der Seite hat.
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Und was sagen die Experten zum Kauf eines Eigenheims? Die auf das Luxussegment am Zürichsee spezialisierte Maklerin Daniela Vetsch bekommt noch immer mehr Anfragen als Objekte. «Der Markt ist extrem ausgetrocknet und die Preise entsprechend hoch.» Corona hat das Bedürfnis nach einem Eigenheim vergrössert. «Wer früher noch mit einer 4,5-Zimmer-Wohnung zufrieden war, möchte heute ein Haus mit Platz für einen Fitnessraum und ein anständiges Büro mit Aussicht.» Vetsch geht davon aus, dass die Preise besonders im Luxusbereich weiter anziehen, weil die Nachfrage noch länger hoch bleiben dürfte.
Schwieriger ist es hingegen bei Immobilien als Anlageobjekt. Donato Scognamiglio, Chef der Immobilienfirma IAZI, warnt vor hohen Wertschwankungskorrekturen. «Wer jetzt kauft, geht eine Wette ein, dass die Zinsen immer so tief bleiben.» Für ein Mehrfamilienhaus an einer Toplage in Zürich, das alljährlich eine Miete von 200 000 Franken abwirft, sei man heute bereit, 50-mal diesen Betrag zu bezahlen – also 10 Millionen Franken. Vor einer Dekade hätte man dafür vielleicht 6 Millionen bezahlt. Anzeichen für eine Blase? «Nein», sagt Scognamiglio. «Wir sind einfach vom 7,5-Meter-auf den 10-Meter-Sprungturm geklettert. Man fällt nun halt tiefer.»
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Diesen Fall könnten viele Private nicht verkraften. Kauft man ein Haus für eine Million und bringt 200 000 Franken ein, dann ist die Immobilie bei einer Marktkorrektur von zehn Prozent nur noch 900 000 Franken wert. Der Bank jedoch gehören davon noch immer 800 000 Franken. Das Eigenkapital hat sich also kurzerhand halbiert. Den Kauf von Renditeimmobilien würde er derzeit Profis wie Lebensversicherern oder Pensionskassen überlassen.
Mit wachsender Unsicherheit steigt das Interesse an sogenannten sicheren Häfen. Als solcher gelten normalerweise fest-verzinsliche Papiere. Das Gute daran: Sobald die Kurse bei Risikopapieren einbrechen, steigen die Preise für Staatsanleihen. Zinstitel sind daher eine gute Absicherung. Beliebt für ein traditionelles Portfolio ist die 60-40-Regel: 60 Prozent Aktien und 40 Prozent Obligationen. Doch inzwischen ist auch diese Faustregel ausser Kraft gesetzt.
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Sich auf diese Regel zu verlassen, könnte Anlegern in der aktuellen Marktphase das Genick brechen. Es ist höchst ungewiss, ob Gewinne an den Anleihemärkten im Fall eines Börsencrashs die Verluste bei Dividendenpapieren auch nur teilweise kompensieren würden. Die Zeiten, als Notenbanken Spielraum für Zinssenkungen hatten, sind längst vorbei. Angesichts der anziehenden Inflation in den USA kann man solche Schritte vonseiten der Fed sogar ausschliessen.
Anlagestrategen raten dringend dazu, Portfolios den neuen Realitäten anzupassen. Wer sich gänzlich von Obligationen verabschiedet und voll auf Valoren und Immobilien fokussiert, der geht höhere Risiken ein. So geht die Jagd nach Rendite an den Obligationenmärkten weiter. Keine einfache Mission im Umfeld extrem niedriger und negativer Zinsen. Schweizer Staatsanleihen aller Laufzeiten – 50-jährige «Eidgenossen» eingeschlossen – werden mit negativem Vorzeichen gehandelt. Die negativen Zinsen haben Investoren in den vergangenen Jahren in risikobehaftete Bond-Kategorien wie ultralange Laufzeiten, Schwellenländer-Anleihen oder High Yield Bonds getrieben, mit dem Resultat, dass auch bei diesen Zinstiteln immer weniger Zinsen zu holen sind.
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Vom Anlagenotstand angeheizt wurden auch diverse Kryptowährungen. Olaf Hannemann, Mitgründer des auf Start-ups im Blockchain-Bereich spezialisierten Risikokapitalgebers CV VC und ehemaliger J.P.-Morgan-Banker, sagt: «Der Kryptomarkt ist hochvolatil, weil er noch in den Kinderschuhen steckt.» Raketenhafte Kurssprünge werden zum Teil durch extrem gehebelte Positionen verursacht, mit denen sich auf manchen Kryptobörsen handeln lässt. Soll sich der Lottogewinner tatsächlich in dieses Haifischbecken wagen?
