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Kurt W. Zimmermann: Chefs und Schimpansen

Konflikte kann man nur schlichten, wenn man den Konflikt nicht scheut. Das wissen selbst die Affen.

Kurt. W. Zimmermann

Kurt W. Zimmermann

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Wenn man Genaueres ĂŒber Affen wissen will, ist man in ZĂŒrich gerade richtig. ZĂŒrich ist das Kompetenzzentrum fĂŒr Fragen zum Verhalten von Orang-Utangs und Schimpansen.

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Ich rede hier nicht davon, dass ZĂŒrich die Schweizer Wirtschaftsmetropole ist. Noch nicht.

An der UniversitĂ€t ZĂŒrich lehrt Professor Carel van Schaik. Er ist Direktor des Instituts fĂŒr Anthropologie und weltweit einer der renommiertesten ­Affenforscher. Vor allem das Sozialverhalten der ­Primaten interessiert ihn, etwa wie sich Affen ­Konflikte liefern und wie sie diese Konflikte lösen.

Ich rede noch immer nicht davon, dass ZĂŒrich die Schweizer Wirtschaftsmetropole ist.

Aufschlussreich war eine Untersuchung, die van Schaiks Zoologen-Team in Gossau SG durchfĂŒhrte – also sozusagen Affensoziologie auf heimischem ­Terrain. In einem lokalen Zoo beobachteten die ­Forscher monatelang eine Gruppe von elf Schimpansen und deren Konfliktmanagement.

Es gab im Prinzip nur zwei Konfliktsituationen: Die Weibchen hatten Krach ums Futter; die MĂ€nnchen hatten Krach um die Weibchen.

Wenn es knallte zwischen den Streithahn-­Schimpansen, dann brauchte es hÀufig einen ­Vermittler, der neutral dazwischenging. Diese Rolle des unparteiischen Schlichters wurde ausschliesslich von den beiden ranghöchsten MÀnnchen wahr­genommen.

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Ich war einmal Mitglied in einer GeschĂ€ftsleitung, in der es regelmĂ€ssig hoch herging. Meist gerieten der Marketingchef und der Bereichsleiter ­Firmenkunden aneinander. Der Bereichsleiter warf dem Marketingchef vor, dessen Performance im Verkauf sei unter jeder Sau. Der Marketingchef gab zurĂŒck, solch beschissene Produkte wie jene des Bereichsleiters könne man nicht einmal verschenken. Wie man sieht, war das GesprĂ€chsklima leicht gereizt.

In dieser Situation versuchte hÀufig der Finanzchef zu vermitteln. «Bitte, meine lieben Kollegen», sagte er und schlug eine moderierte Strategiesitzung vor. Jetzt waren sich der Marketingchef und der Bereichsleiter sofort einig: «Halt dich da raus!», schnauzten sie gemeinsam den Finanzchef an.

Mehr Erfolg als Schlichter hatte meist der Produktionschef. Er war seit fĂŒnfzehn Jahren in der Unternehmensspitze. Er schlug keine Strategie­sitzung vor, sondern sagte: «Ihr zwei Kindsköpfe geht mir total auf die Nerven.» Dann war Ruhe.

Bei den Schimpansen in Gossau war es genauso. Wenn man Konflikte lösen will, zieht man oft Aggressionen auf sich. Die beiden ranghöchsten MĂ€nnchen konnten die StreitfĂ€lle nur deshalb beenden, weil sie in der Gruppe als AutoritĂ€ten unbestritten waren. Wenn nötig untermauerten sie ihre AutoritĂ€t durch Drohverhalten gegenĂŒber den Konfliktparteien.

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Auch im richtigen Leben ist es so. Mit KuschelpĂ€dagogik kann man Konflikte nicht lösen. Deshalb scheiterte der Finanzchef regelmĂ€ssig als ­Vermittler. Er hatte keine AutoritĂ€t, und er traute sich auch nicht, sich diese AutoritĂ€t zu holen. Aus demselben Grund scheitert der Lehrer, der in der Schule die Konflikte von verhaltensauffĂ€lligen AuslĂ€nderkindern mit WohlfĂŒhl-GesprĂ€chen zu lösen versucht. Ohne Durchschlagskraft hat und wird er keine AutoritĂ€t.

Man muss kein Darwinist sein, um von den Schimpansen zu lernen. Mitglied einer GeschĂ€ftsleitung zu sein, genĂŒgt.

Kurt W. Zimmermann ist Verlagsunternehmer. Er ist Kolumnist und Buchautor zu den Themen Medien und Outdoor-Sport. Zudem studiert er Biologie.

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