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Kreuzfahrten

A Brand New State of Mind

Neue Super-Luxus-Schiffe lässt die Genfer Grossreederei MSC für die verwöhnte Klientel vom ­Stapel. Wir sahen uns an Bord um.

Roland Itten

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Refugium für Gutbetuchte: Die «Explora I» von MSC will mit ihren 461 Ocean-Suiten den Luxus auf See auf ein neues Level heben.

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Es ist kurz nach sechs Uhr, Sonntagmorgen. Die Nacht war eindeutig zu kurz. Wir hatten den Abend an der schicken Lobby-Bar ausklingen lassen. Mit ein paar Brandys, zu Jazzklängen des Pianisten am Steinway-Flügel. Später zu elektronischem Sound im Hintergrund. Mit etwa fünfzig anderen Gästen, die meisten zwischen 40 und 50. Smalltalk, Gelächter, hinter uns schwärmten zwei englische Paare von Afrika. Das eine war im Winter an den Viktoriafällen, das andere auf Sansibar – auf diesem Schiff verkehrt ein reiseverwöhntes, kosmopolitisches, internationales Publikum. Aber ohne steife Abendgarderobe. Angesagt ist Lockerheit, aber mit Stil.

Wie bei Mark, einem 40-jährigen IT-Unternehmer aus Los Angeles, und seiner Frau Elaine, die im japanischen Restaurant an unserem Nebentisch sassen. Er in heller Hose, grünem Polo, dunkelblauen Loafers. Sie im knielangen, hellblauen Kleid mit roten Ornamenten und weissen Sneakers. Wir redeten über Trump und Biden, Marks Bewunderung für die Schweizer Demokratie, über Zermatt, die CS und die UBS. Und über die goldene Rolex, die er seiner Partnerin gestern an Bord gekauft hatte: in der weltweit einzigen Rolex-Boutique auf einem Schiff. Erstmals im Franchising betrieben – durch MSC.

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Dinieren mit Stil: Europäischer Chic, italienisches Design und edle Materialien im Restaurant Med Yacht Club.

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Dinieren mit Stil: Europäischer Chic, italienisches Design und edle Materialien im Restaurant Med Yacht Club.

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Knapp fünf Stunden Schlaf, die kühle Morgenluft auf dem Teak-Deck tut gut. Und erst recht die Szenerie: Direkt neben uns erheben sich 600 Meter hohe Felswände. Zuoberst zeigen sich erste Sonnenstrahlen. Eine Steilwand sticht hervor, wirkt an der Spitze wie durchtrennt. Oben eine Art Plateau. Das muss er sein: der Preikestolen. Wo Tom Cruise – alias Ethan Hunt – in der Schlussszene von «Mission Impossible – Fallout» beim Kampf um Leben und Tod an der Felskante baumelt. Über dem Lysefjord, hier in Norwegen.

Wir sind auf der «Explora I». Dem weltweit neusten Oceanliner, der Luxus auf hoher See neu definieren soll. So will es zumindest die Schweizer Reederei Mediterranean Shipping Company (MSC), im Besitz der Familie Aponte, die seit Jahrzehnten in Genf lebt. Eine runde halbe Milliarde Franken investierte Firmengründer Gianluigi Aponte, der 1970 sein erstes Frachtschiff kaufte, in seinen Traum: 461 Ocean-Suiten, ein Teil davon als Residenzen oder Penthouses, und eine mietbare Owner-Suite am Heck – mit 280 Quadratmetern Wohnfläche, eigenem Hamam, Fitnessgeräten und Infinitypool. Die kleinste Suite misst 35 Quadratmeter und kostet bei Zweierbelegung 1200 Franken pro Tag. Die grösste, die Owner-Suite, 7000 Franken. Das ist also nichts für schmale Brieftaschen.

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Planschen mit Aussicht: Am Heck findet sich einer der Infinitypools mit ungehindertem Blick in die blaue Ferne.

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Planschen mit Aussicht: Am Heck findet sich einer der Infinitypools mit ungehindertem Blick in die blaue Ferne.

