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Bankrettung

Die Übernahme der CS schafft milliardenschwere Rechtsrisiken

Aktionäre sollen bei der Transaktion nichts zu sagen haben. Und Investorinnen schäumen wegen einer Anleihe-Enteignung. Eine Klagewelle rollt an.

Holger Alich

An aerial view shows the headquarters of the Swiss banks Credit Suisse, center, and UBS, left, at Paradeplatz in Zurich, Switzerland on Sunday March 19, 2023. (KEYSTONE/Michael Buholzer).

Die CS-Rettung bringt eine Klagewelle ins Rollen (im Bild: CS-Sitz am Paradeplatz in Zürich).

Keystone

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Die Art, wie der Bund die Übernahme der UBS durch die CS orchestriert hat, wird vermutlich eine Prozesslawine lostreten. Zwei Punkte stehen dabei im Fokus. Zum einen die Tatsache, dass der Bund per Notrecht beschlossen hat, dass die Aktionärinnen und Aktionäre den Deal nicht an einer Generalversammlung (GV) absegnen müssen und somit bei der Bankenfusion des Jahrhunderts nichts zu sagen haben. 

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Zum zweiten sorgt international der Finma-Entscheid für Furore, eine Abschreibung von Anleihen der CS im Volumen von 16 Milliarden Franken anzuordnen, um die Eigenmitteldecke der CS zu stärken. Auf diese Weise soll die UBS vor Verlusten abgeschirmt werden. «Die Aussetzung der Mitbestimmungsrechte und die Enteignung der Aktionärinnen und Aktionäre werden bestimmt rechtliche Schritte nach sich ziehen», sagt die Anwältin Lea Hungerbühler.

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Fonds in der Pflicht

Jede wichtige Firmentransaktion muss normalerweise von den Eigentümern und Eigentümerinnen an der Generalversammlung abgesegnet werden. Doch angesichts der massiven Abflüsse bei der Credit Suisse urteilte die Regierung, dass keine Zeit bleibt, eine GV mit den üblichen Vorlauffristen von zwanzig Tagen einzuberufen.

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In einer Verordnung vom 19. März hat die Regierung daher nach Artikel 10a bestimmt, dass bei Transaktionen von systemrelevanten Banken keine GV nötig ist, wenn diese Aussetzung «zum Schutz der Schweizer Volkswirtschaft und des schweizerischen Finanzsystems notwendig ist».

«Fonds, die Aktien einer oder beider Grossbanken halten, sind fast schon verpflichtet, rechtliche Schritte zumindest zu prüfen, um die Rechte der Fondsinvestoren und -investorinnen zu wahren», sagt Expertin Hungerbühler. Ein möglicher Ansatzpunkt wäre, vor Gericht gegen die Notverordnung des Bundesrates vorzugehen.

Ethos prüft rechtliche Schritte

Einer der grössten Aktionäre beider Banken ist der US-Riese Blackrock. Der Konzern wollte die Frage allfälliger Klagen nicht kommentieren. Auch die ZKB hält sich bedeckt: «Das Assetmanagement der Zürcher Kantonalbank wird seine Verpflichtungen gegenüber der Kundschaft weiterhin wahrnehmen und die aktuellen Entwicklungen laufend beobachten.»

Auch die Anlagestiftung Ethos bemängelte die Entscheidung, die Aktionärinnen und Aktionäre nicht über die Übernahme abstimmen zu lassen und sieht darin eine klare Benachteiligung. Die Vorgänge stellten ein «beispielloses Scheitern in der Geschichte des Schweizer Finanzplatzes dar». Ethos kündigte an, «alle Optionen, auch juristische» zu prüfen, um die Verantwortlichkeiten für dieses Debakel zu klären. Ethos-Chef Vincent Kaufmann zweifelt allerdings daran, dass eine Klage gegen die Bundesratsverordnung Aussicht auf Erfolg haben könnte.

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Lehmann

Auftritt von CS-Präsident Lehmann war eine «echte Katastrophe»

Die Schweizer Finanzministerin bewies, dass sie gut Englisch kann. Andere hätten «total» versagt. Wie PR-Profis die Auftritte vom Sonntag sehen.

Für weltweites Entsetzen hat zudem eine umstrittene Entscheidung der Finma gesorgt. Diese hat am Sonntag angeordnet, dass eine sogenannte AT1-Anleihe im Volumen von 16 Milliarden Franken abgeschrieben wird. Das bedeutet: Die Anleiheanlegerinnen und -anleger sehen keinen Rappen ihres Investments. Ihr Geld wird eingezogen, um die Kapitalpolster der CS zu stärken.

