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Konsequente Komplexitätsreduktion im Hightechunternehmen am Beispiel der Acutronic Schweiz AG.
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Als die Acutronic-Gruppe in den Siebzigerjahren von Ingenieuren gegründet wurde, entwickelte sie sich schnell zu einer regelrechten Hightechboutique. Es herrschte eine gewisse «Wir können alles»-Mentalität. Entsprechend dieser Haltung diversifizierte die damalige Firmenleitung in den Achtzigerjahren die Geschäftsfelder: Neue Aktionsfelder wie die Medizintechnik oder etwa die Automatisation erforderten hohe Investitionen und den Aufbau neuer technologischer Lösungen. So gesehen war Acutronic seinerzeit ein typisch schweizerisches Unternehmen: nämlich klar technologieorientiert, perfektionistisch bezüglich seiner Produkte und preislich in der obersten Klasse angesiedelt. Die Ausrichtung an sich und die Diversifikation führten schliesslich in die Komplexitätsfalle, die das Unternehmen in seiner Existenz bedrohte: Das Tätigkeitsgebiet des Sondermaschinenbaus ist eigentlich schon komplex genug. Denn jeder Auftrag ist hochgradig kundenspezifisch. Im Prinzip ist jede Maschine ein Unikat. Massiv erschwerend wirkte sich seinerzeit aus, dass Acutronic unter anderem Flugzeugbauer, Neurologen, Erdölbohrer, Automobilbauer oder Erdbebenforscher als Kunden hatte. Jede dieser Kundengruppen spricht eine eigene Sprache, hat eigene Denk- und Handlungsgewohnheiten. All dies verunmöglichte jegliche Fokussierung und eine wirtschaftliche Erfüllung der Kundenaufträge. Es ist rückblickend kaum verwunderlich, dass bei Acutronic strategisches Wirrwarr herrschte. |
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1996 wurde das Unternehmen vom heutigen Eigentümer im Rahmen einer Nachfolgelösung übernommen. Er brachte einerseits einen betriebswirtschaftlichen Hintergrund und andererseits Praxiserfahrung aus der Luft- und Raumfahrtindustrie mit. Zum Zeitpunkt der Übernahme stagnierte das Wachstum. Das Unternehmen wies Verluste aus. Die vordringlich zu klärenden Fragen waren:
Die Analyse zeigte, dass die Gesundung des Unternehmens und die Schaffung von Wachstum die Umsetzung zweier Handlungsfelder erforderte:
Mit den eben genannten Handlungsfeldern sollten die beiden Hauptziele erreicht werden, nämlich
Phase 1: Fokussierung als Grundlage zur Realisierung des Turnarounds (1996–1999), Phase 2: Professionalisierung sämtlicher Prozesse (1999–2002). In beiden Phasen war die Komplexitätsreduktion der Schlüssel zum Erfolg. Fokussierung als Turnaround-Basis Bei der bestehenden Sortiments- und Branchenkomplexität war eine Fokussierung unumgänglich. Diese wurde mittels der klassischen Markt-Produkt-Matrix vorgenommen. Analysen des Marktes und der Wettbewerber zeigten, dass der eigentliche Kernmarkt, nämlich die Luft- und Raumfahrtindustrie genügend Raum für Wachstum bietet. Der Entscheid: Acutronic sollte sich fortwährend auf die Kernkompetenz Bewegungssimulation und auf den Kernmarkt Luft- und Raumfahrtin-dustrie konzentrieren. Somit musste sich Acutronic vom breit diversifizierten Technologieunternehmen mit unterschiedlichen Kundengruppen zum Nischenplayer mit klarem Fokus auf eine Kundengruppe verändern. Die Acutronic-Fokussierung heute Der Veränderungsprozess machte es unter anderem erforderlich, dass Acutronic seine Niederlassungen in England und Frankreich schloss und deren Aktivitäten in den Schweizer Hauptsitz verlegte. Unterstützt wurde diese Massnahme durch die Konzentration der Luft- und Raumfahrtindustrie. Die Anzahl der aus vielen Ländern stammenden Mitarbeiter in der Schweiz hat sich seither auf 25 Beschäftigte verdoppelt. Die damit verbundenen Personalmassnahmen führten zu einer massiven Verjüngung des Acutronic-Mitarbeiterstabs; das Durchschnittsalter der Acutronic-Mitarbeiter beträgt heute 32 Jahre. Dieser Wandel auf der Personalebene wurde jedoch schrittweise und keineswegs radikal vollzogen. Denn schliesslich besass Acutronic seit Gründerzeiten unter anderem beachtliche Technologiekompetenzen. Diese und die damit verbundenen Fähigkeiten galt es zu erhalten und die Exponenten der Gründergeneration in die Neuorientierung des Unternehmens einzubinden. Dies erklärt, warum beispielsweise der Firmengründer noch immer als Ehrenpräsident im Verwaltungsrat aktiv ist und die Neuausrichtung mit seinem Know-how unterstützt. Outsourcing – ein Komplexitätskiller Als weitere Massnahme zur Komplexitätsreduktion wurden sämtliche Tätigkeiten rigoros daraufhin