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Und trotzdem: Die «Explora» inkludiert in allen Suiten mehr als hochmögende Fünfsternhotels. Angefangen bei der Flasche Moët & Chandon, die, wenn leer getrunken, in der Kabine vom persönlichen Butler sofort ersetzt und der Nachschub im Eiskübel kalt gestellt wird; allein auf diesem Weg leeren sich 300 Flaschen pro Tag im Lauf dieser Reise. Inbegriffen im Preis sind auch Lunch und Dinner in sechs verschiedenen Restaurants, wo der französische Sternekoch Franck Garanger fürs Foodkonzept steht. Wie auch exzellente Weine im Glas und die meisten Drinks in den zwölf Bars und Lounges.

Das Edelste an diesem Schiff hingegen ist etwas ganz anderes: Seit Tagen haben wir das Gefühl, es ein wenig wie für uns allein zu haben. Zwar sind fast 800 Passagiere an Bord, das Schiff quasi voll belegt. Doch ausser abends in den feinen Restaurants und Bars begegnen einem nur wenige Menschen. Weder auf den Aussendecks noch am Pool hinten am Heck, nicht einmal vorne am Bug auf der sogenannten Sky-Terrasse, wo man in einer Outdoorlounge dem Horizont entgegenfährt. Auf dem fünfminütigen Weg dorthin begegnen wir kurz vor Mittag vielleicht zwölf Personen. Man grüsst sich, nickt sich lächelnd zu. Ansonsten herrscht viel Stille. Ein Gefühl von freiem Raum.

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Gut gefüllte Reservationsbücher

Auf der Sky-Terrasse sitzt eine junge Frau am Laptop, weiter hinten spielen vier Männer um die 60 irgendwas mit Karten. Nahe der Reling treffen wir das Zürcher Ehepaar Alfred und Marianne Habegger. Sie trinken ein Glas kühlen Chardonnay. Habeggers sind oft und gerne auf hoher See, waren auf Luxuskreuzern der US-Reedereien Silversea oder Azamara. Die «Explora» gefällt ihnen besser. «Hier wurden schöne Materialien verbaut, bedeutend mehr und teurere als auf anderen Schiffen dieser Kategorie», sagt Alfred. Marianne nickt. «Eine tolle Mischung von europäischem Chic und viel Privatsphäre.»

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Baden mit Blubbern: Ein Whirlpool an bevorzugter Aussenlage. Champagner wird natürlich auch hier gereicht.

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Baden mit Blubbern: Ein Whirlpool an bevorzugter Aussenlage. Champagner wird natürlich auch hier gereicht.

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Die Reservationsbücher der «Explora» sind bereits jetzt sehr gut gefüllt. Selbst die Owner-Suite ist für 2024 bereits zu 70 Prozent vermietet.

Vor fünf Tagen, einem Dienstag, sind wir in Kopenhagen gestartet. Haben über Göteborg und Oslo heute Morgen Stavanger erreicht. Punkto Ausflügen bot sich nun die Qual der Wahl: In einem Helikopter auf geringer Höhe über viele kleine Inseln in verschiedene Fjorde fliegen? Ein abenteuerlicher Ritt auf dem Speed-Gummiboot zum Tom-Cruise-Felsen, angeschnallt auf Pilotensitzen, Schwimmwesten und Ölzeug am Körper? An Bord bleiben, dem Referat eines Geologen zu den Fjorden Skandinaviens lauschen? Im Gym trainieren, später Wellness und Massage? Oder in der Kleingruppe zur «Chef’s Kitchen», wo Mauro Uliassi, der italienische Sternekoch und Guest-Chef, zeigt, wie man verschiedene Menus mit flambierten Garnelen kocht? Wir entschieden uns für eine individuelle Stadtbesichtigung. Inmitten all der hölzernen Spitzhäuser in Rot, Weiss oder Dunkelgrün. Kitschig. Auch das Bier in der urigen Hafenkneipe.