Mittel- und langfristig sieht Hannemann enormes Potenzial, das die Technologie birgt. Mehr und mehr traditionelle Investoren beginnen, Kryptowährungen als alternative Anlageklasse zu sehen – auch erste Fonds springen auf. «Vor drei Jahren war das Thema im traditionellen Asset Management quasi tabu, heute wird es in Private-Banking-Newslettern besprochen.» Dass sich Blockchain-Tokens wie Ethereum (ETH), Polkadot (DOT) oder Cardano (ADA) im letzten Jahr vervielfacht haben, ist laut dem Experten nicht bloss auf blinde Zockerei zurückzuführen. Man könne sich die Blockchains – etwas vereinfacht – wie Betriebssysteme vorstellen, auf denen dann konkrete Anwendungen entstehen.
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KRYPTO
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Um eine Anwendung zu entwickeln oder zu nutzen, beispielsweise einen Smart Contract, eine Überweisung oder eine Nachverfolgung eines Produkts, braucht es die entsprechenden Coins. Je beliebter die Anwendungen werden, desto mehr Coins werden benötigt, was wiederum den Preis erhöht. Welche dieser Währungen sich langfristig durchsetzen wird, ist jedoch völlig unklar.
Eine Prognose würde auch Rolf Biland vom VermögensZentrum nicht wagen. «Wir sind in einer Phase, in der man technologisch neue Wege geht. Aber wir wissen noch nicht, welche das sein werden.» Der technologische Wandel befeuert nicht nur digitale Coins. Es sind auch Rohstoffe, deren Nachfrage für die zunehmende Elektrifizierung steigt. Biland nennt Industriemetalle wie Zink, Nickel und Kupfer, das etwa für die Verkabelung genutzt wird. Der Kilopreis stieg in den vergangenen fünf Jahren von 4800 auf 9600 Dollar.
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In den Portfolios der Kleinanleger finden sich solche Rohstoffe jedoch selten. «Gold wiederum hat eine eigene Aura», sagt Biland. Doch auch das Edelmetall ist vergleichsweise teuer. Für eine Feinunze bezahlt man aktuell rund 1650 Franken – Mitte 2018 waren es noch rund 1200.
Das Geld fliesst aber nicht nur in Aktien, Immobilien, Kryptowährungen oder Rohstoffe, gefragt sind auch Sachanlagen.
Letztes Jahr verzeichnete Sotheby’s die höchste Zahl von Erstkäufern seit 15 Jahren, ein Plus von 27 Prozent gegenüber 2019. Der durchschnittliche Wert der über die Onlineplattform verkauften Kunstwerke verdoppelte sich im 2020 von 10 000 auf 20 000 Dollar. Caroline Lang, Chefin von Sotheby’s Schweiz, hat schon einige Blasen erlebt. Etwa in den späten 1980er Jahren, als japanische Kunden auf den Kunstmarkt stürmten und mit dem Verkauf von van Goghs «Zwölf Sonnenblumen» für 39,9 Millionen Dollar ein zuvor nicht gekannter Boom begann, der 1990 mit den Verkäufen von van Goghs «Portrait du Dr. Gachet» für 82,5 Millionen Dollar und von Renoirs «Moulin de la Galette» für 85,9 Millionen Dollar seinen Höhepunkt fand.
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KUNST
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«Als sich die Japaner zurückzogen, war der Ofen aus, es dauerte zehn Jahre, bis sich der Markt erholte», sagt Lang. Heute stütze sich die Nachfrage auf die ganze Welt. «Die Preise steigen, weil es mehr Geld im Markt gibt», so Lang. Eine Blase sieht sie nicht. Wenn für ein vom US-Rapper Kanye West bei den Grammy Awards 2008 getragenes Paar Sportschuhe ein Rekordpreis von 1,8 Millionen Dollar bezahlt wird und eine Double-Eagle-Goldmünze von 1933 für 18,9 Millionen Dollar den Besitzer wechselt, habe das seinen Grund. «Das sind Unikate, die gibt es eben sonst nicht.» Blasen entstehen laut Lang, wenn es eine einseitige oder begrenzt in sich gebundene Käuferschaft gibt, die sich auf ein spezifisches Gebiet stürzt.
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Zudem sei vor allem in Europa die Bereitschaft, sich von Kunst zu trennen, gering. «Viele brauchen das Geld nicht und hängen sich, statt Negativzinsen zu zahlen, lieber Kunst an die Wand.»
Den heissen Anlagetipp im schon aufgeheizten Markt – es gibt ihn nicht. Im Vergleich zur Chance auf einen Lotto-Hauptgewinn von 1 zu 140 Millionen ist die Wahrscheinlichkeit von Korrekturen in den Anlageklassen hoch. Den perfekten Zeitpunkt für den Einstieg jedoch dürfte der Lotto-Glückspilz wie die meisten Investoren nicht erwischen. Wer aber schrittweise vorgeht, gut diversifiziert und einen langfristigen Horizont hat, kann Rückschläge aussitzen und für Zukäufe nutzen. Der grösste Fehler wäre es, aus Angst dem Markt fernzubleiben. Und stattdessen Lotto zu spielen.
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