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New Generation: Vulkanier vertreiben Frauen aus der Informatik

Der Mangel an Informatikerinnen stellt auch in der Schweiz ein Problem dar. Aber was hält Frauen von der Computertechnologie fern? Und wie gewinnt man sie zurück?

Anna Gielas

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Nun passen Laptops punkto Grösse und Gewicht endlich in die weibliche Handtasche - da wollen die Damen auf einmal nicht mehr. In den USA sinkt seit einigen Jahren der Anteil der Frauen in den Computerwissenschaften. Dort, wo heute mehr als die Hälfte aller naturwissenschaftlichen Diplome in Hände mit French Manicure wandern, sind nur noch 20 Prozent aller Informatikabsolventen weiblich. Hierzulande sieht es noch düsterer aus. An der ETH machen Studentinnen lediglich 12 Prozent des Studiengangs aus.
Wieso eigentlich? Wegen unglücklicher Sozialisierung im Sandkasten? Der falschen Weichenstellungen in der Schule? Oder doch aufgrund des Fehlens frauengerechter Arbeitszeiten und Kinderkrippen? Darüber rätseln hiesige Experten mittlerweile und raufen sich das Haar.

«Wir bilden deutlich zu wenig Informatikernachwuchs aus», warnt die Schweizer Informatik Gesellschaft. «In den letzten Jahren mussten jeweils 6000 aus dem Ausland geholt werden.» Aber die gravierende Lücke ist damit nicht geschlossen. Ab 2012 werden jährlich mehr Computerwissenschaftler pensioniert, als aus den Bildungsstätten nachrücken. Weibliches Potenzial ist eine Ressource, die es dringend zu kultivieren gilt. Doch die Damen wollen nicht.

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Selbst beim theoretisch egalisierenden Internet üben sie sich in Zurückhaltung. «Je nachdem, welchen Angaben man Gehör schenkt, sind nur 1,5 bis höchstens 5 Prozent der Open-Source-Entwickler weiblich», beteuert Amy Vernon von «Network World», einer wöchentlichen IT-Publikation.

Dies gilt auch für Programmierer hierzulande, wie die Studie «Das Image der Informatik in der Schweiz» untermauert. Generell, so heisst es darin weiter, nutze der Schweizer das Internet häufiger als die Schweizerin. Die Userin, so scheint es, mag nicht mitmachen. Selbst das Werkeln an populären Webseiten wie Wikipedia gilt ihr als wenig attraktiv. Von rund 54 000 Autoren der Online-Enzyklopädie sind weniger als 7000 weiblich - das sind magere 13 Prozent.

Damit befördert die Userin ihre Talente ins Abseits. Nicht als Gestaltende, sondern als Gestaltete findet sie sich im virtuellen Raum wieder. «Die Mainstream-Webseiten im Internet sieht die Userin primär als Konsumentin», bedauert Professorin Cindy Royal an der Texas State University. Webseiten, die heute Millionen von Usern anziehen, wie YouTube, Facebook oder auch Twitter, entstammen männlichen Programmierhänden. Auf File-Sharing-Seiten poppt die «Frau aus der Nachbarschaft» mit einem Prachtsdécolleté auf - kein Pseudoheilkräutchen gegen Menstruationsbeschwerden.

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Aber es ist nicht der heterosexuelle Mann, der das Netz regiert. Die weiblichen Vorurteile dominieren es. Das zumindest suggerieren US-amerikanische Studien, wie diejenige von Psychologin Sapna Cheryan an der renommierten Stanford University. «Wie sehr bist du an Computerwissenschaften interessiert?», wollte die Professorin von ihren Probandinnen wissen. Für das Ausfüllen eines Fragebogens lud sie die Teilnehmerinnen in ein Büro ein, das untrüglich die Annexion durch einen männlichen Computerspezi (auch Geek genannt) verriet: Star Trek Memorabilia hier, Computerteile dort, dazwischen einige Cola-Dosen.
Cheryans Fazit: «Das Interesse meiner Teilnehmerinnen schwankte mit ihrer Umgebung.» In einem Raum mit neutraler wissenschaftlicher Atmosphäre zeigten die Damen dasselbe rege Interesse an Computer und Internet wie die Herren.

Vielleicht werden künftig einige Vorurteile, die Informatikern anhaften - wie Mangel an sozialer Kommunikation, obsessive Arbeitswut sowie skurrile Macken -, dahinschwinden. Das könnte aufgrund der zunehmenden Akzeptanz in der Presse klappen. Medien in den Vereinigten Staaten haben den August zum ersten Geek History Month erklärt. Das IT-Unternehmen AOL kündigt in Zusammenarbeit mit mehreren Webseiten-Betreibern bereits die ersten Geek Awards an. Am 18. August sollen sie in Los Angeles den «geeksten» Stars und Sternchen verliehen werden. Vielleicht lockt ja das Hybrid aus Geek und Glamour die Frau zurück an den PC.

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