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Das Super-Luxus-Schiff, von dem Aponte träumte

Drei Aussenpools, ein grosser Indoorpool unter einem Glasdach, ein Spa mit Innen- und Freiluftbereich, sechs Restaurants, acht Bars und Lounges unter Dach und vier im Freien – verteilt auf 248 Meter Länge und 32 Meter Breite, die maximal 922 Passagieren zur Verfügung stehen, die wiederum von rund 640 Besatzungsmitgliedern betreut und umsorgt werden: Dimensionen eines eher klassischen Kreuzfahrers, kompakt genug, um auch kleine Häfen anzulaufen. Die heute üblichen Ozeanriesen wie das aktuell grösste Passagierschiff, die «Wonder of the Seas» der US-Reederei Royal Caribbean, messen rund 360 Metern Länge, sind bis doppelt so breit wie die «Explora I» und bieten Raum bei Maximalbelegung für nahezu 7000 Passagiere. Wegen ihrer Grösse sind viele Häfen für sie tabu.Die «Explora I» ist hingegen sogar deutlich kürzer, wenn auch etwas breiter, als die «Titanic». Ihre Baukosten lagen bei 500 Millionen Franken, während etwa die «Wonder of the Seas» weit über eine Milliarde verschlang.Die aktuellen Reiseziele der «Explora I» ziehen sich über den halben Globus: Mittelmeer, Baltikum, Karibik, Südamerika, 2024 kommt eine grosse Tour ab Vancouver zu den Inseln von Hawaii hinzu.Bis 2028 lässt Gianluigi Aponte fünf weitere Schiffe bauen, alle, wie das erste, in der Fincantieri-Werft in Monfalcone nahe Triest. Inklusive der Nummer 1 sind alle mit modernem Flüssiggasantrieb ausgestattet, das letzte Schiff, die «Explora VI», soll dann mit Wasserstoff betrieben werden. Bis 2050 will MSC punkto Treibhausgasausstoss ihrer Flotte die Marke «netto null» erreichen.

Zurück an Bord macht sich Hunger breit. Im Marktrestaurant werden die Gerichte live gekocht. Hier hat es nun recht viele Leute. Engländer, Deutsche, Spanier, Italiener, Schweizer. Amerikaner auch. Wenige Passagiere aus dem arabischen Raum. Kein Gedränge. Ich lasse mir feine Spaghetti alla puttanesca kochen. Die italienische Kellnerin serviert am Tisch mit charmantem Lächeln und dezenter Zurückhaltung das Glas Barbaresco.

Nach gestern Nacht braucht es jetzt einen Power Nap. Es werden eineinhalb Stunden. Gegen 17 Uhr gehts Richtung Sauna, unterwegs passiere ich das Gym. Viele moderne Geräte, riesige Fensterfronten. Es hätte Platz für 40 Trainierende, aber nur fünf sind da. Drei Frauen auf Steppern, eine auf dem Laufband, ein Mann stemmt Gewichte. Sie schwitzen alle, wirken in Form.

 

Denkprozesse in der Sauna

In der Sauna sitzt nur eine Person. Ein Mann, Mitte 50. Allein. «Salut!», sagt er, ich grüsse auch mit «Salut». Er stellt sich vor: «Jean-Emmanuel Sauvée.» Ich setze mich auf die oberste Reihe und frage ihn, warum er auf der «Explora» sei. «Um zu sehen, was Gianluigi Aponte und Pierfrancesco Vago auf die Reihe gebracht haben!», sagt er etwas rau und wischt sich mit der Hand den Schweiss von der Stirn. «Und, was sehen Sie?», hake ich nach. Sauvée denkt kurz nach. «Vor paar Jahren, als Apontes Idee von der ‹Explora› kursierte, habe ich Kreuzfahrtchef Vago geraten, unbedingt ein kleines Schiff zu bauen. Aber der liess sich nicht beirren.» Sauvée lacht, schüttelt den Kopf. «Am Schluss hatte der Kerl recht! Hier hat nun jeder Passagier mehr Platz als auf sämtlichen anderen Luxusschiffen.»

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Sauvée, einst französischer Marineoffizier, muss es wissen. Er gründete 1986 Ponant, seine eigene Luxusreederei, steuerte mit Segelyachten und kleineren Edelschiffen wie der «Paul Gauguin» 35 Jahre lang exotische Inseln an. Mittlerweile hat er sein Unternehmen dem französischen Milliardär François Pinault verkauft, der das Luxuskonglomerat Kering dominiert. Nun testet Sauvée eben die «Explora».

