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Vorbilder – Teil 3

Marcus Signer: Er kann signerisch

Die Berg-und-Tal-Fahrt seiner Vita formt Signer zu einem faszinierenden Künstler.

Thomas Wyss

<p>Vorbild 3: In Schauspieler Marcus Signers Laufbahn finden sich auch wahrhaft magere Jahre. Er hatdurchgehalten.</p>

Vorbild 3: In Schauspieler Marcus Signers Laufbahn finden sich auch wahrhaft magere Jahre. Er hatdurchgehalten.

Siggi Bucher

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Vor acht Jahren las man es schwarz auf weiss. «Marcus Signer: ‹Ich musste betteln!›» Klar, denkt man, es ist der «Blick», also Boulevard, da gehört die Zuspitzung zum guten Ton. Und doch ist die Schlagzeile irritierend, fast unglaubwürdig.

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Umso mehr, als Signer für die klasse Verfilmung von Pedro Lenz’ Mundartroman «Der Goalie bin ig» 2014 – also drei Jahre zuvor – beim Schweizer Filmpreis die Auszeichnung als «Bester Darsteller» gewonnen hatte. Dieser Charakterkopf mit dem sexy verrauchten Berner Dialekt soll, in Kleiderlumpen auf Trottoirs hockend, bei Passanten um Almosen geheischt haben? (Diese Ausschmückung bitte unter künstlerischer Freiheit abbuchen, danke.)

Nun, der zur Headline gehörende Text ist nicht ganz so dramatisch. Signer erzählt, er habe früher um Engagements betteln müssen, um Essen und Miete berappen zu können. O-Ton: «Ich habe tagelang Werbe-, Film- und Theaterproduktionsfirmen abtelefoniert, damit ich mit einem Radiospot-Honorar von 60 Franken meine Ernährung für eine Woche sichern konnte.» Gleichwohl – nach gesunder, ausgewogener Künstlerexistenz klingt das nicht ... und daraus hat der 61-Jährige nie einen Hehl gemacht.

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Zuerst sind da die Jugendsünden. Diebstähle, geknackte Zigi-Automaten und schliesslich der Vorfall, den er in der «Schweizer Illustrierten» schildert. Er habe in einen Kiosk einbrechen wollen, sei aber in einer Altstadtwohnung gelandet. Dort habe er Geld gefunden, eine Katze gestreichelt – und sei plötzlich vor einer nackten Frau gestanden. Schreie, Flucht aufs Dach, Schüsse: «Wer immer da geschossen hat, er zielte daneben», so Signer.

Mit 14 verschwindet er von zu Hause. Taucht in die Berner Hausbesetzerszene ab, jobbt als Tellerwäscher und Gerüstbauer, beginnt eine Lehre als Hochbauzeichner. Dann: Velounfall, Spital, Depression, Lehrabbruch. 1981 macht er die Bekanntschaft mit Leuten von der Berner Theaterwerkstatt «1230». Nach zwei Schnupperwochen ist klar: Das wärs!

Bildcombo Bonanza Vorbilder. Credit: Imago, Getty Images

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Um zu sparen, zieht er wieder bei der Mutter ein. Die monatlich 600 Franken für die Schauspielausbildung verdient er sich als Aushilfe in einer Fastfoodkette. Die Demut zahlt sich aus. In den Neunzigerjahren holt man sein Talent von der Bühne auf die Leinwand: Er bekommt «Tatort»- und Filmauftritte, gar in «Brandnacht», wo Stars wie Gudrun Landgrebe, Dietmar Schönherr oder Bruno Ganz mitwirken. Die internationale Karriere scheint vorgespurt. Doch stattdessen folgt ab 2001 eine zehn Jahre dauernde schauspielerische Dürre.

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Der Grund? Eine Fehleinschätzung, wie er dem «Bund» gesteht: «Ich habe gemeint, ich brauche keinen Agenten – und dann war die Gelegenheit vorbei.» Reue aber spürt Marcus Signer nicht: «Es wäre einfach ein anderer Weg geworden.»

Vermutlich hat ihn gerade die teils extreme Berg-und-Tal-Fahrt zu jenem faszinierenden und wandelbaren Schauspieler gemacht, der er heute ist. Signer kann borniert mit Charme (wie in «Wilder»), kann desillusioniert («Der Goalie bin ig»), kann obskur («Die schwarze Spinne»), kann witzig schräg («Maloney»). Noch wahrscheinlicher: Er kann einfach signerisch. Und dafür ziehen wir als Publikum beeindruckt den Hut!

Dieser Artikel ist im Bonanza, dem Magazin der BILANZ, erschienen (Sommer 2025).

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