überprüft, ob sie tatsächlich zu den Acutronic-Kernfähigkeiten gehörten und somit auch künftig im eigenen Unternehmen verrichtet werden sollten. Die Verdrahtung der Schaltschränke wurde beispielsweise nicht als Acutronic-Kernkompetenz erachtet und dementsprechend an ein Drittunternehmen vergeben. Verkaufs- und Servicefähigkeit des Unternehmens sind hingegen ganz eindeutig interne Kernkompetenzen und wurden durch die Anstellung neuer Mitarbeiter verstärkt. Das Outsourcing gewisser Tätigkeiten mag auf den ersten Blick die Prozesskomplexität eines Unternehmens markant reduzieren. Es darf aber nicht übersehen werden, dass mit jedem Outsourcing auch neue Komplexitäten entstehen: Da sind zum einen die sich aus der Auslagerung im eigenen Unternehmen per se ergebenden Schwierigkeiten (Entlassungen, Identitätsprobleme, Betriebsklima usw.). Diese Herausforderungen müssen vor allem durch geeignete Kommunikationsmassnahmen im Kontext mit sozialverträglichen Personalentscheiden bewältigt werden. Auch die Übernahme der bisher selbst erbrachten Tätigkeiten durch ein Drittunternehmen stellt generell ein gewisses operatives Risiko dar. Das Acutronic-Management setzte deshalb auf die enge Kooperation (virtuelle Kooperation) mit dem Oltener Unternehmen Giroud Olma. Bei diesem Schweizer Zulieferbetrieb sind heute die gesamten Beschaffungsaktivitäten und die Integration der mechanischen Teile gebündelt. Ausser mit Giroud Olma arbeitet Acutronic auch eng mit den örtlichen Fachhochschulen zusammen. Ziel dieser Partnerschaften ist es, den stetigen Technologietransfer über gemeinsame Studienarbeiten und über die Vergabe von Nichtkerntätigkeiten an Dozenten und Studenten zu sichern. Dieser enge Einbezug externer Leistungspartner ermöglichte schliesslich auch kostenwirksame Änderungen an Produkten und Produktion: Durch die Entwicklung und Fertigung von Produktmodulen konnten die Komplexität (in Technologie und Fertigung) und damit auch die Kosten gesenkt werden, ohne den Kundennutzen der massgeschneiderten Problemlösung zu schmälern. Von der Garagenfirma zur professionellen Hightechfirma Ziel der Phase 2 war und ist die Schaffung von Strukturen und Voraussetzungen, um eine hohe Profitabilität sowie ein zweistelliges Wachstum sicherzustellen. Zu diesem Zweck wurde eine Professionalisierungskampagne lanciert. Das Ziel dieser Kampagne ist es, die Komplexität noch weiter zu reduzieren, die Effizienz zu steigern und Redundanzen zu vermeiden sowie die Qualität an oberste Stelle zu setzen. Im Rahmen dieser Kampagne werden vor allem Massnahmen realisiert, welche die Firmenstruktur günstig beeinflussen. Denn will die Firma profitabel wachsen, so müssen die notwendigen Strukturen vorhanden sein. Es kann nicht jeder Auftrag auf eine andere Art und Weise abgewickelt werden. Somit gilt es, einheitliche Prozesse und Standards einzuführen. Die Qualitätsanforderungen werden durch die Kunden beziehungsweise die Situation der Industrie zusätzlich erhöht. Die Luft- und Raumfahrtindustrie unterlag in den letzten Jahren einer starken Konsolidierung, und dies hat die Situation für die Lieferanten und somit auch für Acutronic verändert. Heute sind einige wenige mächtige Kunden vorhanden, die klare Vorgaben hinsichtlich Qualität fordern. Dieser Entwicklung trägt Acutronic mit der Professionalisierungskampagne Rechnung, so beispielsweise mit den Aktivitäten der Prozessoptimierung und der damit einhergehenden ISO-Zertifizierung. Natürlich wurden auch auf den Ebenen Strategie und Kultur Aktivitäten geplant. |
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Ein zentrales Handlungsfeld ist – neben der Prozessoptimierung und den damit einhergehenden Verbesserungen – der Aufbau eines Knowledge-Management-Systems, um den Wissensfluss der an verschiedenen Standorten tätigen Hightechspezialisten zu optimieren. Das Handlungsfeld wird durch gezielte Aktivitäten auf dem Gebiet der Weiterbildung und Entwicklung der Mitarbeiterfähigkeiten ergänzt. Denn diese müssen schliesslich die Entwicklung der Firma unterstützen. Ausblick Seit Beginn der Neuausrichtung im Jahr 1996 konnte Acutronic ein Wachstum im zweistelligen Prozentbereich verbuchen. Wenngleich dieses Wachstum zu Beginn auf Kosten der Profitabilität ging, wurde in der zweiten Phase der Grundstein für profitables Wachstum gelegt. Diese Strategie setzt Acutronic fort, um – so das übergeordnete Ziel – die Weltmarktführerschaft in der Bewegungssimulation für Luft- und Raumfahrt erlangen. |
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