Die Investoren sprechen von «Diebstahl»

Anleihen dieser Art wurden im Nachgang zur Finanzkrise von Banken ausgegeben. Sie sollen als zusätzliches Polster dienen für den Fall, dass eine Bank ins Trudeln gerät. Doch normalerweise ist die Haftungskaskade so, dass erst die Eigenkapitalquote unter eine bestimmte Schwelle fallen muss, bevor die Anleihegläubigerinnen und -gläubiger dran sind. Das war bei der Credit Suisse offenbar nicht der Fall. 

Insgesamt hätten europäische Banken Anleihen in einem Volumen von 202 Milliarden Euro ausgegeben, wie die JP Morgan schreibt. Am Montag gerieten diese Bonds unter starkem Verkaufsdruck, weil die Investorinnen und Investoren sich nun sorgen, dass das Schweizer Beispiel Schule machen könnte.

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«Sie haben die Regeln geändert und letztlich 16 Milliarden Anleihen gestohlen», schimpft Davide Serra, Gründer und CEO der Algebris Investors. «Goldman Sachs hat bereits angedeutet, dass es eine Klage einreichen wird, und andere Anleger werden folgen», sagt Charles-Henry Monchau, Anlagechef der Bank Syz.

Quinn Emanuel bläst zur Attacke

Die US-Kanzlei Quinn Emanuel hat ein internationales Anwaltsteam zusammengestellt, das mit CS-Anleiheinvestoren in Kontakt steht. Es würden rechtliche Schritte in dem Fall geprüft, teilte die Kanzlei mit.  

«Allfällige Klagen gegen die von der Finma angeordnete Abschreibung der AT1-Anleihen dürften ins Leere laufen» meint dagegen Reto Schiltknecht, Ex-Finma-Kadermann und Senior Council der Beratungsgesellschaft Geissbühler Weber & Partner. 

Die Merkwürdigkeiten der CS-Übernahme

Regierung, SNB und Finma gaben sich Mühe, der CS-Rettung den Mantel einer sauberen Lösung umzuhängen. Doch es gibt zahlreiche Widersprüche. Dass die Credit Suisse nicht vom Staat gerettet wurde, sieht wohl nur der Bundesrat so. Es mag zwar stimmen, dass weder Bund noch SNB irgendwelche Schrottpapiere kaufen wie damals bei der UBS-Rettung 2008 und dass keine Rekapitalisierung mit Staatsgeldern stattfindet. Aber natürlich tragen die staatlichen Retter auch in dieser Hilfsaktion ein Risiko – mit einem potenziell grossen Schaden. 

Weitere Merkwürdigkeiten finden Sie hier.

Denn die Schweizer Regeln sähen drei Gründe vor, eine AT1-Anleihe zur Haftung heranzuziehen: «Das Eigenkapital der Bank unterschreitet eine Mindestgrenze, die Bank wird abgewickelt – oder eben, die Bank erhält Staatshilfe», erklärt er. «Die UBS bekommt eine milliardenschwere Verlustgarantie, das ist eine klare Staatshilfe und erlaubt damit, die AT1-Anleihen zur Stärkung des Eigenkapitals heranzuziehen.»

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Tatsächlich wird diese Möglichkeiten auch transparent im Geschäftsbericht der CS ausgewiesen, konkret auf Seite 119.

Ein Schweizer Unikum

Doch die Tatsache, dass die Aufsicht diese Anleihen heranziehen kann, wenn die betreffende Bank «nur» Staatshilfen bezieht, ist zumindest in der internationalen Bankenwelt ein Schweizer Unikum.

So sahen sich die Europäische Zentralbank, die Europäische Bankenaufsicht (EBA) sowie die EU-Abwicklungsbehörde gar zu einer gemeinsamen Stellungnahme genötigt, in der sie betonen, dass die gemeinhin übliche Haftungskaskade nicht geändert würde: Das heisst, zuerst verlieren die Aktionärinnen ihr Geld, erst dann kommen die Besitzer der Extrapolster-Anleihe dran. 

Die Finma-Entscheidung droht nun Folgen für die gesamte Bankenlandschaft zu haben, wie die Analystinnen und Analysten von JP Morgan warnen. Denn aus Sorge, dass die Anleihen zur Stärkung der Kapitalpolster doch früher zur Haftung herangezogen werden, werden Investoren hierfür höhere Zinsen verlangen. Und damit steigt die Refinanzierung aller Banken. 

Die Schockwellen des Bankenbebens in der Schweiz, sie erreichen nun das gesamte Finanzsystem. 

Über die Autoren
Holger Alich

Holger Alich

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