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Björn Rosengren: «Das Turbogeschäft wird ein besseres Leben ausserhalb von ABB haben»

Der ABB-Chef über den Verkauf des Turbogeschäfts, die Schrumpfkur in der Schweiz, Übernahmepläne und den Konzern in vier Jahren.

Marc Kowalsky

Björn Rosengren

Björn Rosengren: ABB ist die letzte Karrierestation des 61-jährigen Schweden.

Joseph Khakshouri für BILANZ

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Björn Rosengren, bei Ihrem Amtsantritt haben Sie betont, wie lange Sie ABB kennen: dass Sie zeit Ihres Lebens von den Produkten und der Marke ABB beziehungsweise deren Vorgängerunternehmen Asea umgeben waren, dass Sie sich dort für Ihr erstes Praktikum beworben hatten und dass Sie schon viele Jahre mit ABB-Managern zusammengearbeitet haben.
Ja, ABB und ich haben eine lange Verbindung!

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Warum verkaufen Sie dann jetzt die Seele von ABB?
Ich glaube nicht, dass ich das tue.

Turbolader stellt die Firma hierzulande seit 1924 her!
Wir haben unser Produktportfolio auf den Prüfstand gestellt. Wie attraktiv ist der jeweilige Markt, und wie gut laufen die Produkte? Wie können wir hier in Zukunft Wert generieren? Und wie passt das zum Unternehmenszweck von ABB? Auf diesen Kriterien basierend sind wir zum Ergebnis gekommen, dass das Turbogeschäft ein besseres Leben ausserhalb von ABB haben wird, ebenso wie die beiden anderen Divisionen, von denen wir uns trennen. Und das, obwohl ich während vieler Jahre selbst ein wichtiger Kunde von Spartenleiter Oliver Riemenschneider war. Ich kenne also den grossen Wert dieses Geschäftes.

Sie wollen die Sparte an die Börse bringen. Warum kein Verkauf?
Unsere Aktionäre können dann selber entscheiden, ob sie diese Aktie behalten oder verkaufen wollen. Und so ein Schweizer Asset an der Börse wäre auch für andere Investoren hochinteressant.

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Wann wird der Spin-off kommen?
Das wissen wir noch nicht. Es wird aber nicht das erste Geschäft sein, das wir veräussern. Zuerst kommt voraussichtlich die Getriebesparte Mechanical Power Transmission dran.

Und wenn vorher ein Interessent die ganze Sparte übernehmen will, etwa Ihr ehemaliger Arbeitgeber Wärtsilä?
Das müsste man natürlich prüfen, das sind wir den Aktionären schuldig. Das ist dann Sache des Boards. Ich glaube nicht, dass sie der ideale Käufer wären, aber das müssen sie natürlich selbst entscheiden.

Wird die Firma weiterhin die Marke ABB tragen?
Wir werden vermutlich eine andere Marke für sie finden. Aber ich glaube nicht, dass das eine Rolle spielt. Ihre industrielle Kundenbasis ist klar definiert.

Was passiert mit den 800 Beschäftigten?
Die werden dort weiterhin angestellt sein. Es wird gut für sie sein, denn ihre Tätigkeit wird im Zentrum stehen und nicht mehr nur am Rand eines grossen Konzerns. Ich habe im Leben viele Firmen verkauft, und fast immer hat sich deren Geschäft danach besser entwickelt.

Das hat ABB den Mitarbeitern des Gasturbinengeschäftes in Baden und Birr auch gesagt, als es vor 20 Jahren an Alstom verkauft wurde. Die haben es an GE weitergereicht, und inzwischen ist die grosse Mehrzahl dieser Stellen verschwunden.
Es gibt keinen Grund zur Angst, solange der Markt nicht kollabiert – und dafür gibt es keine Anzeichen. Die Leute in der Turbolader-Sparte lieben ihr Geschäft, lieben ihre Kunden und wissen, dass sie eine starke Marktposition haben. Sie werden weiterhin Werte schaffen und das Geschäft wachsen lassen.

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Die riskante Wette des Björn Rosengren

Nach neun Monaten hat ABB-Chef Björn Rosengren dem Industriekonzern seinen Stempel aufgedrückt. Sein Konzept ist simpel – und deswegen riskant. Mehr dazu hier.