Fünf weitere Schwesterschiffe lässt die MSC-Gruppe in der Fincantieri-Werft in Monfalcone bei Triest bis 2028 noch bauen. Alle mit Flüssiggas, die Letzte – die «Explora VI» – dann mit Wasserstoff betrieben. MSC hat sich das Ziel «netto null CO2» bis 2050 gesetzt. Bei der Frachtschifffahrt ist MSC weltweit die Nummer eins, bei Kreuzfahrten – noch – Nummer drei. Für weitere Ambitionen sind genügend Mittel in Apontes Family Office vorhanden: Der Reingewinn bei der Cargo-Schifffahrt betrug allein 2020/21 satte 21 Milliarden Franken.

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Nur sanftes Wellenrauschen unten am Rumpf.

PD
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Nur sanftes Wellenrauschen unten am Rumpf.

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Raus aus dem Spa, bereits um 18.30 Uhr ist die abendliche Cocktailparty angesagt. Richtig Ambiance und viele Gäste – es ist das erste abendliche People-Rendezvous. Der Champagner fliesst. Michael Ungerer, der CEO von Explora Journeys, stellt uns Sylvie Tellier, Ex-Miss-France 2002, vor, dann eine der erfolgreichsten Influencerinnen Europas: Emelie Lindmark, 25-jährig, wohnhaft in Stockholm und Barcelona. Mit ihrem Freund, einem Model, beobachtet sie aus einer Lounge heraus die Partyszenerie. Bei der Begrüssung wirkt sie etwas scheu, doch die Frage nach dem Grund für ihren Instagram-Erfolg beantwortet sie sehr selbstbewusst: «Mit täglich einer Story, die muss kurz und sehr persönlich sein.» Lindmark wurde natürlich von Explora Journeys eingeladen. Sie soll mit ihren Storys eine jüngere, gut verdienende Crowd aufs Schiff locken. Der Gedanke ist nicht abwegig. Jeder ihrer Posts erreicht 1,7 Millionen Follower.

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«Ocean State of Mind»

20 Uhr, Nachtessen im edlen «Fil Rouge». Das Lokal präsentiert französisch angehauchte World Cuisine. Angeregte Stimmung an den Tischen. Wir starten mit Foie gras, sanft gebratenen Aprikosen an Balsamico. Danach Lachs-Tournedos mit Kaviar. Als Hauptgang ein Kalbsfilet Wellington, Steinpilzfüllung, Gemüsestreifen und Trüffel demi-glace. Zum Abschluss karamelisierte Mille-feuilles, einen Espresso und Pralinés. Alles köstlich. Die Waage wird Ende Woche definitiv mehr anzeigen.

Es ist bereits 23 Uhr, heute Abend solls nicht so spät werden. Auf dem Weg zur meiner Suite hinten am Heck spielt ein DJ auf dem «Astern»-Loungedeck die besten Tunes der Nineties. Vielleicht 60 Gäste sind da. Die Stimmung auf der Tanzfläche ist ausgelassen, man könnte sagen: ungehemmt. CEO Michael Ungerer steht mit seiner Frau am leuchtenden Pool und geniesst einen Drink. Er nickt uns einladend zu. Also, dann bestellen wir beim philippinischen Barmann eben auch noch einen: Zacapa-Rum. 23-jährig. Aus Guatemala.

Wir stossen an. Ungerer hat sein halbes Leben auf Schiffen verbracht, die Begeisterung nahm nie ab: «Das Meer lässt mich atmen. Raum und Zeit verschmelzen hier zu einem ‹Ocean State of Mind›», sagt er, «spüren Sie, was ich meine?» Mein Blick geht hinaus aufs Meer, sucht in der Dunkelheit nach einem Horizont, nach Lichtern eines anderen Schiffs. Aber dort draussen ist nichts. Nur sanftes Wellenrauschen unten am Rumpf. Ich nippe am Rum, er duftet nach Schokolade, Kaffee und Melasse. Ein Ocean State of Mind? Ja, den verspüren diese Woche auch wir.

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