Werden Sie ausser den drei Sparten weitere Bereiche verkaufen?
Ich habe immer klar gesagt, dass ich jede einzelne Sparte challenge. Wir führen jedes Jahr ein Assessment durch für alle Sparten: Ist das ein Geschäft, das wir behalten wollen, oder wollen wir es abgeben?

Ihr Konkurrent Siemens hat sich in den letzten Jahren verschlankt in einen Konzern mit nur noch drei Sparten und diversen Beteiligungen. Ist das Beispiel für Sie vorbildlich oder abschreckend?
Wir schauen nicht, was andere tun. Wir schauen aus einer ABB-Perspektive. Hauptsächlich wollen wir, dass ABB wächst. Die Sparten sollten pro Jahr mindestens fünf bis zehn Akquisitionen machen. So generieren wir langfristig Wert.

In Ihrer Amtszeit habe ich bisher nur zwei kleinere Akquisitionen bemerkt, den Roboterhersteller Codian und die Smart-Building-Firma Cylon Controls.
Sie haben recht, es sind nur die beiden. Das ist aus meiner Sicht zu wenig. Aber es kommen wenig Assets überhaupt auf den Markt, weil niemand einen Corona-Discount geben will. Das wird sich nächstes Jahr ändern. Und heuer ist besonders, wegen Corona haben viele unserer Bereiche Probleme, ihre Kunden im Tagesgeschäft in gewohnter Weise zufriedenzustellen. Das hat aber Priorität vor Akquisitionen. Und am allerwichtigsten ist organisches Wachstum.

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Wo soll ABB wachsen?
Die Welt hat eine Herausforderung im Energiethema: Die Bevölkerung wächst, immer mehr Menschen ziehen in die Städte, wir brauchen mehr Strom. ABB hat eine lange Historie in der Energieversorgung. Wir können sie auf effiziente, bezahlbare und nachhaltige Weise sicherstellen. Das ist ein Bereich.

Kein wirklich neuer. Und sonst?
Die physische und die digitale Welt wachsen zusammen. Maschinen, Fabriken, Gebäude, ganze Städte werden verbunden, analysieren sich selbst und entwickeln sich so weiter. In dieser Automation wollen wir die Führung übernehmen. Im Wachstumsmodus sind bei uns aber nur die Hälfte der Sparten. Wichtiger sind uns Stabilität und Margen.

Dann verpassen Sie das Wachstum, wenn nach dem Ende der Pandemie die Wirtschaft wieder anzieht.
Bestimmt nicht! Manche unserer Sparten sind heute einfach weniger gut als die Konkurrenz. Die müssen jetzt die Kurve kriegen und sicherstellen, dass sie klar definierte Margenziele erreichen. Erst dann schalten wir in den Wachstumsmodus. Denn wenn man ein schlechtes Geschäft wachsen lässt, vernichtet man Wert.

In vier Jahren erreichen Sie das Rentenalter. Wie soll ABB dann aussehen?
Wir haben ein gutes Profil, aber wir wollen es schärfen. Unsere Kunden sollen sicher sein, dass wir Wertschöpfung liefern. Unsere Produkte müssen technisch führend und zunehmend digitaler sein. Die Mitarbeiter sollen stolz darauf sein, für ABB zu arbeiten. Und aus Anlegersicht muss ABB die Firma sein, in die man gerne sein Geld investiert, weil sie Werte schafft für die Kunden und damit auch für die Aktionäre. Da waren wir die letzten Jahre nicht gut.

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««Wenn wir jetzt nicht liefern, werden die Rufe nach einer Zerschlagung sehr laut werden!»»

Was passiert, wenn Sie keinen Erfolg haben?
Dann werde ich gefeuert!

Das wäre bedauerlich für Sie, aber ehrlich gesagt machen wir uns mehr Sorgen um ABB.
Die Aktionäre haben die letzten zehn Jahre harte Zeiten durchmachen müssen. Wenn wir jetzt nicht liefern, werden die Rufe nach einer Zerschlagung sehr laut werden! Aber wir haben jetzt die Chance zu zeigen, dass wir Werte schaffen können nicht nur für unsere Kunden, sondern auch für die Aktionäre.

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